Erfolg auf ganzer Linie: Wenn das Jugendamt lügt und man es richtig macht, dann wird auch ein Umgangsausschluss aufgehoben. Das habe ich für den Verein Erzengel in Kooperation mit dem Verein „Nein lass das!“ bewiesen.
Ihr könnt aber auch eine kostenfreie telefonische Beratung des Vereins Erzengel buchen oder zusammen mit unseren Anwälten die Wahrheit erstreiten. Leider wissen viele Anwälte nicht, wie das geht. Wir und unsere Anwälte hingegen schon.
Ich halte am 23.02.2023 ab 19 Uhr einen Vortrag „Gutachten im Familienrecht aus juristischer Sicht“ online auf Zoom ab. Dies ist eine Kooperation mit Vater Rat von Stephan Gutte. Teilnehmen kann jeder, für Mitglieder von Vater Rat ist die Teilnahme kostenlos. Mehr Infos oder Anmeldungen könnt ihr Euch per eMail an Stephan Gutte.
Inhalt Vortrag Gutachten im Familienrecht
Der grobe Inhalt wird ungefähr so ausgerichtet sein und in drei Komplexe geteilt sein:
Vor Beginn eines Gutachtens: Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, Sachverhalt sicher- und richtigzustellen und Freiwilligkeit der Teilnahme mit Vor- und Nachteilen, aber auch Vorbereitung auf ein Gutachten.
Während des Gutachtens: Wie kann ich während der Begutachtung prozessual Einfluss nehmen und das vorbereitete einbringen
Nach schriftlicher Vorlage des Gutachtens: Typische rechtliche und wissenschaftliche Fehler, wie diese angehen, wann Gutachter ablehnen, wie neue Entwicklungen einbringen, Haftungsklagen
Wie mit Stephan besprochen, werde ich die Inhalte auch nach Euren Wünschen ausgestalten, so dass ich fleissig um Mitteilung bitte, welche konkreten Fragen beantwortet und welche Schwerpunkte gesetzt sein sollten.
Was ist Vater Rat?
Vater Rat bzw. Eltern Rat – die Webseite und das Netzwerk steht jedermann offen – zur Information, Selbsthilfe, Beratung und Vernetzung. Es werden regelmäßige Austauschtreffen organisiert, unter anderem eben auch die Fachvorträge.
Liebe Leser, es gibt neue Videos als Shorts auf YouTube, Instagram Reels und TikTok. Für alle, die weniger gern lesen, ist das wesentliche aus meinen Artikeln hier nun als Videos verfügbar. Ich würde mich freuen, wenn Ihr reinschaut:
Unterschied Befundtatsachen und Anknüpfungstatsachen
DSGVO und FamFG sind in dieser Verbindung Themen, die bisher kaum kommentiert und beachtet sind. Entsprechend viele Gerüchte gehen hinter der Hand herum, wie man mit der DSGVO familienpsychologische Gutachten nach FamFG aushebeln könne. Der Verfahrensbeistand dürfe ebenfalls keine Akteninhalte sammeln. Was ist dran an diesen Meinungen? Gibt es die Möglichkeit, mit DSGVO und FamFG Gutachten zu verhindern und Verfahren zu ändern? Und wird ein Gutachten anfechtbar durch Verstoß gegen die Datenminimierungspflicht?
Wir betrachten die aktuellen Diskussionen und Literatur zum Thema.
Seit der Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO oder DSGVO abgekürzt) herrscht in Deutschland ein Bild der Unsicherheit. Gerade die Affäre um Google Fonts hat gezeigt, dass einige wenige listigerweise Versuchen, Kapital aus dieser Unsicherheit zu schlagen. Kern des Themas ist, dass viele Spezialaspekte in der DSGVO und den Gesetzesmaterialien nicht zureichend ausgearbeitet sind.
Insgesamt geht es also – neben der Bemessung der Höhe eines Bußgeldes gem. Art. 82 DSGVO – um die Präzisierung des Umfangs des Schutzes besonderer Kategorien personenbezogener Daten (hier: Gesundheitsdaten) gem. Art. 9 DSGVO. Denn der aus dem Text der DSGVO bzw. aus deren Erwägungsgründen allein geht dies wie so oft leider nicht klar und deutlich hervor.
Das betrifft Aspekte der Akteneinsicht und Aktenkopie, Umfang von Gutachten und der Frage, wer überhaupt welche und wieviele Daten erheben darf.
Wenig höchstrichterliche Rechtsprechung
Aufgrund der relativen Neuheit der rechtlichen Probleme gibt es nur wenige Entscheidungen von deutschen Bundesgerichten oder vom EuGH, der letztlich über die Auslegung der DSGVO entscheidet anhand des Unionsrechts. 2021 hat der BGH zur Reichweite von Akteneinsicht und Auskunft nach DSGVO Stellung genommen (VI ZR 576/19, Video zur Entscheidung hier). Aktuell liegt ein Vorabersuchen des BAG beim EuGH vor, wie weit medizinische Daten durch den MDK im Hinblick auf Art. 9 DSGVO erhoben werden dürfen. Literatur gibt es zu den spezifischen Themen des Familienrechts auch nur wenige. Daher ist dieser Artikel vorallem meine persönliche Meinung, begründet anhand der aufgeführten Quellen und Argumente. Ohne eine klare, umfassende Rechtsprechung des EuGH werden wir insoweit keine Rechtsklarheit bekommen. Wer etwas anderes behauptet, spielt insoweit kein faires Spiel.
Darf ein Sachverständiger nach DSGVO und FamFG meine Daten erheben?
Grundsätzlich müssen Gutachter in Verfahren das Gutachten erstellen, was sich aus §30 I FamFG i.V.m. §407 ZPO ergibt. Daher liegt ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 6 I 1 c. DSGVO vor (vgl. Weber in Auswirkungen der DS-GVO für Berufsbetreuer und Sachverständige in Kindschaftssachen in NZFam 2018, 865).
Pflicht zur Gutachtenserstellung ist Rechtfertigungsgrund nach Art. 6 I DSGVO
Weber in NZFam 2018, 865
Anderer Ansicht ist insoweit Wirwohl: Alles neu macht die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)? in DS 2018, 236. Sie tritt vorallem dafür ein, dass eine konkrete oder konkludente Einwilligung zur Datenerhebung vorliegen müsse. Der §404a ZPO, der früher den §1 BDSG verdrängte, ist nicht mehr einschlägig, so ihre Auffassung, die Weber ablehnt.
Gleichwohl müssen auch nicht alle Daten aus Gutachten entfernt werden, so Wirwohl.
