Die Kindesanhörung ist ein elementarer Bereich in Familiensachen. In diesem Beitrag möchte ich zur Grundlage, typischen Fehler und Problemen Stellung nehmen und zur Aufklärung beitragen – auch wenn leider viel durch das Gericht geregelt wird. Manche Probleme liegen auch darin, dass und wie Verfahrensbeistände mit Kindern (nicht) umgehen.
- Kindesanhörung – Die Grundlagen
- UN-Kinderrechtskonvention
- FamFG
- BVerfG
- Recht zur Äußerung in der Kindesanhörung, aber keine Pflicht
- Bedeutung der Kindesanhörung
- Fragen zur Kindesanhörung
- Keine Ausforschung der Kinder
Kindesanhörung – Die Grundlagen
Die Grundlage der Kindesanhörung findet sich in der UN Kinderrechtskonvention, dort Art. 12, im FamFG und auch in Entscheidungen des BVerfG.
UN-Kinderrechtskonvention
Art. 12 CRC lautet:
(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.
Art. 12 CRC
(2) Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden.
FamFG
Im deutschen Recht findet sich die Regelung im FamFG in §159 Abs.1 und 4 FamFG
§159 I FamFG lautet
(1) Das Gericht hat das Kind persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen.
(4) 1Das Kind soll über den Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in einer geeigneten und seinem Alter entsprechenden Weise informiert werden, soweit nicht Nachteile für seine Entwicklung, Erziehung oder Gesundheit zu befürchten sind.
2Ihm ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
3Hat das Gericht dem Kind nach § 158 einen Verfahrensbeistand bestellt, soll die persönliche Anhörung und die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in dessen Anwesenheit stattfinden.
4Im Übrigen steht die Gestaltung der persönlichen Anhörung im Ermessen des Gerichts.
§159 FamFG
BVerfG
In seiner Leitentscheidung 1 BvR 349/80 hat das Bundesverfassungsgericht vorallem die zu ermittelnden Grundlagen konkretisiert:
1 BvR 349/80
- Bindungen des Kindes
- Neigungen
- Wille des Kindes
Natürlich sind das alles auch psychologische Kriterien. Aber letztlich geht es vor allem darum, dass das Kind seine Meinung kund tun kann, gleichzeitig das Gericht aber auch sich vom Zustand des Kindes überzeugen kann.
Recht zur Äußerung in der Kindesanhörung, aber keine Pflicht
Es besteht also nur ein Recht zur Äußerung, keine Pflicht. Hierin liegt dann aber schon die größte Hürde für das Gericht, das im wesentlichen alles selbst gestalten kann: Dem Kind ist die Möglichkeit zu geben sich zu äußern, und das beinhaltet auch das Recht nichts zu sagen (vgl. insoweit Carl in Carl, Clauss und Karle, Kindesanhörung im Familienrecht rechtliche und psychologische Grundlagen sowie praktische Durchführung 2015, S. 33, Rn. 90). Das Gericht muss also damit leben, wenn nichts bei rauskommt (Carl aaO).
Insbesondere sollte dann das Gericht nicht das Kind mit penetranten Fragen fragen und in den innersten Bereich des Kindes eindringen (FamRZ 1990, 1383, 1385).
Bedeutung der Kindesanhörung
Die Kindesanhörung könnte dem Kind die Erfahrung vermittern, dass das Kind als eigene Person respektiert wird, was das Selbstwertgefühl des Kindes stärkt und ihm Selbstvertrauen gibt (vgl. Carl aaO S. 32). Das Kind soll lernen, indem es respektiert wird, andere zu respektieren. Das ist halt ein Problemchen, weil oftmals genau dieser Sinn nicht erreicht wird und Erwachsene vieles nicht erfüllen können oder wollen, weshalb die verfassungsrechtliche Bedeutung leider oft relativ schlecht umgesetzt wird.
Fragen zur Kindesanhörung
Ich darf einige Fragen und Antworten zur Kindesanhörung mitteilen:
Nein. Das Kind muss sich äußern können, wobei Säuglinge oder Kleinkinder altersbedingt sich über Körpersprache äußern.
Kinder und Erwachsene sollten sich immer in der wichtigsten Sprache, ihrer Bindungssprache, austauschen. Das heißt, dass also vor allem ein Dolmetscher verpflichtend sein muss, wenn die Ursprungssprache nicht Deutsch ist.
Ja, wobei persönlich als Kommunikation zwischen zwei Personen bei zeitgleicher Anwesenheit beider Gesprächspartner meint, was m.E. auch Onlinesitzungen ermöglicht.
Das Gericht entscheidet über den Ablauf der Kindesanhörung. Eltern können also zugelassen werden, müssen es aber nicht. Der Zweck der Anhörung, dass das Kind seine Sicht unbeschwert darstellt, muss erreichbar sein.
Das Gesetz sieht nur vor, dass der Verfahrensbeistand (kurz VB) mit anwesend sein soll; dies bedeutet also, dass es durchaus abweichende Regeln geben kann, vor allem aber auch das Kind seinen Wunsch einbringen kann, ohne Verfahrensbeistand auszusagen. Es gilt: Immer wenn ein Kind nicht mehr frei sprechen kann, ist das Setting anzupassen (vgl. Hohmann-Dennhardt in ZfJ 2001, 77, 80). Der Deutsche Familiengerichtstag empfahl von einer Anhörung des Kindes im Beisein des Verfahrensbeistandes abzusehen, wenn das Kind dies wünscht (Arbeitskreis 11 des 19. DFGT, Ziff. 1).
Grundsätzlich sollte dies unterbleiben; das Kind hat ein Recht auf Anhörung, Dritte äußern sich im Termin (Heilmann in Salgo, Zenz, Fegert, Bauer, Lack, Weber, Zitelmann, Rn. 1495)
Um den Zweck der Anhörung nicht zu verfehlen, sollte die Anhörung nicht zu kurz sein (Carl aaO, S. 65)
Leider werden Video- und Tonaufzeichnungen abgelehnt und sind nicht üblich (Carl aaO S. 67). Eine Pflicht auf ein Wortprotokoll gibt es nicht, was (unabsichtliche) Manipulationen ermöglicht.
Keine Ausforschung der Kinder
Das Gericht sollte die Kindesanhörung aber nicht nutzen, um „Beweise“ gegen die Eltern zu erlangen. Auch wenn die Kindesanhörung der Sachaufklärung dient, liegt der Focus darauf, dass das Kind sagt was es denkt und will. Hier können zwar Fragen durch das Gericht hilfreich sein, um dem Kind in der Äußerung zu helfen. Diese sollten aber nicht, und schon gar nicht ohne die Kinder über negative Konsequenzen aufzuklären, den Kindern das Gefühl vermittelt werden, sich gegen die Eltern zu stellen. Das würde einen Loyalitätskonflikt hervorrufen, des es zu vermeiden gibt.