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Familienpolitik

Wechselmodell als gesetzliches Leitmodell?

Ich hatte vor langer Zeit schon ein Video zum Thema Wechselmodell als gesetzliches Leitmodell gemacht. Jetzt, bei den Koalitionsverhandlungen der Ampel, wird das Thema wieder brandaktuell. Wird es ein Wechselmodell als Regelfall geben, wie es die FDP im Wahlkampf gefordert hat? Und wie ist eigentlich meine aktuelle Meinung zum Thema? All das lest Ihr in diesem Artikel.

Sondierungspapier schweigt sich zum Wechselmodell aus

Liest man das Sonderungspapier von SPD, Grüne und FDP durch, dann sieht es eher mau aus mit Wechselmodell: Explicit erwähnt wird es nicht.

Einzig die folgende Passage könnte Diskussionen hierüber enthalten:

Wir wollen unsere Rechtsordnung der gesellschaftlichen Realität anpassen. Dazu werden wir u.a. das Staatsangehörigkeitsrecht, das Familienrecht, das Abstammungsrecht und das Transsexuellengesetz ebenso wie die Regelungen zur Reproduktionsmedizin anpassen und beispielsweise Verantwortungsgemeinschaften bzw. einen Pakt für Zusammenleben möglich machen.

Sondierungspapier, Punkt 8

Es fällt bereits auf, dass man hierzu keine Aussagen unter Punkt 5 „Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung ein Leben lang“ findet. Gleichwohl kann man natürlich sehen, dass das Wechselmodell einer geänderten gesellschaftlichen Realität entspricht. Andererseits ist das doch genau der Kritikpunkt bisher, dass es eben keine gesellschaftliche Realität und auch keine rechtliche Realität gibt, die das Wechselmodell als gesetzliches Leitmodell und Regelfall sieht. Der VAMV zitiert hier eine Umfrage, nach der nur 8% aller Betroffenen solch ein Wechselmodell leben (dürfen).

Bisher sind keine Garantien ersichtlich, dass ein Wechselmodell kommt

Michael Langhans, Herausgeber

Wir werden also schlicht warten müssen, was am Ende im Koalitionsvertrag stehen wird, wer sich inwieweit durchsetzen wird und mehr. Alleine dass man jedenfalls auf der Agenda hat, Kinderrechte ins Grundgesetz einzufügen (meine Meinung hierzu findet ihr hier), lässt jedenfalls böses ahnen: Neue Anstriche statt ein Anpacken der bestehenden Probleme.

Mein altes Video vom Februar 2019

Unten findet ihr mein neues Video. Bis dahin darf ich euch auf das alte Video verweisen, das jetzt als Re-Upload auf dem Familienrechtskanal erschienen ist:

Status Quo Wechselmodell, Residenzmodell, Nestmodell?

Stand heute gibt es gesetzlich kein Leitmodell, an dem sich Gerichte orientieren müssen. Weder das Residenzmodell (Kind lebt bei einem Eltenteil, der andere hat mehr oder weniger Umgang), Nestmodell (das Kind lebt in einer Wohnung und die Eltern wechsel sich ab, mit dem Kind dort zu leben) oder Wechselmodell (Kind wechselt zwischen den Wohnungen der Eltern) sind gesetzlich vorgeschrieben. Dies ist systematisch auch richtig und notwendig, weil der Begriff des Kindeswohles über allem steht. Hieran hat ein Richter, eine Richterin seine Entscheidungen anzulehnen.

Residenzmodell als Regelfall ist gesetzlich nicht normiert. Wird es trotzdem angeordnet ohne kritische Prüfung, ist ein Beschluss schon heute falsch

Michael Langhans, Volljurist

Dabei darf man aber nicht verkennen, dass es natürlich die gesellschaftlich weitverbreitete und insoweit auch oft gerichtlich praktizierte Meinung gibt, dass ein Kind einen Ankerpunkt braucht, sein „Zuhause“, das „ein Ort“ sein müsse. Diese Realität findet dann in gerichtlichen Entscheidungen Eingang. Das Gericht fühlt sich quasi den tradierten Rollenbildern verpflichtet und spricht einem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht (abgekürzt ABR) zu. Meist ist das, insbesondere bei Kleinkindern, die Mutter.

Das ist so schon heute nicht richtig, und würde auch bei einem neuen, gesetzlich fixierten Leitbild nicht richtiger. Kann das Wechselmodell als Regelfall hieran etwas ändern?

Das Wechselmodell ist nicht so einfach umzusetzen

Bereits heute sind sich meiner Auffassung nach alle einig, dass das Wechselmodell grundsätzlich hervorragend für Kinder geeignet ist. Diese Wachsen mit zwei Elternteilen auf, Loyalitätskonflikte könnten so vermieden werden und eine gesunde, für das Kind notwendige Beziehung zu beiden Eltern (Bindung) erwachsen. Doch darf man nicht verkennen, dass mit einem Wechselmodell auch Belastungen für das Kind einhergehen. Das Kind muss sich auf zwei Regelwerke einstellen, die in jedem Haushalt gelten. Im Idealfall können Eltern diese Regeln (Schlafensgehzeiten, wann werden Hausaufgaben erledigt, was muss im Haushalt ausgeführt werden usw.) abstimmen. Doch dazu bedarf es eines nicht unerheblichen Kommunikationsmiteinanders. Wenn die Eltern aber, wie so oft, miteinander nicht Reden und Streiten können – unabhängig von der Frage woran es liegt (!) – wird es schwer. Schwer für die Eltern, die anderen Regeln zu akzeptieren. Schwer für das Kind, sich einzustellen.

Von den weiteren finanziellen Belastungen von 2 vollständig ausgestatteten Haushalten und der damit auch einhergehenden Problematik Unterhalt möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst reden.

Mein neues Video zum Wechselmodell

Für viele ändert ein gesetzlicher Regelfall nichts

Eines darf man bei der Diskussion nicht vergessen: Da sich die meisten Trennungseltern ohne gerichtliche Hilfe für ein Modell entscheiden, würde ein Leitmodell nichts ändern an den Realitäten. Dies heisst dann aber auch, dass eine Gesetzesänderung ungeeignet wäre, die Realitäten zu ändern. Andererseits ist die Situation für den Streitfall klar, die Beweisaufnahme erleichtert sich erheblich, oder etwa nicht?

Gemeinsame Sorge

Einen ähnlichen Gedankengang hatten wir, als die gemeinsame Sorge als Leitmodell eingeführt wurde. Früher war es so, wenn ein Vater die gemeinsame Sorge erstreiten wollte, musste er darlegen, warum die Mutter nicht (alleine) geeignet ist. Dies führte dann zu nicht wenigen Problemen und Streitereien. Die emotionale Ebene wurde bedient. Der Stress und damit einhergehende negative Einflüsse auf das Kind mehr. Durch die Umdrehung der Situation, heute muss die Mutter darlegen, warum der Vater nicht geeignet ist für gemeinsame Sorge änderte sich genau was? Richtig, inhaltlich nichts. Nur wer über wen schlecht sprechen muss hat sich geändert. Am Kindeswohl und den Belastungen des Streites hat sich nichts geändertn.

Was würde sich bei einem Wechselmodell ändern?

Risiken des Wechselmodells als gesetzliches Leitbild der Erziehung

Für mich stehen die Risiken eines solchen gesetzlichen Leitbildes Wechselmodell statt (gelebt) Residenzmodell in keiner Relation. Denn die schwierige Abstimmung und Kommunikation ist doch heute schon das drängende Problem. Was soll sich daran ändern? Genau: Nichts. Das Wohl des Kindes muss im Mittelpunkt stehen. Und daran kann ein Leitbild nichts ändern. Ich sehe eher mehr Schlammschlachten, mehr Probleme. Und wer freut sich, wenn es mehr Streit gibt? Am Ende ggf. die Kinderheime. Zugegeben, das mag eine überzogene Darstellung sein. Aber wenn das Wohl des Kindes auf dem Spiel steht und zwei Eltern die Elternebene zum Nachteil des Kindes missbrauchen, dann ist meiner Meinung nach eben auch keine Entscheidung pro eines Elternteiles wenig hilfreich. Dadurch wird neuer Streit provoziert – wie bereits heute auch.

Manipulation als ungelöstes rechtliches Problem

Das ungelöste eigentliche Problem ist doch, sind wir ehrlich, die Manipulation von Kindern oder des Verfahrens durch einen oder beide Elternteile. Damit wird es oft schwer, den Willen oder das Wohl der Kinder zu eruieren. Daran müsste man ansetzen. Meine Lösungsansätze erhaltet ihr in einem weiteren Artikel, bald.

Konklusion

Ich sehe nur Risiken und wenig Chancen. Daher lehne ich ein gesetzliches Leitmodell ab. Wenn Eltern sich nicht einigen können oder wollen, muss der Staat nur in Fällen der Notwendigkeit eingreifen. Ich mag keine staatlichen Eingriffe in die Familien, wenn es sich vermeiden liese. Stattdessen präferiere ich einen Zwang für werdende Eltern, vor der Geburt eine notarielle Einigung über das Erziehungsmodell im Trennungsfall Einigkeit herbeizuführen, die dann als Leitmodell der Entscheidung des Gerichtes dienen muss. Das verhindert zwar auch keine gerichtliche Entscheidung, aber man lernt vorab seinen Partner kennen und muss sich frei von Streit bereits bekennen, ob man kooperieren kann oder nicht.