Daten in Sachverständigengutachten sind eine Frage der Praktikabilität
Wirwohl in DS 2018, 236)
Bedenklich ist, dass Wirwohl eine sofortige Beschwerde gegen Beweisbeschlüsse sieht, die es so nicht gibt, weil das richtige Mittel die Gegenvorstellung ist. Sie sieht aber in der Prozessteilnahme eine konkludente Einwilligung:
Ohne die Verwendung der für das Sachverständigengutachten notwendigen Daten, könnte dieses nicht erstellt werden, s. Art 7 IV DSGVO. Es ist mithin von einer konkludenten Einwilligung der Prozessparteien bezüglich der Verwendung ihrer personenbezogenen Daten in Sachverständigengutachten auszugehen.
Wirwohl in DS 2018, 236
Praktikabilität berücksichtigen
Jedenfalls wird sich die Frage von berechtigten Interessen stellen i.S. Art. 6 I f DSGVO.
Ohne Daten in Gutachten oder Verfahren wäre der Rechtsstaat ausgehebelt. Was wenn ein Mörder der Verwendung seiner DNA in einem Gutachten widersprechen könnte, was wenn ein Kinderschänder sich gegen die Einführung eines Videos im Umgangsausschlussverfahren wehrt?
Grundrechtsabwägung und DSGVO
Richtigerweise ist also eine Abwägung der einzelnen Grund- und Rechtspositionen vorzunehmen. Das OLG Düsseldorf hat in dem Rechtsstreit einer dritten Person gegen ein Familienpsychologisches Gutachten hierzu ausgeführt:
Die nach den Maßstäben der DS-GVO zu beurteilende Frage, ob die die Kl. betreffenden Daten rechtswidrig erlangt worden waren, ist danach bei der Abwägung i.R.d. allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu berücksichtigen.
OLG Düsseldorf, 16 U 269/20
Und weiter unter Bezugnahme auf das BVerfG:
Da die Mitteilung personenbezogener Daten einerseits die Rechte der betroffenen Person gem. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG u. Art. 8 EMRK berührt, andererseits aber durch die Kommunikationsfreiheit sowie Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 u. Abs. 3 GG u. Art. 10 EMRK geschützt wird, wirft dies die Frage auf, ob sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für solche Kommunikationsvorgänge, die zugleich einen Ausgleich i.S.e. praktischen Konkordanz zwischen den kollidierenden Rechtspositionen schaffen müssen, aus dem Datenschutzrecht oder dem zivilrechtlichen Äußerungsrecht oder beiden Regelungsregimen ergeben (vgl. Lauber-Rönsberg, AfP 2019, 373).
OLG Düsseldorf, 16 U 269/20
Es kommt also auf eine Gesamtbetrachtung an. Dabei sind im familiengerichtlichen Verfahren die Fragen des Wohles des Kindes, die Tatsache dass ein Streit geführt wird in der Kindschaftssache, die Wissenschaftsfreiheit (Gutachten sind eine wissenschaftliche Arbeit, aA die GWG) und mehr zu betrachten. Ansonsten wäre auch eine Pressefreiheit nicht mehr gewährleistet.
Ich folge also der Auffassung von Weber, dass ein Gutachten grundsätzlich auch ohne Einwilligung erstellt werden darf. Dies ergibt sich aus spezialgesetzlichen Regelungen, die m.E. im Einklang mit der DSGVO stehen.
Datenminimierung und Gutachten nach DSGVO
Von der Frage, ob der Gutachter etwas schreiben darf, ist streng die Frage zu unterscheiden, wieviel er schreiben darf. Früher gab es den Aspekt der Datensparsamkeit, heute nennt sich das Datenminimierung in der DSGVO (Art. 5 I c DSGVO).
Unmittelbare Folge ist auch die Frage der Datenrichtigkeit, was zu einem Löschungs- und Berichtigungsanspruch führt (vgl. Weber aaO).
Dies sind zwei der relevantesten Themen. Ich stelle bei meinen kritischen Gutachtensrezensionen ja insbesondere auf falsche Datenerhebungen ab. Der BGH lässt ein Gutachten, das falsche oder ungeklärte Anknüpfungstatsachen beinhaltet, in der Regel unverwertbar sein.
Eine Einwilligung bei der Begutachtung ist nicht erforderlich (eine Pflicht zur Teilnahme besteht ja nicht). Dies kann gegebenenfalls aber bei besonders sensiblen Daten anders sein (vgl. Weber aaO):
Für besondere Daten nach Art. 9 I DS-GVO greift Art. 9 II lit. f DS-GVO als Rechtfertigungsgrund ein.
Weber, Auswirkungen der DS-GVO für Berufsbetreuer und Sachverständige in Kindschaftssachen(NZFam 2018, 865)
Gegen die Verwertung von Informationen aus der Gerichtsakte kann man sich nicht wehren:
Die Beteiligten sind im Verfahren nicht verpflichtet, an einer Begutachtung mitzuwirken; [Fn. 22: Vgl. Fahl NZFam 2015, 848 (849); Weber NZFam 2018, 510 (517).] sie können sich zwar der Verwertung der bereits in der Gerichtsakte befindlichen Daten durch den Gutachter nicht erwehren, können aber nicht zwangsweise zur Erhebung weiterer Daten durch den Sachverständigen angehalten werden.
Weber aaO
Berichtigungsanspruch bei falschen Daten i.S. DSGVO?
Aktualisierung 16.01.2023: Unter Berücksichtigung dieser obigen Aspekte muss dann aber auch ein Datenberichtigungsanspruch gem. Art. 16 DSGVO anerkannt werden. Denn unrichtige Daten sind eben abzuändern oder ggf. gar zu löschen (Art. 17 DSGVO). Der Rechtfertigungsgrund wie oben dargestellt bezieht sich nur auf die Frage, ob Daten erhoben werden dürfen. Das heißt nicht, dass falsche Daten erhoben werden dürfen.
Nicht alle Daten dürfen erhoben werden
Natürlich heißt das nicht, dass der Gutachter dann nach belieben Fragen zu allen Themen stellen darf. Denn die Fragen sind durch den Beweisauftrag des Gerichtes vorgegeben, darüber hinausgehende Fragen und Unterlagen hat der Gutachter nicht zu erheben und zu verwerten, weil diese gegen die Pflicht zur Datenminimierung verstößt (Weber aaO).
EuGH und BAG und besondere Daten
Insoweit dürfte mit Spannung die Entscheidung des EuGH zu MDK Gutachten werden, die das Bundesarbeitsgericht nach Art. 267 AEUV vorgelegt hat. Denn die Interessenlage ist absolut vergleichbar zu familienpsychologischen Gutachten:
Die Anfrage des BAG nach Art. 267 AEUV
Die Anfrage des BAG lautet wie folgt:
I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Fragen ersucht:
1. Ist Art. 9 Abs. 2 Buchstabe h DSGVO dahin auszulegen, dass es einem Medizinischen Dienst einer Krankenkasse untersagt ist, Gesundheitsdaten seines Arbeitnehmers, die Voraussetzung für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit dieses Arbeitnehmers sind, zu verarbeiten?
2. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1. verneinen sollte mit der Folge, dass nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe h DSGVO eine Ausnahme von dem in Art. 9 Abs. 1 DSGVO bestimmten Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten in Betracht käme: Sind in einem Fall wie hier über die in Art. 9 Abs. 3 DSGVO bestimmten Maßgaben hinaus weitere, gegebenenfalls welche Datenschutzvorgaben zu beachten?
3. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1. verneinen sollte mit der Folge, dass nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe h DSGVO eine Ausnahme von dem in Art. 9 Abs. 1 DSGVO bestimmten Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten in Betracht käme: Hängt in einem Fall wie hier die Zulässigkeit bzw. Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten zudem davon ab, dass mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Voraussetzungen erfüllt ist?
Die schadensersatzrechtliche Komponente habe ich außen vorgelassen.
Darf ein Gutachter besondere Daten zu Ethnie, politischer Einstellung, Gesundheit usw. ohne eine Einwilligung erheben?
Kernfrage der Vorabentscheidungsanfrage des BAG an den EuGH
Praktische Relevant nach FamFG
Diese Frage hat bei z.B. folgenden Fragen eine praktische Relevanz:
Überprüfung des Haushalts und Einordnung, ob kindgerecht ist, durch Gutachter
Stellungnahmen zu politischen Meinungen (Querdenker, Reichsbürger, „Sektenmitglieder“, Glaube, Ideologie, Sexualverhalten ohne Bezug zum Kind (Promiskuität)
Projektive Tests, die die subjektive Einstellung des Gutachters und den Zeitgeist bei der Interpretation in den Vordergrund stellen
Lebensweisen (Hippie, Homeschooling oder Freilernen usw.)
Behinderungen der Eltern und Kinder
Manche dieser Fragen sind bereits aus der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung nicht zu berücksichtigen, weil sich keiner seine Familie aussuchen kann.
Andere Fragen wie die regelmäßige Beobachtung des Wohnumfelds sind durch das Gericht und nicht den Gutachter zu prüfen. Damit kann eine Kollission zu Art. 9 DSGVO vorliegen und das Prinzip der Datenminimierung verletzt sein.
Ich persönlich sehe daher auf Basis der Vorabentscheidungsanfrage, dem Aspekt der Datenminimierung und dem Aspekt des besonderen Schutzes besonderer Daten eine konkrete Begründungspflicht des Gutachters. Statt also konkret das Gutachten zu verhindern zu versuchen sollte man gegen diese einzelnen Punkte angehen, diese Fragestellungen untersagen lassen und eine Berichtigungspflicht des Gutachtens einfordern.
Ob und wie sich das nach der EuGH Entscheidung darstellen wird, bleibt abzuwarten.
Müssen Art. 6 DSGVO und zugleich Art. 9 DSGVO vorliegen?
Die rechtliche Fragestellung zu oben ist einfach, ob Art. 9 DSGVO alleine eine Datenverarbeitung zulässt oder ob dies nur zusammen mit Art. 9 DSGVO zulässig ist:
Es geht darum, ob bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 2 kumulativ vorliegen müssen oder ob eine Verarbeitung alleine auf Art. 9 DSGVO gestützt werden kann.
die Verarbeitung ist zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich,
Aber auch erforderlich beschränkt Daten auf das notwendige Mindestmaß (Datenminimierung), was der Beweisbeschluss vorgibt. Fragen nach dem konkreten Zeugungsakt, wie ich sie bisweilen in Gutachten erlebe, sind danach nie verwertbar, es wird nie darauf ankommen (selbst untergeschobene Kinder sind nun einmal als Rechtssubjekt vorhanden).
Muss der Gutachter über Datenerhebung informieren?
Grundsätzlich muss jeder, der Daten erhebt, über dies informieren, Art. 13, 14 DSGVO. Doch gilt dies auch für den familienpsychologischen Gutachter?
Weber kommentiert hierzu:
Der Sachverständige ist nach hier vertretener Ansicht nicht Verantwortlicher für die Datenverarbeitung im Rahmen der Gutachtenerstellung. Zweck und Umfang der Datenverarbeitung werden weithin durch das Gericht im Rahmen eines Beweisbeschlusses vorgegeben; das Gericht leitet weiterhin die Tätigkeit des Sachverständigen und kann diesem Weisungen erteilen, § 30 I FamFG iVm § 404 a ZPO. Die Argumentation geteilter Verantwortung ist denkbar, was allerdings wiederum auch für eine Informationspflicht auch der Gerichte den betroffenen Personen gegenüber streitet.
Weber aaO
Ich unterstütze diese Auffassung. Denn der Sachverständige soll die Kenntnisse, die das Gericht nicht hat, unterstützend zur Verfügung stellen. Gleichwohl, wird die richterliche Arbeit auf den Gutachter delegiert (unzulässig, vgl. OLG München, Familiensenate Augsburg 30 UF 232/15), kann sich etwas anderes ergeben. Denn dann überschreitet der Gutachter seine Befugnisse.
Darf der Gutachter Namen und Verhalten Dritter aufnehmen?
Folgt man dem OLG Düsseldorf (das das Problem nicht aus datenschutzrechtlicher Sicht löst, sondern aus dem Recht zur informationellen Selbstbestimmung), dann ja:
Auch die Benennung des Klarnamens der Kl. konnte nicht unterbleiben. Aus den zivilprozessualen Vorschriften ergibt sich kein generelles Gebot zur Anonymisierung in gerichtlichen Gutachten. Für den vorliegenden Fall ergibt sich nichts anderes. Davon ausgehend, dass die Bekl. zur Vorbereitung ihres Gutachtens gehalten war, das weitere Umfeld des Kindes miteinzubeziehen sowie i.R.d. Datenerhebung unterschiedliche Datenquellen zu nutzen („multimodales Vorgehen“), oblag es ihr, die gewonnenen Informationen und ihre Quelle im Gutachten offenzulegen (vgl. OLG Frankfurt/M. B. v. 28.11.2016 – 6 WF 200/16). Dies war vorliegend geschehen. I.S.e. umfassenden Information des Gerichts mussten Verklausulierungen unterbleiben. Es reichte nicht aus, die Kl. ohne Namensnennung z.B. als „aktuelle Lebenspartnerin“ des Kindesvaters zu beschreiben, denn das Gericht muss auf Grund der Angaben im Gutachten in der Lage sein, die zentralen Personen, zu denen auch die Kl. zählt, eindeutig zu identifizieren und dies in einer Weise, dass auch für die Zukunft keine Zweifel entstehen konnten und sich nicht die Notwendigkeit unnötiger Rückfragen ergibt.
