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Sorgerecht

Sachverhaltsaufklärung auch bei einstweiliger Anordnung

Sachverhaltsaufklärung muss auch bei einstweiligen Anordnungen erfolgen. Der Nachweismaßstab mag verringert sein, keine Abklärung ist aber keine Lösung. Denn der Amtermittlungsgrundsatz sowie der Eingriff in Grundrechte sowie die Personensorge als erhebliche Eingriffe sind nur dann zulässig, wenn auch im summarischen (vorläufigen) Verfahren eine möglichst intensive Sachverhaltsaufklärung stattfindet.

Möglichst intensive Sachverhaltsaufklärung

Es muss auch im Eilverfahren eine Sachverhaltsaufklärung stattfinden. Dazu führt das BVerfG in 1 BvR 1202/17 aus:

Im Eilverfahren bemessen sich die Möglichkeiten des Gerichts, das Sorgerecht ohne abschließende Ermittlung des Sachverhalts zu entziehen, einerseits nach dem Recht des Kindes (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG), durch die staatliche Gemeinschaft vor nachhaltigen Gefahren geschützt zu werden, und andererseits insbesondere nach dem Recht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), von einem unberechtigten Sorgerechtsentzug verschont zu bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 22). Weil bereits der vorläufige Entzug der gesamten Personensorge einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Eltern darstellt, sind grundsätzlich auch bei einer Sorgerechtsentziehung im Eilverfahren hohe Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung zu stellen. Soll das Sorgerecht vorläufig entzogen werden, sind die Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung umso höher, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden des Kindes wiegt, in je größerer zeitlicher Ferne der zu erwartende Schadenseintritt liegt und je weniger wahrscheinlich dieser ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 23).

BVerfG 1 BvR 1202/17

Zuzumuten sind insbesondere persönliche Anhörungen, Befragung Fachkräfte und Verfahrensbeistand (Rn.25 BVerfG aaO).

Die Ernsthaftigkeit einer Aussage ist zudem zu prüfen (Rn. 25.)

Dabei ist der Grundsatz der, dass das Gericht nachpflichtgemäßem Ermessen entscheiden, gleichzeitig aber beachten muss, dass das Vorgehen auch geeignet ist, eine zuverlässige Grundlage für die Entscheidung zu erlangen. Das ist die Basis der Sachverhaltsaufklärung.

Das Gericht hat von sich aus – nach pflichtgemäßem Ermessen – die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranlassen und durchzuführen sowie die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Allerdings bestimmt das Fachgericht zugleich – auch in kindschaftsrechtlichen Verfahren – selbst über den Umfang seiner Ermittlungen (vgl. BVerfGE 79, 51 <62>). Das Verfahren muss aber grundsätzlich dazu geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182 f.>).

BVerfG aaO Rn. 28

Sachverhaltsaufklärung nicht bei sofortigem Tätigwerden

Wenn aber ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht, kann eine unzureichende Sachverhaltsermittlung unbedenklich sein:

Die unzureichende Ausermittlung des Sachverhaltes war auch nicht deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich, weil ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden bestanden hätte (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2015 – 1 BvR 1084/15 -, juris, Rn. 25). 

BVerfG aaO, Rn. 27

Abklärung der Gefährdungslage

Das Oberlandesgericht Hamm führt zur Abklärung der Gefährdungslage ergänzend aus:

Entscheidend ist, ob die Gefährdungslage nach Ausmaß und Wahrscheinlichkeit aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse bereits derart verdichtet ist, dass ein sofortiges Einschreiten auch ohne weitere gerichtliche Ermittlungen geboten ist.

OLG Hamm, 13 UF 71/18

Da die Gefährdung des Kindes Voraussetzung ist, muss eine solche mit ziemlicher Sicherheit vorausgesagt werden können, was bedeutet, hierzu muss es Fakten geben:

Materiell-rechtlich ist eine Gefährdung des Kindes als Voraussetzung für dessen räumliche Trennung von den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 3 GG auch im einstweiligen Anordnungsverfahren grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn bei ihm bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.

OLG Hamm, 13 UF 71/18

Bedeutung der Sachverhaltsaufklärung

Die Sachverhaltsaufklärung ist daher elementar auch im einstweiligen Anordnungsverfahren.

Für Euch bedeutet das, möglichst viele Beweismittel schriftlich dem Gericht vorzulegen. Eidesstattliche Versicherung, Beobachtungen, Einlassungen. Je mehr Beweisermittlungen Ihr anregt, desto weniger kann von Seiten der Gerichte einfach so entschieden werden.

Wenn Ermittlungen möglich sind, sind diese durchzuführen. Nur selten wird hingegen die Gefahr so groß sein, dass man hierauf verzichten kann.

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