Wie seht ihr die Dinge?

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Familienpolitik

Zwölf Stämme: Kindeswohlgefahr durch Polizei, Presse und Pflegevater?

Ich habe ja jetzt lange überlegt, ob ich zum Fall des aus Eppisburg verschwundenen Mädchens etwas schreiben soll oder nicht. Ärgern tue ich mich darüber ja seit Sonntag. Nach langem Nachdenken und einigen Ratschlägen äußere ich mich jetzt also doch (noch einmal) zu dem Zwölf Stämme Fall und dem Mädchen, das da verschwunden sein soll. Vorweg: Ich bin nicht neutral, meine Meinung steht seit 2014 relativ stark fest, als ich in diesen Verfahren tätig war. Und ich habe ja nicht umsonst einen Ratgeber zur Selbstrückführung geschrieben. Das vorausgeschickt darf ich Euch meine Meinung hier an dieser Stelle kund tun, bin aber auch der Meinung dass das nicht nur auf diesen Fall anzuwenden ist.

Zwölf Stämme Mädchen: Was passiert ist

Seit Samstag soll ein 11 jähriges Mädchen, das seit 2013 in staatlicher Obhut lebte, verschwunden sein. Das Mädchen sei nach dem Joggen nicht mehr zurückgekehrt, weshalb die Polizei in Nordschwaben eine öffentliche Fahndung ausgeschrieben hatte. Und natürlich sprang die gesamte Presse unter Führung der Meinungsmacher von RTL darauf an. Inzwischen soll es E-Mails geben, dass das Mädchen bei den Eltern sei und dass es ihm gut gehen würde.

Dem Mädchen geht es also gut, sagt die Polizei. Warum dann also die Aufregung?

Pressehybris aus Corona-Langeweile?

Dem entgegen stehen Presseberichte, die unglaublich sind. Da äußert sich der eine „Reporter“ wie folgt: „Für sie ist es das Schlimmste, was passieren konnte“. Und es wird fleissig „vermutet, dass das Mädchen jetzt große Probleme haben dürfte, sich in die Sekte einzugliedern“. Der Pflegevater gibt Interview um Interview, und Name und Bild des Kindes sind allgegenwärtig. Doch: Ist das noch im Interesse eines Kindeswohles, dem in Deutschland alles andere unterzuordnen ist?

Keiner weiss etwas genaueres. Das an und für sich scheint in der heutigen Presselandschaft niemanden zu stören, zu groß ist die Versuchung, sich eine Scheibe Ruhm am großen Kuchen der Verdachtsberichterstattung abzuschneiden. Es ist insoweit unstreitig und klar, dass Presse berichten muss, auch um Missstände aufzudecken. Aber wo sind die Grenzen?

Und: Worüber wird eigentlich berichtet? Geht es um ein konkretes Kind, dessen Lebensgeschichte und die darin begründeten familiengerichtlichen Besonderheiten oder geht es „um eine Sekte“?

Andauernde Persönlichkeitsrechtsverletzungen

Die Berichterstattung im Rahmen von Fahndungen ist dabei per se eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, die aber aufgrund des größeren Ganzen, nämlich der Ermittlung, notwendig ist. Doch wenn Fahndungen erledigt sind, dann endet damit auch die Rechtfertigung der Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht. Denn einmal gestreute Bilder sind nur schwer bis gar nicht aus der Öffentlichkeit wieder zu tilgen, und die Notwendigkeit das Kind zu schützen scheint auch wenig verbreitet zu sein. Muss man das Kind jetzt retten, bei dem, so der Pflegevater „die Sehnsucht nach den leiblichen Eltern zuletzt sehr groß gewesen sei“? Laut Polizei wird weiter ermittelt, so dass man noch von einem Recht auf Veröffentlichung von Bild und Namen sprechen wird können. Doch wieviele Eltern von euch haben schon Ärger mit dem Jugendamt erhalten, weil sie ein Bild ihres Kindes auf Facebool teilten?

Zudem muss man natürlich den äußerst negativen Kontext betrachten, in dem die Berichterstattung erfolgt. Recht auf Vergessen? Das Mädchen hat fast 3/4 seines noch jungen Lebens bei anderen Menschen als den Eltern verbracht. Das Kind steht an der Grenze zur Religionsmündigkeit und hat einen weit entwickelten Willen. Trotzdem schreibt man von „Sekte“, „Prügelstrafe“ und mehr. Man muss den alten, verblassenden Ruhm der journalistischen Tätigkeit erneuern. Was für ein Kind in dieser Situation wichtig ist, interessiert niemanden. Stattdessen wissen Jorunalisten, die wohl das Kind nie gesehen oder getroffen haben, was für dieses „am besten“ sei. Es ist gut zu wissen, dass Journalisten meinen, sowohl die besseren Eltern als auch Inhaber des Wächteramtes zu sein. Meine Leseart des Art. 6 II und des 6 III GG ist allerdings eine andere.

Pflegevater und Sozialgeheimnis

Ein Pflegevater dürfte auch dem Sozialgeheimnis unterliegen, insbesondere was das Sozialgeheimnis des Kindes und von Sozialdaten der Eltern angeht. Auch hier dürfte er weder kompetent noch befähigt sein, die Welt der Eltern zu beurteilen. Es kann jeder von Euch beurteilen, ob man es als negativ oder positiv empfindet, wenn ich über die „eigene Welt“ der Eltern des Kindes auslasse. Kann ich das beurteilen? Habe ich diese Welt schon erlebt? Und vorallem darf ich darüber berichten?
Das Sonderrecht, das die Polizei zur öffentlichen Fahndung haben kann, wird kaum den Pflegevater umfassen. Eine gesetzliche Grundlage hierfür ist weder ersichtlich noch vorhanden. Warum also diese Selbstdarstellung samt einer Quasihomestory, wie toll man lebt. Böse Zungen würden jetzt sagen „von dem Geld, das man dank Kinderklau erhält“…

Für mich war der Höhepunkt erreicht, als er sich mit einem weiteren Pflegekind bildlich der Presse präsentiert hat: Wie muss das im Herzen der echten Eltern dieses Kindes klingen? Wie muss es sich anfühlen?

Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass ich mir hier schon die Frage stelle, ob so jemand kompetent genug ist für ein fremdes Kind zu sorgen. Denn offenbar stehen die persönlichen Eitelkeiten und das persönliche Mitteilungsinteresse über allem. Inklusive Präsentation von Heim und Hof und fremden Kindern in der Kamera.

Ausgewogene Medienberichterstattung?

Eine ausgewogene Medienberichterstattung fehlt. Die Fakten sind, soweit ich diese prüfen kann, meist grob unvollständig. Teilweise sind sie sogar bewusst manipulativ falsch. Da wurden “ vereinzelt“ Kinder den Eltern zurückgegeben, weil sie volljährig waren. Ich hab die Zahlen (und, so fair muss ich sein, meine Erfolge) anders im Kopf. Es gab positive Erziehungsfähigkeitsgutachten. Diese Fakten sollte Presse nicht negieren.

Warum also nicht einmal die Umstände des hier entschwundenen Kindes aufklären? Hat man Angst vor der Wahrheit? Da ist es doch einfacher, mit dem Sektenbegriff zu agieren. Und an die Urängste des Deutschen gegen Andersdenkende zu appelieren.

Nur, was meiner Meinung nach die Presse ignoriert: Es gibt da draußen zehntausende Eltern, denen es ähnlich ging. Denen man die Kinder mit Vorwürfen wegnahm, ohne konkretes Ermitteln zu können und zu wollen. Sind das alles Sektierer? Und spielt es überhaupt eine Rolle, welchen Glauben jemand hat (außer man heit Gil Ofarim vielleicht…)? Familienrechtlich nicht.

Die Frage ist doch die:

  • Warum will ein Kind nach 8 Jahren zu den leiblichen Eltern?
  • Was sind die Vorwürfe gewesen, wie war damals die Beweislage, wie ist es heute?
  • Schadet eine solche Berichterstattung dem Kind?
  • Geht es dem Rechtsstaat darum Recht zu haben oder worum geht es heute noch?
  • Und wer weiss wie es in dem Kind wirklich aussieht? Braucht man dazu Reporter, Sektenexperten oder wen?

Das wohl zuständige Jugendamt scheint sich übrigends bisher nicht zu Wort gemeldet zu haben. Das ist für mich ein Lichtblick in dieser Situation.

Wer diese Fragen nicht beantwortet, sollte keine reisserische Hetze betreiben. Fakten fehlen mir. Und das ist sehr schade. Nur 12 Stämme reicht meiner Meinung nach für eine Berichterstattung nicht. Man muss schon in die einzelnen Familien reinsehen und konkrete Situationen bewerten.