Eine weitere Frage, die ich gelesen habe, war die, ob Verfahrensbeistände Daten erheben dürfen. Um es kurz zu machen: Sie dürfen. Der Verfahrensbeistand nimmt die Interessen des Kindes wahr in der Gewährleistung des Art. 1 I GG. Damit liegt eine gesetzliche Handlungspflicht vor, so dass die Rechtfertigungsnorm des Art. 6 I 1 c DSGVO greift (vgl. Weber aaO).
die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;
Update 26.02.2023: Dem folgt auch die Kommentierung in Kühling/Buchner:
Insoweit beziehen sich die genannten Bestimmungen auf Art. 8 Abs. 2 EMRK sowie auf Art. 7, Art. 8 Abs. 2 und Art. 52 Abs. 1 S. 2 GRCh. Vorschriften iSd Abs. 1 lit. c erlauben Eingriffe in die Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Datenschutz. Derartige Grundrechtsbeeinträchtigungen sind nur zulässig, soweit sie gesetzlich vorgesehen und „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ sind, um anerkannte dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen zu wahren. Die eingesetzten Mittel müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und dürfen nicht über das Erforderliche hinausgehen (→ Rn. 94). [Fn. 178: EuGH Urt. v. 9.11.2010 – C-92/09, C-93/09, DuD 2011, 137 (140) mwN – Schecke. ]
Gola/Heckmann weisen zudem darauf hin, dass es eine gesonderte gesetzliche Pflicht geben muss, die Daten zu erheben:
Für lit. c ist eine Rechtspflicht kraft objektiven Rechts erforderlich; eine vertraglich begründete (Rechts-)Pflicht genügt nicht, wird aber im Rahmen der dann weiterhin denkbaren Interessenabwägung einzubeziehen sein.
Das wiederum würde gegen eine Pflicht nach lit. c. sprechen (was aber auch für lit. e. gelten würde).
Insoweit wird der VB in der Regel auch nur Informationen des Kindes und des Naheumfeldes des Kindes, was dem Kind bekannt ist, erheben und weitergeben. Natürlich nicht umfasst wären hier Ermittlungen im Umfeld der Familie (Nachbarn anrufen usw.)
Andere Stimmen meinen, Art. 6 I 1 Lit. e DSGVO wäre einschlägig. Das scheitert m.E. daran, dass keine Übertragung staatlicher Aufgaben i.S. dieser Norm vorliegt:
“ Denn Abs. 1 lit. e verlangt nach einer im öffentlichen Interesse liegenden „Aufgabe“, die dem Verantwortlichen „übertragen wurde“. Dabei ist insbesondere an Aufgaben gedacht, die in den Mitgliedstaaten klassischerweise als Staatsaufgaben verstanden und administrativ ausgeführt werden.“
Diese anderen Stimmen verkennen zudem, dass selbst bei einem Widerspruch, der zudem unzulässig ist wenn die Verarbeitung der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen dient, Art. 21 I DSGVO, und keine Löschung erfolgen muss, Art. 17 III DSGVO.
Anderslautende Aussagen sind schlicht falsch.
Für Anwälte wird zudem vertreten, dass Lit. f. anwendbar wäre, vgl. Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG. Das führt zwar auch zu einem Widerspruch nach Art. 21 DSGVO, der aber ebenso wie bei e. unzulässig ist aufgrund der Geltendmachung, Verteidigung von Rechtsansprüchen.
Habe ich einen Anspruch auf Aktenkopie aus der DSGVO
Deutschmann schreibt in Datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche gemäß Art. 15 DS-GVO gegenüber Zivilgerichten in ZD 2021, 414 folgendes:
„Sowohl § 299 ZPO als auch § 13 FamFG differenzieren danach, wer die Einsicht in eine Akte begehrt: Prozess- bzw. Verfahrensbeteiligten steht nach § 299 Abs. 1 ZPO bzw. § 13 Abs. 1 FamFG in allgemeines Akteneinsichtsrecht zu. Dieses ist Ausdruck des verfassungsrechtlich vorbehaltlos [Fn. 3: Schulze-Fielitz, in: Dreier, 3. Aufl. 2018, Art. 103 Abs. 1 GG Rn. 83 mwN.] – wenn auch nicht schrankenlos – gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör [Fn. 4: BVerfGE 18, 399 (405); 63, 45 (60); Remmert, in: Maunz/Dürig, 93. EL Okt. 2020, Art. 103 GG Abs. 1 Rn. 87.], weshalb die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht zu Gunsten von Verfahrensbeteiligten nicht im Ermessen des Gerichts steht. [Fn. 5: Vgl. BVerfG NJW 1965, 1171 f.]“
Deutschmann aaO
Keine Einschränkung Akteneinsicht durch DSGVO
Und deutlicher:
Wie aus Erwägungsgrund 20 S. 1 Hs. 1 DS-GVO folgt, gilt die DS-GVO grundsätzlich auch für die Tätigkeiten der Gerichte und Justizbehörden. Zwar können Mitgliedstaaten Regelungen betreffend die Verarbeitungsvorgänge und Verarbeitungsverfahren bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Gerichte und andere Justizbehörden treffen (Erwägungsgrund 20 S. 1 Hs. 2 DS-GVO; vgl. hierzulande z.B. §§ 12 ff. EGGVG), doch bedeutet dies nicht, dass der nationale Gesetzgeber die Justiz per se vom Anwendungsbereich der DS-GVO ausnehmen könnte. Eine generelle Bereichsausnahme für die Datenverarbeitung in der Justiz folgt insbesondere nicht aus Art. 2 Abs. 2 lit. a DS-GVO.
Deutschmann aaO
Kostenfreie Kopie nach DSGVO der Gerichtsakte
Deutschmann
Das einzelgesetzliche Akteneinsichtsrecht wird durch die DSGVO also gestärkt, wobei beide Konstrukte nebeneinander gelten. Doch eine Besonderheit arbeitet Deutschmann hervor: Die Kostenfreiheit der Aktenkopie:
Eine Parallelisierung der datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüche mit den Bestimmungen der nationalen Prozessordnungen dahin, dass ein Betroffener, der den Auskunfts- und Kopieanspruch gegenüber dem Gericht geltend macht, analog zu den Vorschriften zur Akteneinsicht z.B. die Geschäftsstelle aufsuchen und für Kopien Gebühren entrichten muss, ist nicht angezeigt und wäre europarechtswidrig. Zwar kann der nationale Gesetzgeber auf Grund der Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 lit. f DS-GVO die Geltung der DS-GVO hinsichtlich der Betroffenenrechte (Art. 12 bis 23 und 5, 34 DS-GVO) beschränken, doch steht dies unter der Voraussetzung, dass dies eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der Unabhängigkeit der Justiz und dem Schutz von Gerichtsverfahren darstellt.
Deutschmann aaO
Herausgabepflicht gerichtsinterner Unterlagen
Sein Fazit: Auch gerichtsinterne Unterlagen sind herauszugeben:
De lege lata sind auch gerichtsinterne Aufzeichnungen zu beauskunften, denn eine Einschränkung des Auskunfts- und Kopieanspruchs hat der deutsche Gesetzgeber in Bezug auf gerichtsinterne Dokumente nicht vorgesehen.
Deutschmann aaO
Dasselbe hat der BGH für Versicherungen bereits entschieden (s.o.)
Mit Ausnahme der Auffassung, dass auch Entwürfe von Entscheidungen herauszugeben sind, teile ich diese Auffassung. Entwürfe von Urteilen herauszugeben würde den Rechtsstaat erheblich einschränken.
Der Buchungsintervall wurde zusammen mit den neuen Beratungszeiten von Erzengel auf 30 Minuten festgesetzt, da 15 Minuten selten ausreichen.
Mitglieder können das doppelte, also 2x 30 Minuten buchen. Mitglieder können zudem an mehreren Tagen buchen, während Nichtmitglieder in der Regel auf eine Beratung beschränkt sind.
Neu sind nunmehr die Kummertermine (ohne Rechtsberatung) und Beratung zum OEG.
Fortbildungen und Onlinestammtische sind in Vorbereitung.
Neu ist außerdem der Bereich OEG / Soziales Entschädigungsrecht. Hier bieten wir nicht nur engagierte Interessenvertretung, sondern auch politisches Engagement.
Wir berichteten letzte Woche über den „vermissten“ Tilmann. Zudem wiesen wir nicht ohne Grund darauf hin, dass die Polizei keine Amtshilfe für das Jugendamt ohne Herausnahmetitel machen darf. Nachdem das Kind gleichwohl einmal bei der Mutter abgegriffen wurde, erreichte die Mutter gestern mit Unterstützung des Vereins Erzengel einen echten Durchbruch: Die Polizei in Bremerhaven verweigerte Herausnahme von Tilmann nach erneutem Weglaufen des Kindes nunmehr. Kein Zwang gegen das Kind, um dieses herauszunehmen. Die zuständigen Beamten scheinen von ihrem Remonstrationsrecht gebrauch gemacht zu haben und meinen Hinweis, dass sie gar nicht zuständig sind, umgesetzt zu haben.
Folgerichtig war dann ein schnelles Hilfeplangespräch initiiert worden. Das Kind darf – nach 2 Jahren der rechtswidrigen, kindesschädigenden Entfremdung – zumindest beim großen Bruder bleiben.
Auch wenn es angesichts der vielen negativen Details, die bisher ans Tageslicht gekommen sind, ein Phyrrussieg zu sein scheint, denken wir, dass die Wende gekommen ist und Tilmann nunmehr eine echte Chance hat – dank einer Mutter, die nie aufgegeben hat zu kämpfen.
Vom Verein Erzengel wird der Neustart des Kindes mit einem Kleidergeld unterstützt – denn wirklich viel Ausstattung hatte das Kind nicht.
Ich hatte hierüber letztes Jahr berichtet. Das Oberlandesgericht hatte danach gegen den Willen des Gutachters und gegen den Willen des Kindes die grottenschlechten Beschlüsse bestätigt. In der Zwischenzeit wurde von Seiten des Jugendamtes alles getan, um das Kind zu entfremden, was eine Körperverletzung darstellen dürfte. Nach Informationen von Activinews wurde das Kind von einem Pflegevater mit der Faust geschlagen. Weiter wurde das Kind in verschiedene Einrichtungen bis hin zur Notschlafstelle und geschlossenen Zwangsunterbringung untergebracht. Ihm wurde mitgeteilt, die Mutter wolle es nicht sehen, während die Mutter zum begleiteten Umgang ging, aber dort niemand erschien.
Kinder anlügen und falsch informieren ist niederträchtig. Wer soetwas tut, ist erziehungsunfähig.
Michael Langhans, Volljurist
Man sagte dem Kind, würde es weglaufen zur Mutter, käme diese ins Gefängnis. Wie niederträchtig muss man sein, um so falschen Mist zu verbreiten? Würde sich das Kind zu einem Angehörigen begeben, wäre das nie eine Kindesentziehung!
Kindesanhörungen zweimal verhindert durch Jugendamt!
Zu 2 Anhörungen vor dem Amtsgericht erschien das Kind nicht. Das Jugendamt verhindert damit aktiv, dass das Kind seinen Willen kundtun kann.
Durch das maßlose Amtsgericht wurde sogar der kleine Bruder mit einem Umgangsausschluss belegt.
Die Beschulung, die damals das Hauptproblem war, scheint nach wie vor nicht stattzufinden.
Dass da ein Kind wegläuft, ist normal. Eigentlich ist es ja provoziert.
Vermisstenfall?
Das lustige daran ist jedoch, dass die Polizei sich nunmehr einschaltet und einen Vermisstenfall daraus macht, obgleich eine Herausgabe des Kindes an Dritte bisher durch das Gericht nicht angeordnet ist. Solche Amtshilfe ist daher unzulässig.
Jetzt wird also dieses Kind schon wieder in die Öffentlichkeit gezerrt, weil man sich das eigene Staatsversagen nicht eingestehen möchte. Das finde ich traurig. Warum hört man nicht auf das Gutachten? Warum schauen Richter am Amtsgericht Bremerhaven weg und warum kriegt es das OLG nicht gebacken, über Beschwerden zeitnah zu entscheiden?
Vermisst wird das Kindeswohl und die Grundrechte von Tilmann!
Eigenes Versagen vertuschen wichtiger als eine Kinderseele!
Warum sind alle mehr daran interessiert, dass ihr eigenes Versagen nicht herauskommt, als einem Kind zu helfen. Dass Tilmann vermisst wird, halte ich daher für einen Fake. Was in der Tat vermisst wird, ist das Wohl eines Kindes, gepaart mit Art. 6 II GG i.V.m. Art. 1 I GG.
Ein alltägliches Problem der Unwissenheit bei Polizei und Jugendamt: unzulässige Amtshilfe bei der Polizei. Diese nimmt im Auftrag des Jugendamtes Kinder von Eltern weg oder aus, Kindergärten oder Schulen. Das ist unzulässig. Wieso, erkläre ich Euch hier.
Amtshilfe ist in den Verwaltungsverfahrengesetzen und den Polizeigesetzen der Länder geregelt:
§ 5 Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe (1) Eine Behörde kann um Amtshilfe insbesondere dann ersuchen, wenn sie
aus rechtlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann;
aus tatsächlichen Gründen, besonders weil die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienstkräfte oder Einrichtungen fehlen, die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann;
zur Durchführung ihrer Aufgaben auf die Kenntnis von Tatsachen angewiesen ist, die ihr unbekannt sind und die sie selbst nicht ermitteln kann;
zur Durchführung ihrer Aufgaben Urkunden oder sonstige Beweismittel benötigt, die sich im Besitz der ersuchten Behörde befinden;
die Amtshandlung nur mit wesentlich größerem Aufwand vornehmen könnte als die ersuchte Behörde.
§ 37 Vollzugshilfe (1) Der Polizeivollzugsdienst leistet anderen Behörden auf Ersuchen Vollzugshilfe, wenn unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die anderen Behörden ihre Maßnahmen nicht selbst durchsetzen können.