Wie seht ihr die Sache?

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Recht allgemein

Großeltern als vorrangige Vormünder

Ein typischer Fehler, der immer wieder gemacht wird, die meisten Familiengerichte setzen sich hier unzureichend auseinander: Großeltern als vorrangige Vormünder berücksichtigen, bevor das Jugendamt als Ergänzungspfleger oder Amtsvormund eingesetzt werden darf. Wusstet Ihr, dass sich Großeltern insoweit direkt auf Art. 6 I GG berufen können, der eben den Vorrang von Großeltern bei der Pflegschaft begründet?

Nicht alle Großeltern als vorrangige Vormünder einsetzen

Zuerst einmal: Das klappt nicht immer. Wenn ein Vormund ungeeignet ist, dann kann er natürlich auch nicht eingesetzt werden. Diese logische Lücke ermöglicht freilich Jugendamt und Gericht, Familien mit leerformeln auszuhebeln. Da werden Großmütter als zu alt und Großväter als unfähig geschrieben, ohne dies klar zu prüfen. Eine ähnliche Prüfung beim Amtsvormündern unterbleibt ja in der Regel auch, wie die vielen Skandale rund um Jugendämter beweisen.

Was das Bundesverfassungsgericht zu Großeltern als vorrangigen Vormündern und Ergänzungspflegern sagt

In seiner Entscheidung 1 BvR 2926/13 hat sich das Bundesverfassungsgericht ausführlich mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Der zweite Leitsatz lautet hierzu:

Der grundrechtliche Schutz umfasst das Recht naher Verwandter, bei der Entscheidung über die Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers in Betracht gezogen zu werden. Ihnen kommt der Vorrang gegenüber nicht verwandten Personen zu, sofern nicht im Einzelfall konkrete Erkenntnisse darüber bestehen, dass dem Wohl des Kindes durch die Auswahl einer dritten Person besser gedient ist.

BVerfG 1 BvR 2926/13

Kriterien für Großeltern als vorrangige Vormünder

Hieraus lässt sich folgendes herausarbeiten:

  • Verwandte sind vorrangig zu berücksichtigen
  • dieser Vorrang gilt insbesondere vor Amtsvormündern
  • nur wenn aktiv eine fehlende Eignung für jeden (!) in Frage kommenden Verwandten festgestellt ist, gilt der Vorrang nicht

Oft behelfen sich Richter damit, dass man einfach sagt, man könne ja die Eignung nicht prüfen. Dies ist falsch, weil die fehlende Eignung festgestellt werden muss und nicht die Eignung zu beweisen wäre.

Dass man allerdings alleine aus dieser Situation als Verwandter Verfahren gewinnt, ergibt sich nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht kann die Entscheidung der Gerichte nur prüfen unter Verfassungsmaßstäben, wenn die Auffassungen falsch sind. Dies ist dann der Fall, wenn Verwandte gar nicht berücksichtigt werden. Oder wenn man gar nicht richtig prüft.

Wie prüft man nun die Eignung?

Intensive Familienbindungen treten nicht nur im Verhältnis zwischen heranwachsenden Kindern und Eltern auf, sondern sind auch zwischen Mitgliedern der Generationen-Großfamilie möglich. Besondere Zuneigung und Nähe, familiäre Verantwortlichkeit füreinander, Rücksichtnahme- und Beistandsbereitschaft können insbesondere im Verhältnis zwischen Enkeln und Großeltern, aber auch zwischen nahen Verwandten in der Seitenlinie zum Tragen kommen. Bestehen zwischen nahen Verwandten tatsächlich von familiärer Verbundenheit geprägte engere Bindungen, sind diese vom Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst

BVerfG 1 BvR 2926/13

Um also die fehlende Eignung zu begründen, wird das Gericht prüfen, ob

  • besondere Zuneigung und Nähe vorliegt
  • füreinander Verantwortlichkeit vorliegt
  • man Rücksicht aufeinander nimmt
  • die Bindungen eng sind
  • die Familie verbunden ist

Belegt die engere familiäre Bindung mit Beweisen

Michael Langhans, Volljurist

Einen weiteren Fallstrick hält das Bundesverfassungsgericht aber nach wie vor vor: Denn wenn die Wahl eines Dritten dem Wohl des Kindes besser dient, dann kann diesem Vorzug gegeben werden. Es wird also nicht der Maßstab des §1666 BGB gefordert, eine Gefährdung durch den Familienvormund, sondern ein besseres dienen wie bei Streit zwischen zwei Eltern.

Damit ist natürlich Missbrauch Tür und Tor geöffnet, auch weil die richterliche Unabhängigkeit Entscheidungen zulässt, so man diese begründen kann.

Trotzdem sollte man sich davon nicht verunsichern lassen:

Vorrang Familienvormund ist verfassungsrechtlich garantiert

Denn der Vorrang des Familienvormundes vor dem Amtsvormund ist und bleibt unter den oben genannten Voraussetzung verassungsrechtlich garantiert.

Quelle:

Bundesverfassungsgericht

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Bücher vorgestellt

Buch: Die legale Selbstrückführung

Die legale Selbstrückführung ist Band 3 meiner Reihe Ratgeber Familienrecht.

In diesem Buch stelle ich die Möglichkeit vor, Kinder die in staatlicher Obhut leben selbst zurückzuholen. Aber niemals heimlich und niemals legal. Dazu müssen diverse Voraussetzungen erfüllt sein. Es reicht nicht aus, dass eine Entscheidung falsch ist. Wenn das Vorgehen schief geht, kann der Kontakt vollständig eingeschränkt sein. Vorbereitung, Beweise, Recherchen sind daher zwingend notwendig. Hier zu schnell zu agieren, blinder Aktionsismus gar, schadet.

Achtung: Diese Möglichkeit ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, um strafbares Handeln zu vermeiden. Sie ist nicht für jeden Fall geeignet. Fehlgeleitete Ideen und Versuche problematisieren alles nur, so dass ich eine umfassende und kompetente Begleichtung und Beratung empfehle!

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Die legale Selbstrückführung
ISBN-13: ‎  978-1695276314 (bestellen: Amazon)

Das Inhaltsverzeichnis:

  1. Grundsätzliches 8
  2. Rückführung 10
  3. Selbstrückführung 13
  4. Strafbarkeiten 15
    4.1. § 235 StGB 15
    4.2. § 171 StGB 22
  5. Voraussetzungen der legalen Selbstrückführung 24
  6. §1666 BGB auf gegen Amt und Heim? 26
  7. Wie legal selbst rückführen 28
    7.1. Offenheit 29
    7.2. Legal, d.h. Gericht einbinden 31
    7.3. Vorbereitung: Beweise verwertbar sammeln 32
    7.4. Lieber etwas länger warten als überstürzen 34
    7.5. Überraschungsmoment 35
    7.6. Sorgerechtsverfügung und Vormünder 36
    7.7. Anwalt für das Kind 37
    7.8. Jugendamtsunterstützung 38
    7.9. Zeugen im Fall der Fälle 38
    7.11. Geld 39
  8. Zusammenfassung 40

Warnung!

Nicht nur weil ihr bei einem solchen Vorgehen vielen Leuten auf die Füße tretet, empfehle ich eine kompetente Vorbereitung mit professioneller Unterstützung.

Die Einleitung zur ersten Auflage:

Oktober 2015.

Es ist ein Sonntag, am Ende der Herbstferien. Doch ich sitze in meinem Büro und warte. Heute werde ich eine legale Selbstrückführung durchführen – böse Zungen würden von einer legalen Kindesentziehung sprechen.

Drei Kinder, die seit vielen Jahren in einem Heim leben und über die Ferien zu Hause sind, werden heute einfach nicht in das Heim zurückkehren.
Damit es aber zu keinen strafrechtlichen Problemen kommt und damit der Aufenthalt zu Hause möglichst für immer ist, haben wir das ganze gezielt vorbereitet. Schriftsätze und Eilanträge sind vorbereitet. Infoschreiben an Polizei und Jugendamt liegen vor mir.

Um die vereinbarte Zeit beginne ich mein Telefax “anzuwerfen”. Die Minuten vergehen. Ein Sendebericht nach dem anderen geht in meinem
Postfach ein. Endlich habe ich alle Sendebestätigungen vor mir. Das Jugendamt, die Polizei, das Gericht: Alle sind vollumfänglich informiert.
Ich gebe diese Information an einen Helfer weiter, der das Kinderheim anruft und mitteilt, dass die Kinder nicht mehr zurückkommen werden.

Der erste Schritt ist gemacht, doch es wird nicht der einzige und auch nicht der letzte Schritt bleiben. Heute hat es begonnen. Wir wissen, dass wir
Geschichte schreiben, weil noch niemand so ehrlich und frech war, es einfach zu tun. Wir gehen den Weg der legal Selbstrückführung. Nicht heimlich, wie es manche denken. Wir gehen diesen Weg offen und ehrlich.

Mit Erfolg.

Dieses Buch schildert Erlebnisse aus meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt. Manche Fakten sind, um die Personen zu schützen, verändert.


Die so heimgeholten Kinder sind bis heute, vier Jahre später, nicht in jenes Heim zurückgebracht worden. Der Kampf hat sich gelohnt.
Dieses Buch soll aufzeigen, wie man legal mit Courage Kinder nach Hause bringen soll. Doch wird dieses Buch nicht jedem Elternteil helfen können.
Es wird vor allem nicht jedes Kind nach Hause holen helfen können, dies ist eine Einzelfallfrage, die niemals ohne kompetente anwaltliche Beratung
angegangen werden sollte.


Dieses Buch ist aber auch gegen jegliche Entziehung von Kindern, insbesondere ins Ausland. Es ist keine Anleitung, das Recht zu verletzen
und Kinder zu entführen.

Krefeld, im September 2019
Michael Langhans

Weitere Bücher von mir:

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Familienpolitik

Klima der Angst in SOS Kinderdörfern?

Es soll ein Klima der Angst in SOS Kinderdörfern geherrscht haben, und viele der geschilderten Probleme lagen wohl im System SOS Kinderdorf begründet. So zumindest interpretiere ich einen aktuellen Bericht des Spiegel. Ob es ein Klima der Angst in SOS Kinderdörfern gab, vermag ich nicht zu sagen. Aber: Es ist wie so oft, wie bereits beim System Winterhoff eben ein Problem des System Jugendamt. Weshalb? Das erkläre ich euch in diesem Artikel.

Herrschte ein Klima der Angst in SOS Kinderdörfern?

Zwei Mitarbeiterinen eines bayrischen Kinderdorfes sollen Kindern „Leid zugefügt“ haben. Es sei, so der Spiegel, zu „grenzüberschreitenden Kindswohlgefährdungen“ gekommen. Der Begriff ist bereits schlecht gewählt, weil jede KWG grenzüberschreitend ist. Psychische und physische Verletzungen seien „häufig“ vorgekommen. Alleine der Aufbau, sich erst hinter „Grenzüberschreitungen“ und „Klima der Angst“ zu verstecken, statt konkret Körperverletzungen und Misshandlungen zu benennen lässt nur schwer glauben, dass man eine ehrliche Aufarbeitung möchte. Denn in solchen Institutionen sind gerade besonders schutzwürdige Kinder untergebracht, vorgeschädigte, traumatisierte. Ich vermag nur zu erahnen, wie sich solch eine Kinderseele dann fühlen muss. Jedenfalls nicht besser als zuhause…

Das System Jugendamt in der Kritik

Für mich steht hier das System Jugendamt zum wiederholten Male in der Kritik.

Es findet keine Kontrolle statt. Mitarbeiter, insbesondere Amtsvormünder, sind zu faul oder zu überlastet, um sich vom Wohl der Mündel zu vergewissern. Die Maßstäbe, die man an Eltern anlegt, werden in der staatlichen Obhut nicht angelegt. Dabei fordert die Rechtsprechung eine Situationsverbesserung für Kinder, bevor man sie aus dem eigenen Heim herausnehmen darf. Kann das System Jugendamt soetwas leisten?

Bei wem liegen die Fehler – den SOS Kinderdörfern, Jugendamt oder einzelnen Menschen

Viele werden jetzt insbesondere von „menschlichem“ Versagen sprechen in einem System, dessen Daseinsberechtigung ja in diesem menschlichen Versagen liegt. Ist das noch hinnehmbar? Nun, aus dem Spiegel-Artikel kann man herauslesen, dass die absolute Autonomie der „Kinderdorf-Mütter“ Teil des Problemes war. Aber, und das ist für mich wichtig, offenkundig eben auch die fehlende Überwachung und Kontrolle.

Ich fordere, dass die selben Maßstäbe für alle gelten, Eltern, Jugendamt, Amtsvormund und Kinderdorf

Michael Langhans, Aktivist

Jede getötete Kinderseele ist eine zuviel

Muss ich das begründen? Und: Hier, in diesem Problemkreis, sprechen wir von mehrfach getöteten Kinderseelen. Katholische Kirche, Heimmissbrauch, Kinderdorf: Können wir angesichts der Flut an Problemen wirklich noch davon sprechen, dass das sogenannte staatliche Wächteramt aus Art. 6 III GG funktioniert?

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

Art. 6 III GG

Hier haben wir meiner Meinung nach bereits den ersten Systemfehler. Auch wenn sich aus den Schranken-Schranken der anderen Grundrechte ergibt, dass Misshandlungen während des staatlichen Wächteramtes nicht erfolgen dürfen, sollte man statt Kinderrechte ins Grundgesetz klarstellend mit aufnehmen, dass der Eingriff nur möglich ist, soweit eine Verbesserung der Situation erreicht werden kann. Das ist bereits unstreitige Rechtsprechung. Aber offenbar kann man es nicht oft genug sagen.

Ist der Staat damit in der Lage, das Wohl der Kinder zu bewachen?

Das ist die Frage die ich mir stelle. Gibt es zuverlässige Statistiken die Inobhutnahmen und Missbrauch in Relation setzen? Insbesondere auch unter Berücksichtigung einer zu vermutenden Dunkelziffer? Gibt es eine relative Sicherheit, dass sich Situationen verbessern? Oder muss man sagen, dass heute der Staat eben keine sichere Obhut gewähren kann:

„Eine Kindeswohlgefährdung i.S.d. § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt. Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss aber in jedem Fall auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. Eine nur abstrakte Gefährdung genügt nicht.“

BGH v. 6.2.2019 – XII ZB 408/18

Wahrscheinliche Schädigung in jedem Heim aufgrund dieser Erfahrungen?

Wird also alleine aus dem Umstand der Probleme in staatlicher Obhut eine Gefahr festgestellt, die zu einer hinreichend wahrscheinlichen Schädigung führt? Meiner Meinung nach schon, insbesondere weil incident der Staat ja eine Verbesserung (!) der Situation herbeiführen muss und es nicht ausreicht, nur dieselbe Gefährdung zu haben. Kann man hier von konkreten Verdachtsmomenten sprechen oder wäre das eine abstrakte Gefährdung? Hier wird sich der Streit entscheiden. Nimmt man nur eine abstrakte Gefährdung an, dann wäre der Staat geeignet, ausser man kann für eine konkret verwendete Einrichtung Verdachtsmomente belegen. Denkt man aber, dass es letztlich darum geht, dass das System ohne Aufsicht ist und gleichzeitig das Privileg der Erziehung eben beim Staat liegt – und nur dieses Privileg verzeiht kleine Fehler ohne große Auswirkungen – kann man von einer konkreten Gefahr sprechen. Dann ist der Staat nicht willens und in der Lage, zu helfen. Und damit per se eine Gefahr für die Kinder – bis alle bekannten Missstände abgestellt sind.

Wie seht Ihr die Sache? Diskutiert mit mir in den Kommentaren, ob der Staat Willens und in der Lage ist, Kindeswohlgefahren abzuwenden.

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Gutachten Recht allgemein

Anwalt, mach ne Gegenvorstellung!

Anwalt, mach ne Gegenvorstellung. Mit dieser Aufforderung möchte ich heute nochmal auf ein bereits mehrfach hier auf der Webseite hingewiesenes Thema verweisen. Nur wenn rechtzeitig das gerichtliche Gutachten in die richtige Bahn gelenkt wird, kann man das Risiko eines Schlechtgutachtens einschränken und Falschentscheidungen verhindern. Daher: Macht die Gegenvorstellung! Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.

Was ist eine Gegenvorstellung

Die Gegenvorstellung ist das Mittel der Wahl, um einen Beweisbeschluss abändern zu lassen. Sie ist kein Rechtsmittel im eigentlichen Sinne, wenn das Gericht nichts tut heisst das nicht dass das OLG entscheidet. Aber es ist die einzige Chance Einfluss auf das weitere Verfahren zu nehmen. Es wird als Ausfluss des Petitionsrechtes gesehen und muss vom Gericht beantwortet werden. Eine Abhilfe hingegen muss nicht erfolgen, einen Anspruch auf sachliche Änderung des Beweisbeschlusses hat man nicht (kann dann aber ggf. über weitere Maßnahmen wie Befangenheit usw. nachdenken und Beschwerden vorbereiten).

Wie stelle ich eine Gegenvorstellung

Im Prinzip begründet ihr, wie ihr den Beweisbeschluss formulieren würdet und schreibt noch dazu, warum die Formulierung des Gerichtes fehlerhaft ist. Ja, es ist wirklich so einfach. Wer nicht weiß, wie ein richtiger Beweisbeschluss formuliert sein sollte, der kann in meinem Buch „Fehler in Gutachten erkennen“ nachlesen. Oder meinen Artikel zum richtigen Beweisbeschluss hier lesen.

Warum machen Anwälte keine Gegenvorstellung?

Da kann ich nur spekulieren. Viele werden dieses Mittel nicht kennen, obwohl es prozessual in anderen Bereichen (Baurecht z.B.) Alltag ist. Andere sparen sich die Arbeit. Oder verkennen die Tragweite. Von Anwälten zum Schämen will ich nicht mal reden…

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen: Macht eine Gegenvorstellung. Immer öfter. Immer besser. Und informiert Euch über Beweisbeschlüsse in Kindschaftssachen.