(2) Der Polizeivollzugsdienst ist nur für die Art und Weise der Durchführung verantwortlich. Im übrigen gelten die Grundsätze der Amtshilfe entsprechend.
(3) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.
Polizei darf nur dann eingreifen, wenn der Gerichtsvollzieher an der Vollstreckung gehindert wird
Den Regelungen ist also gemein, dass die Polizei nur tätig sein darf, wenn man Zwang anwenden muss und gleichzeitig keine andere Behörde hierfür zuständig ist.
Im FamFG steht aber, dass die Vollstreckung durch das Gericht betrieben wird, §88 I FamFG. Die Vollstreckung erfolgt durch das Gericht, also den Gerichtsvollzieher. Zudem, und das hat der Gesetzgeber so gewollt, gibt es besondere Regeln für Unmittelbaren Zwang und Herausnahme gegen den Willen eines Kindes und der Eltern, die eingehalten werden müssen.
Zwar sind grundsätzlich Titel im FamFG Verfahren vollstreckbar, auch ohne Klausel im eA Verfahren, §53 FamFG. Aber das gilt nicht, wenn sich ein Kind der Herausnahme widersetzt. Dann müssen Vollstreckungsmaßnahmen durch das Gericht angeordnet werden.
Hinweis auf Zwangsmittel muss im Beschluss stehen
Das können sein Ordnungshaft, Ordnungsgeld oder unmittelbarer Zwang. Auf all das muss aber im Beschluss hingewiesen sein, wie §89 FamFG uns lehrt:
(2) Der Beschluss, der die Herausgabe der Person oder die Regelung des Umgangs anordnet, hat auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel hinzuweisen.
Ohne eine Herausgabeklausel und einen Hinweis, dass und welche Folgen bei Zuwiderhandlung drohen, kann unmittelbarer Zwang nicht angeordnet und angewandt werden.
Auch TAZ berichtete über solche Vorgehensweisen
Das sollte eigentlich bekannt sein, ist es aber nicht, wie ein Einsatz in Görlitz beweist:
Der Ehrenvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker, sagte der taz, nach seinem Eindruck sei der ihm beschriebene Polizeieinsatz „gründlich schiefgegangen“. Becker, selbst ehemaliger Polizist, erläuterte: „Die eingesetzten Beamten bezogen sich rechtlich auf Paragraf 22 des Sächsischen Polizeigesetzes, der es grundsätzlich ermöglicht, ein Kind in Gewahrsam zu nehmen, das sich der Obhut seines Sorgeberechtigten entzogen hat. Allerdings verweist derselbe Paragraf auf das hier einschlägige Verfahren in Familiensachen, und hiernach wäre zunächst einmal ein Gerichtsvollzieher zuständig gewesen, den Säugling in Obhut zu nehmen.“
Natürlich muss ich die Polizei in Schutz nehmen: Diese muss Feinheiten des Familienrechts wie Umgangsbestimmungsrecht, Vollstreckungsklauseln und Herausgabe nicht kennen. Aber: Man muss einfach mal fair bleiben und jeder muss selbstkritisch prüfen, ob es denn Klauseln gibt, weswegen der handeln darf. Das Jugendamt muss also erst prüfen, ob es die Polizei beauftragen darf und die Polizei muss prüfen, ob es handeln darf. Gefahr im Verzug oder eine Straftat dürfte in 99,9% der Fälle nie vorliegen – wenn ein Kind bei den Eltern oder der Kita ist.
Update 10.03.2023: Verwaltungsgerichtshof München entscheidet deutlich gegen Polizei
Der Verwaltungsgerichtshof in München (das dortige Oberverwaltungsgericht) hatte sich in der Entscheidung 10 B 22.798 vom 10.10.2022 mit dieser Frage auseinanderzusetzen:
„Die polizeiliche Unterstützung einer Wohnungsdurchsuchung durch gerichtliche Zwangsvollstreckungsorgane ist nur dann rechtmäßig, wenn die Wohnungsdurchsuchung von einem Gericht angeordnet oder ausnahmsweise wegen Gefahr im Verzug ohne gerichtliche Entscheidung zulässig ist.“ Im dortigen Fall hatte das Familiengericht bereits keine Wohnungsöffnung und -durchsuchung bewilligt. Zudem war die Vollstreckung ohne Gerichtsvollzieher erfolgt:
„Da die streitgegenständlichen Maßnahmen der Polizei bereits wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des Art. 13 Abs. 2 GG rechtswidrig waren, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Familiengericht mit dem Jugendamt (statt dem eigentlichen zuständigen Gerichtsvollzieher, vgl. § 87 Abs. 3 FamFG) das falsche Vollstreckungsorgan beauftragt und seine eigene Anordnung in den Beschlussgründen (dort fälschlicherweise als „Inobhutnahme“ bezeichnet) unter eine – noch dazu vom Ergänzungspfleger zu prüfende – Bedingung einer Kindeswohlgefährdung gestellt hat.“
Spannend ist noch der Seitenhieb, wenn das Verwaltungsgericht erklären muss, was eine IO ist (nämlich eine Tätigkeit im Verwaltungsweg gem. §42 SGB VIII.
Wie wehre ich mich bei falscher, verbotener Amtshilfe?
Dass Polizeibeamte trotzdem falsch reagieren und eher der Behörde helfen, ist dabei nicht verwunderlich. Falsch ist es trotzdem. Wenn die Polizei ein Kind mitnimmt, könnt ihr eine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen diesen Realakt am Verwaltungsgericht stellen: Wenn die Polizei nur ankündigt, das tun zu wollen, kann man eine Feststellungsklage ans Verwaltungsgericht stellen.
Ich würde mich freuen, wenn wir erfolgreiche Entscheidungen hierzu sammeln könnten, um in Zukunft rechtsstaatliche Zustände herbeizuführen und sicherzustellen, dass das Jugendamt auch tatsächlich nicht einfach mehr tut was es will und alle anderen schauen zu.
Insbesondere Kindergärten und Schulen können hier erhebliche Probleme erhalten, wenn diese Kinder einfach so mitgeben.
Unzulässige Amtshilfe bleibt unzulässig, auch für die Polizei.
Ein Formular findet Ihr hier, was ihr an die Polizei schreiben könnt, aber bitte anpassen und ergänzen!
Leider hat sich trotz meiner Initiative bisher die Sach- und Rechtslage in Bremerhaven noch nicht herumgesprochen. Herausnahmen durch die Polizei sind per se unzulässig; gerichtliche Beschlüsse vollstreckt der Gerichtsvollzieher (siehe oben).
Gleichwohl schreibt die Polizei in Bremerhaven:
In den sozialen Netzwerken kursiert ein Video eines gemeinsamen Einsatzes des Jugendamtes und der Polizei Bremerhaven, welches mit falschen Behauptungen zu den Gründen der Maßnahme kommentiert wird.