Und liebe Betroffene: Gebt euren Anwälten einen schriftlichen Auftrag, eine Gegenvorstellung zu beantragen.

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Fehler in Gutachten erkennen:
ISBN-13: ‎ 979-8634221892 (Amazon)

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Gutachten

Erziehungsfähigkeit

Was ist eigentlich diese Erziehungsfähigkeit, die in familienpsychologischen Gutachten geklärt werden soll? Kann man sie konkret bemessen und bestimmen? Wir nähern uns diesem Begriff an.

Definition Erziehungsfähigkeit

Erziehungsfähigkeit beschreibt die multidimensionale Fähigkeit von Eltern, Verantwortung für Kinder zu übernehmen und Kinder zu erziehen.

SpringerMedizin

Andere meinen hierzu:

Die Erziehungsfähigkeit ist primär die Fähigkeit, sich in die Bedürfnisse eines Kindes einzufühlen und diese Bedürfnisse alters- und entwicklungs gemäß zu befriedigen. Aus einer hohen Empathie dem Kind gegenüber entstehen die frühen Bindungsqualitäten des Kindes an jedes Elternteil (sicher, unsicher vermeidend, unsicher ambivalent).

Quelle

Oder eben diese:

Der Begriff der Erziehung wird hier definiert als jegliche Interaktion und Wechselwirkung zwischen Eltern und Kind. Dies schließt sowohl geplante bewusste Interaktionen ein als auch unbewusste Einflüsse und Verhaltensmuster sowie das Unterlassen von Interaktionen/Nicht-handeln. Erziehungsfähigkeit setzt sich aus zwei wesentlichen Komponenten zusammen: Erziehungseinstellung und Erziehungsverhalten

Psychologische Praxis

Welches ist nun die richtige? Wir sehen hier bereits unterschiedliche Ansätze. Damit wird es schwer, die eine Definition zu finden.

Ist Erziehungsfähigkeit ein medinizischer, psychologischer oder rechtlicher Begriff?

Auch hier gegehen die Meinungen auseinander. Die einen sehen es als rechtliche Klassifikation, die sich aus dem Wächteramt aus Art. 6 III GG ergibt. Da muss der Staat nämlich einschreiten, wenn jemand nicht willens und in der Lage ist, für sein Kind zu sorgen.

Andernorts wird die Erziehungsfähigkeit in vier Bereiche gegliedert:

  1. der Pflege und Versorgung des Kindes,
  2. der Bindung zwischen Kind und Vertrauensperson,
  3. der Vermittlung eines Mindestmaßes an Regeln und Werten und
  4. der Förderung des Kindes durch die Bereitstellung individueller Lernchancen.

Wir reden daher um die Erfüllung des Tatbestandes des §1666 BGB und damit von einem Rechtsbegriff. Vertritt man diese Auffassung, dann kann diese Frage also auch nicht im Rahmen eines familienpsychologischen Gutachtens geklärt werden. Rechtsfragen muss das Gericht beantworten.

Andere, wie die obige Definition, gehen dagegen eher von einem psychologischen oder medizinischen Begriff aus.

Teilweise wird Erziehungsfähigkeit als Komplementärbegriff zur Kindeswohlgefährdung gesehen, weil Einschränkungen des ersten Begriffs zu einer möglichen Bejahung des zweiten Begriffes führen.

Meiner Meinung nach gehen die Begrifflichkeiten hier ineinander über: Die Grundlagen der Erziehungseignung, also die Fähigkeit Bedürfnisse zu erkennen und zu stillen und ggf. die des Kindes vor die eigenen zu setzen ist eine tatsächliche Komponente. Aber: Wir sollten uns nicht darüber hinweg täuschen lassen, dass niemand diesem Komponente exakt messen kann.

Nur der IQ ist exakt zu bestimmen, nicht die Erziehungsfähigkeit

Wir dürfen nicht vergessen, dass nur eine Sache psychologisch exakt zu messen ist: Der Intelligenzquotient (IQ). Alle anderen psychologischen Aspekte kann man mit Tests, die Valide und Reliabel sind, zu objektivieren zu versuchen, aber niemals exakt bestimmen.

Das darf niemand vergessen. Auch nicht, dass Gutachten nur Prognosen sind, ähnlich der Wettervorhersage. Aber nicht jede Wettervorhersage oder Bauernregel trifft ein. Daher sollte der Fokus auf einer gesunden Mischung Vergangenheit und Zukunft liegen.

Was sagt das Bundesverfassungsgericht zur Erziehungsfähigkeit?

Das Bundesverfassungsgericht setzt sich nur am Rande mit diesem Begriff auseinander. Vielmehr werden dort Zuneigung, medizinische Probleme und ähnliches thematisiert. Es hat festgestellt, dass niemand diese Erziehungsfähigkeit positiv beweisen müsse. Stattdessen müsste das Gegenteil bewiesen werden (1 BvR 1178/14, siehe auch „Wichtige Entscheidungen im Sorgerecht„).

Was sagt Art. 6 II GG zur Erziehungsfähigkeit

Ganz einfach: Eltern sind solange erziehungsfähig, bis das Gericht das Gegenteil festgestellt hat.

Schlechte familiäre Situationen reichen hier nicht aus. Jeder hat eben seine Eltern und keinen Anspruch auf „perfekte“.

FAQ zur Erziehungsfähigkeit

Hier das wichtigste in Kürze.

Wie definiert sich Erziehungsfähigkeit

Erziehungsfähigkeit ist die Fähigkeit, Bedürfnisse des Kindes altersbedingt wahrzunehmen und zu erfüllen

Wann sind Eltern erziehungsfähig?

Eltern sind grundsätzlich erziehungsfähig, bis das Gegenteil festgestellt ist durch ein Gericht

Wann sind Eltern erziehungsunfähig?

Wenn eine Kindeswohlgefahr i.S. §1666 BGB festgestellt ist.

Ist Erziehungsfähigkeit exakt messbar?

Nein. Sie ist anders als der IQ nicht exakt messbar und zudem ein rechtlich-tatsächlicher Begriff, der mit psychologischen Mitteln eruiert wird.

Wie prüft man Erziehungsfähigkeit oder Erziehungsunfähigkeit?

Nur ein familienpsychologisches Gutachten mit Exploration, Interaktion und Tests

Sind psychisch kranke oder beeinträchtigte Eltern erziehungsfähig?

Diese Frage muss individuell beantwortet werden. Erziehungsfähigkeit und Krankheit müssen nicht zusammenhängen.

Ist ein Borderliner erziehungsfähig?

Grundsätzlich ja, zumal es keine Studie gibt die für alle Borderliner etwas anderes behauptet

Sind Narzissten erziehungsfähig?

Teilweise. Die psychologisch-psychiatrische Komponente Narzissmus wird aber auf die Kinder „vererbt“ und kann daher den Kindern schaden zufügen.

Kann ich wieder erziehungsfähig werden?

Ja, auch nach einer gerichtlichen Entscheidung kann man neu erziehungsfähig werden und dies beweisen durch Kurse, Therapien und mehr.

Kategorien
Gutachten

Mindestanforderungen Sachverständigengutachten prüfen

Weil ich da gerade so einen Crush in Wuppertal habe, wird es an der Zeit sich mit dem Thema Mindestanforderungen Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen und insbesondere mit der Pflicht eines Richters/Anwalts, das Einhalten dieser Anforderungen zu prüfen.

Eigentlich heißt es ja Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht. Die aktuelle Version findet ihr z.B. beim Bundesjustizministerium (hier).

Mindestanforderungen und Qualitätsstandards

Diese Mindestanforderungen sind keine verbindlichen Rechtskategorien. Sie sind kein Gesetz. Trotzdem belegen diese Standards, wie ein Gutachten auszusehen hat, um den fachlichen Anforderungen an ein familienpsychologisches Gutachten zu entsprechen.

Neben den Mindestanforderungen gibt es auch noch Qualitätsstandards für psychologische Gutachten, die weitgehend ähnliche Inhalte aufweisen (hier).

Die Mindestanforderungen und die Qualitätsstandards zeigen beide auf, wie ein prüffähiges und wissenschaftlich akkurates Gutachten auszusehen hat.

Was ist Prüffähigkeit bei Mindestanforderungen Sachverständigengutachten

Prüffähigkeit ist ein althergebrachter Rechtsbegriff. Jede Rechnung muss prüffähig sein, jede Nebenkostenabrechnung, jeder Bescheid. Das meint, dass die Grundlagen erkennbar sind aus sich selbst heraus, dass man nachvollziehen muss wie der Aussteller zu einem Ergebnis kommt und so weiter. Leider werden diese Aspekte im Familienrecht einfach über Bord geworfen und „nur“ einem Ergebnis vertraut.

Was sind nun die Mindestanforderungen Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht?

Das Gutachten muss wissenschaftlich methodisch sein (S. 6 der Mindestanforderungen) und nachvollziehbar und transparent (S. 7). Insbesondere letzteres ist wichtig: Denn nur wenn ein nachvollziehbares Gutachten vorliegt (prüffähig!), kann das Gericht und Euer Anwalt seinen Job machen.

Eine wichtige Rolle spielen hier die Anknüpfungstatsachen, die das Gericht zu klären hat.

Rechtliche und psychologische Fragestellungen

Der erste und wichtigste Schritt ist es, die rechtliche Fragestellung (der Beweisbeschluss) in eine psychologische Fragestellung zu übersetzen. Nur wenn dies akkurat erfolgt, kann der Gutachter die Beweisfrage beantworten. Hierbei muss auch darauf geachtet werden, dass der Sachverständige nicht die Rechtsfragen beantwortet!

Sachkunde

Der Gutachter muss seine Sachkunde darlegen. Das impliziert eben eine klare Aussage, warum er in der Lage ist, dieses Gutachten zu schreiben. Auch dies muss ggf. prüfbar sein durch Angaben im Gutachten (Diplom, Approbation o.a.) Auch sollte die Erfahrung erkennbar sein.

Tipp: Googled im Internet nach dem / der Gutachter(in)!

Fortbildung

Ein Gutachter muss sich ebenso wie die Juristen fortbilden, um auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen. Diese können sich ja ändern.

Welche einzelnen Schritte muss der Gutachter in welcher Reihenfolge prüfen?

Hierzu halten die Anforderungen ab S. 11 folgendes vor:

  • Auftragsannahme
  • Aktenanalyse
  • Fragestellung formulieren
  • Untersuchungsplanung
  • Durchführung der Untersuchung
  • Interpretation der Untersuchung und Ergebnisse
  • Antwort auf die Frage des Gutachters

Bei der Auftragsannahme muss geprüft werden, ob man den Fall fachlich und ethisch vertreten kann.

Die Aktenanalyse erfolgt am Anfang. Ich halte es aber für systematisch falsch, die Akte vor Klärung der Fragestellung zu analysieren. Denn wonach analysiere ich ohne eine konkrete Fragestellung?

Die Untersuchungsplanung muss vor Beginn der Untersuchung erfolgen, und zwar nachvollziehbar unter Benennung der Methoden und Begründung der Auswahl.

Die Durchführung der Untersuchung muss wieder transparent sein und den Eltern und Kindern alles erklären.

Die Interpretation muss prüffähig sein und mit Quellen belegt sein.

Schriftliche Gutachten: Anforderungen formeller Art

Formelle Anforderungen findet ihr auf S. 13 der Mindestanforderungen. Dies sind

  • Seitennummerierung
  • Aktenzeichen des Gerichtes
  • Nennung Auftraggeber
  • Nennung der eigenen Qualifikation
  • Nennung des Beweisbeschlusses
  • Nennung der Methoden
  • Nennung der Untersuchungstermine mit Zeit, Datum und Ort und Dauer
  • Befundquellen
  • Literatur
  • Unterschrift unter das Gutachten durch den Sachverständigen

Was der Richter zu prüfen hat

Die Mindestanforderungen erhalten auf S. 22 ff. Prüfungen, die der Richter durchzuführen hat (als Fragen formuliert, weil kein Gesetz). Hierauf könnt ihr insistieren und Euren Anwalt einschießen.

Überfordert mit der Prüfung?

Dann habe ich hier etwas für Euch:

https://familienrecht.activinews.tv/gutachten/hilfe-beim-gutachten-anfechten/

FAQ zu Mindestanforderungen Sachverständigengutachten

Wann ist ein Gutachten prüffähig?

Ein Gutachten ist dann prüffähig, wenn das Gericht und die Parteien die Nachvollziehbarkeit der Schlüsse im Gutachten, der getroffenen Ergebnisse, der Richtigkeit der Wertungen eigenständig kontrollieren kann.

Muss einem Gutachten der Test und die Testergebnisse psychologischer Tests beigefügt sein?

Tests und Testergebnisse müssen beiliegen. Ohne diese Unterlagen ist nicht prüfbar, ob die Ergebnisse richtig in das Gutachten aufgenommen sind und richtig ausgewertet sind.

Muss ein familienpsychologisches Gutachten wissenschaftlich sein?

Ja. Ein solches Gutachten ist eine wissenschaftliche Leistung, die nach anerkannten Methoden Aussagen zu konkreten Fragen stellt. Sie ist daher eine wissenschaftliche Leistung, die den selben wissenschaftlichen Anforderungen genügen muss.

Wie erfolgt die Aktenanalyse?

Die Gerichtsakte muss systematisch analysiert werden.

Nach welchen Regeln erfolgt eine Exploration und Verhaltensbeobachtung?

Sie erfolgt nach einem systematischen Gesprächsleitfaden oder einem erfassten und ausgewerteten Kategoriensystem

Muss ein Gutachten ein Literaturverzeichnis haben?

Ein familienpsychologisches Gutachten muss ein Litertaturverzeichnis haben. Damit muss belegt sein, dass verschiedene aktuelle wissenschaftliche Quellen genutzt wurden.

Muss das Gutachten konkrete Zitate mit Quellenangaben versehen oder reicht ein Literaturverzeichnis?

Nur wenn eine konkrete Theorie, eine konkrete Interpretation oder ein Schluss des Gutachters mit einer konkreten Quellenangabe versehen ist, ist das Gutachten prüffähig. Ein interessierter Richter muss nämlich die Chance haben, auch hier zu prüfen ob die Aussagen des Sachverständigen stimmen

Welche psychologischen Tests erfüllen die Gütekriterien?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Hierzu gibt es Fachliteratur (siehe dieses Video)

Muss der Richter die Einhaltung der Mindestanforderungen prüfen?

Ja, siehe S. 22f. der Mindestanforderungen. Nicht prüffähige Gutachten sind unverwertbar.

Vielen von Euch hat auch mein Buch „Fehler in Gutachten erkennen“ geholfen:

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Weitere Informationen findet ihr im Artikel Gutachten anfechten.

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Recht allgemein

Habe ich das Recht auf Akteneinsicht beim Jugendamt?

Diese Frage beschäftigt viele von Euch, und ich wollte schon vor vier Jahren mehr darüber schreiben. Habe ich das Recht auf Akteneinsicht beim Jugendamt? Wie sind die Voraussetzungen? Darf man einfach pauschal die Akteneinsicht ablehnen? Fragen über Fragen – in diesem Artikel gibt es die wichtigsten Antworten zur Jugendamtsakte und die Einsicht in diese.

Hilferuf wegen Akteneinsicht Jugendamt Bodenseekreis

Mich erreichte diese Anfrage zum Landratsamt Bodenseekreis:

Lieber Herr Langhans,

ich verfolge Ihre Beiträge seit einiger Zeit. Vielen Dank, dass Sie uns mit Ihrer Erfahrung unterstützen. Ich habe Ihre Rat befolgt und habe Akteneinsicht beim Jungendamt beantragt. Das Jugendamt hat mir Einsicht verwehrt. Könnten Sie mir hierbei helfen?

Herzliche Grüße

E-Mail an mich von einem betroffenen Elternteil

Wie immer bat ich erst einmal um mehr Informationen. Man sandte mir das folgende Schreiben zur Akteneinsicht: Eine Ablehnung. Die Begründung finde ich so symptomatisch, dass ich sie mit Euch teilen möchte:

Ablehnender Bescheid Akteneinsicht Jugendamt

Sehr geehrte(r) XYZ…,

auf Ihren Antrag auf Akteneinsicht ergeht folgende Entscheidung:
Ihrem Antrag wird nicht stattgegeben.
Kosten wurden nicht geltend gemacht.
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei.

Begründung:
Ich habe mir die Akten angeschaut, ob und inwieweit wir Akteneinsicht befürworten können. Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, unterliegen die Akten des Sozialen Dienstes einem besonderen Datenschutz.

Bescheid des Bodenseekreises über abgelehnte Akteneinsicht

Zuerst einmal: Es geht nicht um Befürworten, sondern gewähren. Akteneinsicht ist ein Anspruch, nichts, das das Jugendamt gönnerhaft befürwortet. Nur in Ausnahmefällen kann dieses Recht eingeschränkt sein.

Ein Anspruch auf Aktenzugang besteht daher grundsätzlich nicht, §25 Abs.3 SGB X i.V.m. §65 SGB VIII.

Bescheid des Bodenseekreises über abgelehnte Akteneinsicht

Anvertraute Daten und Schutz nach §65 SGB VIII

Der Satz tut weh. Denn §65 SGB VIII schränkt nur die Weitergabe von bestimmten Daten ein, nicht die Akteneinsicht als solchen.