Das Video zeigt einen kleinen Ausschnitt einer gerichtlich angeordneten Inobhutnahme zweier Kinder. Die Polizei hat das Jugendamt bei diesem Einsatz unterstützt. Eine Inobhutnahme von Kindern ist immer das letzte Mittel der Wahl und geschieht nur bei schwerwiegenden Gründen.
Wir bitten um Verständnis, dass wir zum Schutz der Familie und der Kinder keine weiteren Erklärungen zu den Grundlagen dieser Entscheidung abgeben können. Uns ist bewusst, dass das besagte Video emotional aufwühlend ist.
Bitte verbreiten Sie keine falschen Tatsachen und Behauptungen.
Es ist schon frech, Fakenews zu verbreiten und dann zu sagen, andere sollen keine falschen Behauptungen aufstellen. Dass offenkundig in Bremerhaven jegliche Fach- und Sachkunde fehlt bei den freundlichen Herren und Damen in Uniform, ergibt sich schon aus dem Terminus „Inobhutnahme“ und „gerichtlich angeordnet“.
Inobhutnahmen sind Verwaltungshandlungen i.S. §42 SGB VIII und niemals gerichtlich angeordnet. Gerichtliche Entscheidungen hingegen werden eben nicht vom Jugendamt vollstreckt.
Weil ich immer wieder falsche Rechtsfolgenbelehrungen in Familiensachen lese und bei vielen die Unsicherheit groß ist, möchte ich Euch die einstweilige Anordnung und die Rechtsmittelmöglichkeiten vorstellen inkl. einer Besonderheit, die auch Fachanwälte nicht zwingend kennen. Lest einfach mit.
Nur manchmal gibt es das Rechtsmittel der Beschwerde
Gem. §57 FamFG sind nur in manchen Fällen Beschwerden möglich. Insbesondere gibt es bei Umgangsverfahren keine Beschwerdemöglichkeit im Eilverfahren.
Weiter muss man unterscheiden, ob die einstweilige Anordnung nach mündlicher Anhörung oder ohne mündliche Anhörung ergangen ist.
Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und Rechtsmittel
Ist eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen, muss diese Verhandlung nachgeholt werden. Der Antrag auf Durchführung der mündlichen Anhörung oder Terminierung einer solchen tritt dann an Stelle der Beschwerde. §54 Abs. 2 FamFG.
Entscheidung nach mündlicher Anhörung
Nach der mündlichen Verhandlung kann man hingegen das Rechtsmittel der Beschwerde einlegen.
Gemischt mündlich-schriftliches Verfahren und einstweilige Anordung
Recht unbekannt ist eine Ausnahme von den Regeln „ohne mündliche Anhörung Antrag auf mündliche Verhandlung, nach einer solchen Beschwerde“ die aus Richterrecht gebildete gemischt mündlich-schriftliches Verfahrenssituation: Dann soll trotz mündlicher Verhandlung keine Beschwerde möglich sein, soweit die Entscheidung auf Fakten basiert, die nach der mündlichen Verhandlung ermittelt und mitgeteilt wurden (OLG Bamberg FamRZ 20199, 1943, OLG Brandenburg FamRB 2021, 69, OLG Braunschweig FamRZ 2020, 1113).
Ich halte diese Rechtsauffassung für falsch, weil dadurch effektiv eine Beschwerde durch das Amtsgericht verhindert werden kann, dass immer nur noch nach einer Anhörung etwas nachermittelt. Zudem sieht das Gesetz keine Mischform vor.
Rechtsfolgenbelehrung
Zwar sieht das FamFG vor, dass Beschlüsse mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen sind. Diese ist aber oft falsch. Falsche Frist, falsche Beschwerdemöglichkeit, falsches Gericht für die Beschwerdemöglichkeit – habe ich alles dieses Jahr schon gehabt. Und: eine falsche Rechtsfolgenbelehrung schafft keine Rechtschutzmöglichkeit. Das heisst, wenn Beschwerde da steht, aber das Gesetz keine Beschwerde vorsieht, gilt nicht der Vertrauensgrundsatz. Dann ist die Beschwerde unzulässig. Allenfalls bei versäumten Fristen kann man dann Wiedereinsetzung verlangen.
Die Anhörungsrüge in Familiensachen ist ein wichtiges Instrument. Sie ist in §44 FamFG geregelt. Die Anhörungsrüge ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Wir erklären alles wesentliche.
Voraussetzungen Anhörungsrüge
Die Voraussetzungen für eine Anhörungsrüge ist
es darf kein Rechtsmittel mehr zulässig sein (Verfassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel!)
es muss eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör i.S. Art. 103 GG vorliegen
darauf muss die Entscheidung basieren („entscheidungserheblich“)
Diskutiert wird ob normale Rechtsfehler auch mit der Anhörungsrüge angegriffen werden dürfen. Die Rechtsprechung möchte die Anhörungsrüge nur auf Gehörsverletzungen beschränken, ich denke aber dass aus verfassungsrechtlicher Sicht jeder grobe Fehler auch mitgerügt werden kann.
Kein zulässiges Rechtsmittel
Solange ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Anhörung möglich ist, eine Beschwerde oder eine zugelassene Rechtsbeschwerde, solange ist die Anhörungsrüge unzulässig. Normale Rechtsbehelfe gehen der Anhörungsrüge vor, der Rechtsweg muss quasi ausgeschöpft sein.