§65 Abs. 1 SGB VIII lautet:

1) Sozialdaten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, dürfen von diesem nur weitergegeben oder übermittelt werden

1. mit der Einwilligung dessen, der die Daten anvertraut hat, oder

2. dem Familiengericht zur Erfüllung der Aufgaben nach § 8a Absatz 2, wenn angesichts einer Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen ohne diese Mitteilung eine für die Gewährung von Leistungen notwendige gerichtliche Entscheidung nicht ermöglicht werden könnte,

(…)

§65 SGB VIII

Akteneinsicht nach §25 SGB X

§25 SGB X lautet:

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen

§25 Abs. 1-3 SGB X

Akteneinsichtsrecht besteht immer. Das sollte man dann schon auch ehrlich so formulieren und nur den Ausschluss begründen.
Viel wichtiger ist aber die Begründung

Nach dieser Vorschrift besteht ein besonderer Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe. Sozialdaten, die dem Mitarbeiter eines Jugendamtes zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, dürfen nach §65 Abs. 1 SGB VIII von diesem nur weitergegeben werden mit der Einwilligung dessen, der die Daten anvertraut hat, oder unter bestimmten Voraussetzungen dem Familiengericht. Nach Durchsicht der Akten muss ich Ihnen leider mitteilen, dass eine Akteneinsicht nicht möglich ist, da die Akten sogenannte anvertraute Daten erhalten und keine Einwilligung vorliegt.

Bescheid des Bodenseekreises über abgelehnte Akteneinsicht

An dieser Stelle wird es wichtig und macht der Landkreis erhebliche Fehler: Ausschließlich anvertrauten Daten zum Zweck persönlicher Hilfe sind geschützt. Daraus muss aber dann zwingend der Schluss gezogen werden, dass geprüft werden muss, ob es sich um anvertraute Daten handelt und ob diese Daten zur Hilfe anvertraut wurden. Es reicht eben nicht aus, dass „irgendein“ Geheimnis behauptet wird. Daraus kann man weiter schließen, dass nur die Daten geschützt sind, die diesem Kriterium entsprechen, alle anderen Daten hingegen nicht.

Jugendamt schuldet Einzelprüfung aller verweigerten Informationen

Das Jugendamt muss geschwärzte Akteneinsicht gewähren statt gar keiner

Michael Langhans, Volljurist

Für jede Information muss geprüft werden, ob die obigen Voraussetzungen vorliegen.

Wenn zum Beispiel, was normal sein sollte, in der Akte auch normale personenbezogene Daten von Vater oder Mutter oder bekannte Daten gespeichert sind, kann man deren Nennung nicht einfach so ausschalten.

Dies ist ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und wurde zuletzt u.a. durch das Urteil des VGH Baden_Württemberg vom 27.04.2020 – 12 S 579/20 – bestätigt, wonach das sich aus dem Elternrecht herleitende allgemeine Informationsrecht nicht dazu führt, entgegen §65 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII Einsicht in Sozialdaten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, zu gewähren ist.

Bescheid des Bodenseekreises über abgelehnte Akteneinsicht

Da eine schlüssige Begründung nicht vorliegt, ist es bereits nicht prüfungsfähig, ob diese Entscheidung richtig ist. Dazu muss man die Kategorien der Daten kennen, um die es geht. Ob man nach einer Einwilligung überhaupt gefragt hat, ist ebenfalls unbekannt. Das Fehlen von Einwilligung alleine reicht nicht aus.

Allerdings kann ich Ihnen ergänzend folgendes mitteilen: In der Akte des ASD betreffend die familiengerichtlichen Verfahren sind nur Unterlagen erhalten, die über das Gericht eingereicht wurden und daher allen am Verfahren Beteiligten bekannt sind.

Rechtsbehelfsbelehrung

Unterschrift

Bescheid des Bodenseekreises über abgelehnte Akteneinsicht

Auch hier bleibt es offen, welche Unterlagen gemeint sind. Man kann es gar nicht prüfen. Zudem ist meiner Meinung nach bei diesen Daten bereits eine Kenntnis gegeben, so dass man auch nicht verweigern kann die Unterlagen rauszugeben – teilweise.

Wer kann Akteneinsicht beantragen?

Jeder kann Akteneinsicht beantragen, dessen Rechte betroffen sind. Zwar spricht §25 SGB X nur von „Beteiligten“ des Verfahrens. Art. 13 DSGVO beinhaltet aber den Begriff der „betroffenen“ Person. Jede Person, deren Daten sich in einer Akte befinden, hat daher Anspruch auf Auskunft.

Habe ich nur ein Recht auf Akteneinsicht oder auf Aktenkopie?

Der Fachbegriff im deutschen Recht ist „Einsicht“ in die Akte. Das heißt, man hat nur einen Anspruch darauf, dass man beim Jugendamt die Akte einsehen kann und dort ggf. Mitschriften anfertigt. Allerdings beinhaltet Art. 15 Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Kopie von Daten, die verarbeitet werden:

(3) Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.

Art. 15 Abs. 3 DSGVO

Das heißt, ihr bekommt grundsätzlich nur die Daten, die verarbeitet werden, nach der DSGVO. Aber auch hier ist der Zusammenhang der Datenverarbeitung relevant. Es wird also eine Einzelfallfrage sein, welche Kopien ihr erhaltet.

Achtung: Auch die DSGVO sieht den Schutz Dritter vor, analog des §65 SGB VIII/§25 SGB X:

(4) Das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 darf die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen.

Art. 15 Abs. 4 DSGVO

Akteneinsicht und allgemeines Persönlichkeitsrecht beim Jugendamt

Was in der obigen Ausführung fehlt, ist eine Abwägung auch der Rechte des/der Antragsteller(in): Denn wenn Daten wie z.B. A schlägt B gespeichert sind, dann sind dadurch eben auch die Rechte des „Schlägers“ wie des Geschlagenen oder des Informanten betroffen. Bieresborn führt hierzu überzeugend aus:

„Die Problematik des Sachverhalts bewegt sich zwischen dem gemäß Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Recht auf rechtliches Gehör einerseits und dem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung andererseits. Ersteres ist als prozessuales Urrecht Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips gemäß Art. 20 Abs. 3 GG sowie des Menschenwürdeprinzips gemäß Art. 1 Abs. 1 GG und sichert die Einhaltung prägender Standards eines rechtsförmlichen Verfahrens (vgl. BVerfG v. 09.07.1980 – 2 BvR 701/80 Rn. 9 m.w.N. – BVerfGE 55, 1 = NJW 1975, 1013; zuletzt BVerfG vom 06.02.2021 – 1 BvR 249/21 Rn. 20). Letzteres umfasst als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (grundlegend BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 – BVerfGE 65, 1, 41 ff. = NJW 1984, 419)“

Bieresborn in jurisPR-SozR 18/2021 Anm. 6

Es muss also eine Gesamtschau stattfinden, um den Einzelnen nicht zum wehrlosen Objekt staatlichen Handelns werden zu lassen. Ich muss im Verfahren jederzeit die Möglichkeit haben, mich aktiv einzubringen, was nur geht wenn man auch alle Informationen hat. Zudem sind eben nicht nur die Informationen des „Verräters“ betroffen, sondern gleichzeitig auch die eigenen (!) Informationen. Zu diesem Widerspruch hat das deutsche Recht bisher keine Lösung parat.

Akteneinsicht und Falschbehauptungen

Unzulässige Rechtsausübung wie Falschbehauptungen sind in Deutschland nicht geschützt, so dass es auch kein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung geben kann, wer wen falsch beschuldigt.

Lügen sind nicht geschützt. Lügner auch nicht.

Michael Langhans, Herausgeber

Auch wenn diverse Personen das anders sehen und einen absoluten Schutz aller anvertrauten Daten sehen wollen, weil der Gesetzgeber das so gewollt habe, würde ich die Beteiligungsrechte im Verfahren und die Menschenwürde entgegenhalten: Niemand darf so ohne weiteres Opfer eines Verfahrens werden, ohne sich Verteidigen zu können. Zudem ist auch nicht jedes Anschwärzen ein Anvertrauen i.S. des §65 SGB VIII. Das OVG Münster hat sich hiermit schon auseinandergesetzt (12 E 36/20).

Jugendamtsakteneinsicht und Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Auch die DSGVO beinhaltet keine Möglichkeit, Auskünfte einzuschränken. Da es Unionsrecht ist, gehen diese EU-Regeln den deutschen Regeln vor. Darauf deutet auch diese neue Entscheidung des BGH hin:

Es wird also auf eine Entscheidung des EuGH hinauslaufen. Ohne diese wird eine Unsicherheit bleiben, was erlaubt und was verboten ist. Eines ist für mich klar: So wie bisher, nämlich ablehnend, kann es nicht ohne weiteres bleiben. Dazu sind eben auch Daten des Betroffenen erhoben.

Wie beantrage ich Akteneinsicht?

Hier reicht ein formloses Schreiben an das Jugendamt. Es empfiehlt sich des Nachweises wegen aber auch, das Schreiben vorab zu Faxen oder per Einschreiben zu senden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich beantrage Akteneinsicht in alle Jugendamtsakten betreffend meines Sohnes/meiner Tochter NAME, geboren am…
Ich weiß, dass sich in dieser Akte falsche Informationen befinden, die ich zu meiner Einlassung beim Familiengericht xxx benötige, weshalb ich hiermit Akteneinsicht i.S. §25 SGB X beantrage.

Ein Fall des §65 SGB VIII liegt nicht vor.

Sollten Sie dies anders sehen, ist jede vorenthaltene Information Einzeln zu begründen.