Verletzung Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. Art. 103 GG verletzt
Zudem muss der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sein. Art. 103 GG lautet:
„Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.“
Rechtliches Gehör meint insoweit nicht nur, dass man die Möglichkeit hat, zu sprechen. Es meint auch, dass grundsätzlich Ausführungen der Parteien zur Kenntnis genommen werden. Allerdings schränkt das die Rechtsprechung wieder ein, weil grundsätzlich davon auszugehen sein soll, dass sich Gerichte immer mit allem auseinandersetzen, selbst wenn es nicht ausdrücklich im Beschluss/Urteil stehen soll. Denn eine solche Pflicht, meint das BVerfG, ergebe sich nicht aus Art. 103 GG, vgl. BVerfG 1 BvR 117/16, BVerfGE 86, 133, BVerfGE 65, 293, BVerfGE 50, 32 und weitere:
“Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren die Gelegenheit, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfGE 1, 418 <429>; 84, 188 <190>; stRspr) und schützt, dass die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden (vgl. exemplarisch BVerfGE 86, 133 <145>). Art. 103 Abs. 1 GG schützt allerdings nicht vor falschen Entscheidungen (vgl. BVerfGE 22, 267 <273>) und legt den Gerichten nicht die Pflicht auf, sich mit jedem Vorbringen in der Entscheidungsbegründung ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfGE 86, 133 <146>). Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Lediglich wenn im Einzelfall aus besonderen Umständen heraus das Gegenteil deutlich wird, kann eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör festgestellt werden (vgl. BVerfGE 65, 293 <295 f.>; 70, 288 <293>; 86, 133 <146>). Es ist ebenso wenig Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, Entscheidungen der Gerichte in jeder Hinsicht auf die Richtigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu kontrollieren (vgl. BVerfGE 11, 343 <349>). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist ebenso nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist (vgl. BVerfGE 22, 267 <273 f.>), einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oderrechtliche Folgerungen beigemessen (vgl. BVerfGE 28, 378 <384>) oder nicht Beweis erhoben hat (vgl. BVerfGE 27, 248 <251>). Das Übergehen eines erheblichen Beweisangebots oder Beweisantrags verletzt Art. 103 Abs. 1 GG, wenn dies aus Gründen erfolgt, die im einschlägigen Verfahrensrecht keine Stütze finden (vgl. BVerfGE 50, 32 <35 f.>; 69, 141 <143 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Dezember 2018 -1 BvR 1155/18 -, Rn. 11). Auch müssen die wesentlichen der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. BVerfGE 47, 182 <189>).13b) Im Hinblick auf die Rüge der Verletzung des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG ist zu beachten, dass ein verfassungsgerichtliches Eingreifen nicht schon bei jeder fehlerhaften Anwendung des einfachen Rechts, sondern nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Gesetzesanwendung begründet noch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Für die Annahme eines Verstoßes gegen das Willkürverbot ist vielmehr erforderlich, dass die Rechtsanwendung krass fehlerhaft und unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 4, 1 <7>; 62, 189 <192>; 67, 90 <94>; 74, 102<127>; stRspr).”“Entgegen der üblichen Vermutung, dass derartiges Vorbringen in der Regel vom Gericht zur Kenntnis genommen und erwogen wird, treten hier jedoch besondere Anhaltspunkte für das Gegenteil zutage: Das klageabweisende Endurteil ist bis auf wenige Abweichungen größtenteils formaler Natur wortlautidentisch mit dem zuvor von einem anderen Richter abgefassten und später vom Oberlandesgericht mit ausführlicher Begründung aufgehobenen Beschluss im Prozesskostenhilfeverfahren. Damit wird aus der Entscheidung selbst und ihren Begleitumständen nicht deutlich, ob sich der im Hauptsacheverfahren entscheidende Richter selbst mit dem Vorbringen und den aufgeworfenen Rechtsfragen, die sich auch im Beschluss des Oberlandesgerichts finden, befasst hat.”“
In rechtlicher Hinsicht ist nicht ersichtlich, dass das Gericht das Vorbringen des Beschwerdeführers, sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und diverser Obergerichte (vgl. neben den bereits genannten nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. November 2012 -2 BvR 1567/11 -, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Oktober 1993 -2 BvR 1778/93 -, juris, Rn. 9; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 -1 BvR 409/09 -, Rn. 31; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. November 2011 -1 BvR 1403/09 -, Rn. 39; vgl. ferner [für eine Einzelunterbringung auf 4,5 m2 ] BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2016 -2 BvR 566/15 -, Rn. 28; weiterhin OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2008 -11 W 78/07 -, juris, Rn. 30; OLG Hamm, Urteil vom 18. März 2009 -11 U 88/08 -, juris, Rn. 48; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 -11 U 88/08 -, juris, Rn. 23) sei seine Haftunterbringung menschenunwürdig gewesen, in dem gebotenen Maße zur Kenntnis genommen und ernsthaft erwogen hat. Das Endurteil greift –wie der fast identische vorgelagerte Beschluss im Prozesskostenhilfeverfahren –diese Frage nicht auf. Zusätzlich hat das Gericht in der Hinweisverfügung zur Anhörungsrüge erkennen lassen, dass es sich nicht an die diesbezügliche Rechtsprechung anderer Gerichte gebunden sehe und die Haftunterbringung auch unter Zugrundelegung des Tatsachenvortrags des Beschwerdeführers nicht als menschenunwürdig ansehe. Dieser pauschale Hinweis auf eine fehlende formelle Präjudizienbindung ist nicht geeignet, zu erkennen zu geben, dass das Landgericht sich in der Sache mit den angeführten Entscheidungen befasst hat. Durch die lapidar gehaltene Zurückweisung der Anhörungsrüge, die keinerlei konkret auf die Sache bezogenen Begründungen enthält, wird dieser Eindruck verfestigt.
19bb) Durch diese Sachverhaltsbehandlung ist zugleich ein Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG gegeben. Es ist kein sachlicher Gesichtspunkt ersichtlich, warum sich das Landgericht selbst im Verfahren zur Anhörungsrüge der zahlreichen zu ähnlichen Haftbedingungen existierenden Rechtsprechung, die der Beschwerdeführer vorgetragen hatte, offenbar verschlossen hat. Ein solches Vorgehen ist unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und rechtfertigt den Schluss auf eine krass fehlerhafte Rechtsanwendung.“
Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes sind sehr sorgfältig, weshalb ich diese Worte so stehen lasse. Allerdings wird verkannt, dass man im Referendariat lernt, ein Urteil so zu begründen, dass der, der verliert, weiss warum er verloren hat und damit eigentlich lege artis eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen wesentlichen Aspekten gefordert wird.
Kern der Rechtsprechung des BVerfG ist es, und darauf müsst Ihr beharren, darzutun, warum in Eurem Fall das Gericht ersichtlich Aspekte nicht zur Kenntnis genommen hat, die aber relevant sind. Das ist dann der Fall, wenn Beweisangebote abgelehnt sind, was aber so verfahrensrechtlich nicht nachvollziehbar ist.
Entscheidungserheblich
Die Rechtsverletzung muss aber auch entscheidungserheblich sein. Ihr solltet also vortragen, wie sich der Fehler auf den Beschluss auswirkt.
Frist
Die Anhörungsrüge muss innerhalb von 2 Wochen erhoben werden nach Zustellung der Entscheidung.
Entscheidung durch dasselbe Gericht/Richter
Über die Anhörungsrüge entscheidet dasselbe Gericht wie im Beschluss/Urteil. Es findet also keine Prüfung durch neutrale andere Richter statt. Entsprechend gering sind die Chancen, weil ein Richter seinen eigenen Fehler einsehen muss und abstellen sollte.
Voraussetzung für Verfassungsbeschwerde
Die Einlegung einer Anhörungsrüge ist Voraussetzung für eine Verfassungsbeschwerde. Ohne eine Anhörungsrüge ist der Rechtsweg nicht ausgeschöpft und die Verfassungsbeschwerde daher unzulässig. Nur unzulässige Anhörungsrügen verlängern nicht die Monatsfrist. In der Regel läuft die Frist für eine Verfassungsbeschwerde erst, wenn über die Anhörungsrüge entschieden ist.
Formular
Ein Formular für eine Anhörungsrüge gibt es für Mitglieder des Vereins Erzengel.