Im Hinblick auf die DSGVO i.V.m. BGH VI ZR 576/19 weise ich darauf hin, dass auch interne Vermerke Gegenstand meines Antrags und meines Rechtes sind.

Mit freundlichen Grüßen

Musterantrag Akteneinsicht Jugendamt

Das Muster des Antrages auf Akteneinsicht in die Jugendamtsakte könnt ihr auch downloaden:

Kurz-FAQ zu Akteneinsicht

Habe ich das Recht auf Akteneinsicht beim Jugendamt?

Ja, Du kannst die Akten beim Jugendamt einsehen, mache Teile aber nur geschwärzt

Kann ich alle Aktenbestandteile einsehen?

Das Akteneinsichtsrecht nach SGB X betrifft nicht die Tätigkeit des Jugendamtes als Berater des Gerichtes i.S. §50 SGB VIII.

Was sind die Voraussetzungen für Akteneinsicht beim Jugendamt?

Es muss sich um ein laufendes Verfahren nach SGB VIII handeln (z.B. bei laufender Hilfe zur Erziehung), die Kenntnis der Inhalte muss zur Rechtsverteidigung notwendig sein und Rechte Dritter dürfen nicht berührt sein.

Kann ich Akteneinsicht in eine abgeschlossene Akte beim Jugendamt fordern?

Nach dem SGB X nicht. Das Zusammenspiel zur DSGVO ist aber abschließend bisher nicht geklärt. Meiner Auffassung geht das Europarecht vor.

Habe ich einen Anspruch auf eine kostenfreie Kopie meiner Akte/Daten

Nach der hier vertretenen Auffassung hat man einen Anspruch auf eine kostenfreie, unzensierte Kopie aller Daten/Akten.

Wann ist die Kenntnis von Inhalten notwendig?

Notwendig ist alles, das ich für ein anderes Verfahren benötige um anzugreifen oder zu verteidigen. Dies kann also eine Lüge sein, die ich widerlegen muss oder ein Beweis, dass ein anderer nicht gut für mein Kind ist. Die Rechtsprechung fordert hier eine Begründung „in die Zukunft“, man muss gegenüber dem Jugendamt also beweisen welche Infos in der Akte sein könnten und was man davon erwartet.

Darf das Jugendamt die ganze Akte nicht herausgeben?

Nein, es muss für jede Seite entscheiden, ob hier Rechte Dritter betroffen sind oder „anvertraute“ Daten.

Was sind anvertraute Daten i.S. §65 SDGB VIII?

Daten, die zum Zweck der erzieherischen Hilfe anvertraut wurden, also um einem Kind oder einer Mutter notwendigerweise zu helfen. Nicht alle Daten sind anvertraut, selbst wenn sie bei Gelegenheit der Hilfe übermittelt wurden.

Kann ich anvertraute Daten trotzdem erfahren?

Ja, wenn offenkundig falsche Daten (Lügen, Verleumdung usw.) mitgeteilt wurden. Dann besteht kein Anspruch auf Verheimlichen. Die Rechtsprechung schützt keine missbilligte Verhaltensweise.

Wie spielen DSGVO, Sozialdatenschutz und SGB X zusammen?

Das ist bisher nicht abschließend geklärt. Die Datenschutzgrundverordnung sieht weniger Ausnahmen vor als das Deutsche Recht. Die DSGVO ist Unionsrecht und hat damit eigentlich Anwendungsvorrang.

Darf man anvertraute Daten gegen mich vor Gericht verwenden?

Nein, weil man aus Art. 103 GG i.V.m. Art. 1 I, 2 I GG ein Recht darauf hat, sich gegen solche Daten zu verteidigen. Dies impliziert aber die Kenntnis der Daten. Eine Lüge einer Person über den Zustand meiner Wohnung kann ich einfach widerlegen, wenn ich die Person kenne. Dann weiss ich wer wann in meiner Wohnung war und hierzu etwas sagen kann.

Komme ich an Informationen im Rahmen des §50 SGB VIII?

Ja. Zwar sieht die Rechtsprechung hier vor, dass dies nicht von §25 SGB X und §65 SGB VIII umfasst ist und damit kein Akteneinsichtsrecht besteht. Die Daten der Beratung des Geerichtes müssen dann aber denklogisch solche des FamFG Verfahrens sein und können damit über das Gericht angefordert werden. Dies betrifft aber nicht rein interne Vorgänge.

Ist eine Klage auf Akteneinsicht gegen das Jugendamt erfolgsversprechend?

Ja. Wenn man es richtig begründet und die obigen Aspekte beherzigt.

Was kann ich tun bei verweigerter Akteneinsicht?

Die Verweigerung der Akteneinsicht ist ein Verwaltungsakt, gegen den man Widerspruch einlegen kann. Gegen einen Widerspruchsbescheid, der Einsicht in die Jugendamtsakte verweigert, könnt Ihr eine Klage zum Verwaltungsgericht erheben. In jedem Fall könnt Ihr auch eine Beschwerde beim zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten einlegen und darauf hinweisen, dass Unionsrecht dem deutschen Recht vorgeht.

Fazit: Akteneinsicht Jugendamt lohnt sich

Lasst Euch nicht von solchen fadenscheinigen Begründungen wie oben dargelegt abweisen. Akteneinsicht beim Jugendamt lohnt sich, und die pauschale Abwehr derselben offenbart für mich, dass dort Leichen im Keller sind. Wie heißt es so schön: Wer nichts zu verbergen hat…

Insbesondere die unklare Rechtslage zur DSGVO bietet neben den obigen Ausführungen erhebliche Chancen für Euch. Nutzt diese.

Gleichwohl sollte man nicht erwarten, dass man „das“ eine Beweismittel findet, mit dem man den Sorgerechtsstreit gewinnt. Erfahrungsgemäß findet man vieles, aber das alles sind nur Puzzlestücke oder Belege und Beweise für eine Amtshaftungsklage. Das eine Argument mit dem man gewinnt gibt es nicht, aber viele Bausteine.

Kategorien
Sorgerecht

Gesicherte Ermittlungsgrundlagen

Es kommt auf gesicherte Ermittlungsgrundlagen an, bevor ein Gericht die elterliche Sorge entziehen kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt. Die nachstehenden Ausführungen sind meinem Buch „Wichtige Entscheidungen im Sorgerecht“ entnommen, das ich Euch ans Herz legen möchte:

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Kapitel 2.4 meines Buches „Wichtige Entscheidungen im Sorgerecht“ zu gesicherten Ermittlungsgrundlagen

Das der Amtsermittlung unterworfene Gericht muss also nicht nur entscheiden, sondern auch noch „gesicherte“ Ermittlungsgrundlagen
verwenden, nicht nur Behauptungen:

„Das Gericht hat – auch nach eigener Einschätzung – nicht auf gesicherter Ermittlungsgrundlage entschieden; es beabsichtigt, das aus seiner Sicht notwendige Sachverständigengutachten, das sowohl psychiatrischen wie familienpsychologischen Sachverstand erfordere, erst in einem Hauptsacheverfahren einzuholen. Wegen der Intensität des Grundrechtseingriffs durfte der die Wegnahme des Kindes vorbereitende Sorgerechtsentzug auf diesen vorläufigen Ermittlungsstand nur dann gestützt werden, wenn die Gefahr einer schweren und zeitlich nahen Kindeswohlgefahr bestand, die ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung ausschloss.“

zitiert nach BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des ersten Senats vom 07. April 2014 – 1 BvR 3121/13 – Rn. 26

Konsequenzen bei unsicheren Ermittlungsgrundlagen

Nicht jede Behauptung, jeder Beleg, jede Tatsache reicht im eA Verfahren aus für eine gerichtliche Entscheidung: Trotz des reduzierten Umfangs des
Nachweismaßstabes sind die Entscheidungsgrundlagen gesichert zu erheben, nicht zu raten oder zu vermuten.

Alleine die Tatsache, daß in der Hauptsache vielleicht weitere Beweise erhoben werden rechtfertigt keine Entscheidung ohne gesicherte Grundlagen.
Mit anderen Worten: Richter müssen sich Mühe bei der Entscheidung geben, Abwägen, auch Beweise erheben und Entscheiden ob all das
ausreicht. Je schwerer allerdings die befürchtete Gefahr für das Kind ist, desto weniger hoch sollen die Anforderungen für die Darlegung sein.

Ohe sichere Erkenntnisse keine Maßnahmen nach §1666 BGB

Michael Langhans

Ratschlag: Unterstützt das Gericht bei der Ermittlung der Grundlagen

Natürlich ist es einfacher, abzuwarten. Und das ist auch zulässig. Trotzdem empfehle ich Aktivität. Unterstützt das Gericht, indem ihr Beweise darbietet. Das Gericht wird Euch dankbar sein hierfür, weil ihr Zeit spart. Und Euch nicht gut gesonnene Richter werden gezwungen, den eigenen Fokus zu ändern.

Mehr zu meinem Buch findet Ihr hier:

https://familienrecht.activinews.tv/buecher-vorgestellt/wichtige-entscheidungen-sorgerecht/
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