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Glaubwürdigkeitsbeurteilung ohne gerichtlichen Auftrag

Ein Problem, das ich in vielen Gutachten erlebe ist, dass der Sachverständige eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung ohne gerichtlichen Auftrag vornimmt. Folgenden Satz möchte ich an dieser Stelle beispielsweise für viele Gutachten zitieren:

Die Mutter hat in der Vergangenheit viel Alkohol konsumiert (glaubhafte Aussage des Vaters, Aussage der Tante)

zitiert nach einem Umgangsgutachten aus 2019, anonym

Diese Aussage begegnet vielen Bedenken, die so himmelschreiend sind, dass ich fast gar nicht weiß wo ich anfangen soll.

Glaubwürdigkeitsbeurteilung als ureigene gerichtliche Aufgabe

Die Würdigung von Beweisen ist ureigenste Aufgabe des Tatrichters (zitiert nach Jahn, Grundlagen der Beweiswürdigung und Glaubhaftigkeitsbeurteilung im Strafverfahren, m.w. Nachweisen hier). Er ist hierfür berufen, auch wenn er keine entsprechende psychologische Ausbildung hat oder haben muss. Diese Grundsätze sind ohne Probleme auf alle anderen Richter zu übertragen.

Konkret formuliert der BGH:

Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatgerichts. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass Berufsrichter über diejenige Sachkunde bei der Anwendung aussagepsychologischer Glaubwürdigkeitskriterien verfügen, die für die Beurteilung von Aussagen auch bei schwieriger Beweislage erforderlich ist, und dass sie diese Sachkunde den beteiligten Laienrichtern vermitteln können. Dies gilt bei jugendlichen Zeugen erst recht, wenn die Berufsrichter – wie auch hier – zugleich Mitglieder der Jugendschutzkammer sind und über spezielle Sachkunde in der Bewertung der Glaubwürdigkeit von jugendlichen Zeugen verfügen (BGH, Urteil vom 18. August 2009 – 1 StR 155/09, NStZ 2010, 51, 52).

zitiert nach 1 StR 602/12

Glaubwürdigkeitsbeurteilung nur bei Besonderheiten durch Fachleute

Nur wenn der Fall Besonderheiten aufweist, darf das Gericht ein Gutachten zur Glaubwürdigkeit einholen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Hinzuziehung eines psychologischen Sachverständigen lediglich dann geboten, wenn der Sachverhalt Besonderheiten aufweist, die Zweifel daran aufkommen lassen, ob die eigene Sachkunde des Tatgerichts zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den konkret gegebenen Umständen ausreicht (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 12. November 1993 – 2 StR 594/93, StV 1994, 173; BGH, Beschluss vom 25. April 2006 – 1 StR 579/05,NStZ-RR 2006, 242, 243). Solche Umstände können gegeben sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erinnerungsfähigkeit einer Beweisperson aus besonderen, psychodiagnostisch erfassbaren Gründen eingeschränkt ist oder dass besondere psychische Dispositionen oder Belastungen – die auch im verfahrensgegenständlichen Geschehen selbst ihre Ursache haben können – die Zuverlässigkeit der Aussage in Frage stellen könnten, und dass für die Feststellung solcher Faktoren und ihrer möglichen Einflüsse auf den Aussageinhalt eine besondere, wissenschaftlich fundierte Sachkunde erforderlich ist, über welche der Tatrichter im konkreten Fall nicht verfügt (BGH, Urteil vom 26. April 2006 – 2 StR 445/05, NStZ-RR 2006, 241 mwN).

zitiert nach 1 StR 602/12

Zusammenfassend kann das (nicht abschließend) in folgenden Konstellationen der Fall sein:

  • Tat liegt sehr lange zurück: Bei Taten, die längere Zeit zurückliegen,  sollte die Erinnerungsfähigkeit eines Zeugen genauer geprüft werden;
  • Psychische Krankheit des Zeugen: Die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens ist bei Vorhandensein einer psychischen Erkrankung (Depressionen etc.) eines Zeugen anzunehmen, so auch der Bundesgerichtshof;
  • Junge Zeugen: Das junge Alter eines Zeugen ist ein Umstand, der die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens notwendig macht. Dies geschieht vor allem bei Sexualdelikten an Kindern oder Jugendlichen;
  • Zeugen, die bei ihrer Aussage unter Alkohol oder Drogen standen;
  • Zeugen, die widersprüchliche Aussagen gemacht haben.

Sachverhaltsermittlung ist richterliche Aufgabe

In den allermeisten (auch familienrechtlichen) Verfahren liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Die richterliche Entscheidungsfindung, deren ureigenste Aufgabe auch die Glaubwürdigkeitsbeurteilung ist, kann aber niemals (als Ausfluss der Amtsermittlungspflicht) auf den Sachverständigen übertragen werden (vgl. OLG München Familiensenate Augsburg, 30 UF 232/15):

Zugleich und parallel hierzu wird das Amtsgericht unverzüglich u.a. die weiteren nach § 26 FamFG von Amts wegen erforderlichen umfangreichen Ermittlungen – insbesondere die Anhörung der Zeugen für den vorliegenden Einzelfall – durchzuführen haben. Insbesondere auch die Anlage von Zweitakten bzw. Drittakten dürfte zwingend geboten sein, um alle möglichen und notwendigen Maßnahmen durch Durchsetzung des Beschleunigungsgebotes effektiv zu ergreifen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die nach § 26 FamFG dem Gericht obliegende Verpflichtung nicht allein auf den Sachverständigen delegiert werden kann.

OLG München Familiensenate Augsburg, 30 UF 232/15

Das ist nicht nur für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung relevant, sondern insbesondere weil das OLG zurecht darauf hinweist, dass die Grundlagen dieser Beurteilung (Zeugenaussagen) durch das Gericht und nicht durch den Sachverständigen einzuholen sind.

Unverwertbares Gutachten bei falschen Anknüpfungstatsachen

Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seiner, von mir bis zum Exzess, zitierten Rechtsprechung BGH XII ZB 68/09 Rn. 42 festgestellt:

Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Beschwerdegericht allerdings die seitens des Amtsgerichts veranlasste Stellungnahme des psychologischen
Sachverständigen, wonach das Kind aus psychologischer Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zur Mutter zurückgeführt werden sollte, unberücksichtigt gelassen. Die Ergebnisse der Begutachtung konnten schon deshalb nicht ohne weiteres in die Würdigung einbezogen werden, weil der Sachverständige teilweise unzutreffende bzw. ungeklärte Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hatte.

BGH XII ZB 68/09 Rn. 42

Es ist Aufgabe des Gerichtes, die Tatsachen zu klären, nicht des Sachverständigen. Das ist Fundament unseres Rechtsstaates. Ausnahmen gibt es hierzu nicht. Wenn es darauf ankommen würde, kann der Sachverständige alternativ entscheiden (wenn das Gericht die Glaubwürdigkeit des Vaters annimmt, dann …, wenn es die Unglaubwürdigkeit des Vaters annimmt, dann …) oder eine Erweiterung des Beweisauftrages anregen. Er kann diesen Auftrag aber nicht selber erweitern.

Wenn der Gutachter über den Beweisbeschluss hinausgeht

Eine eigenständige Überschreitung des Beweisbeschlusses kann dazu führen, dass ein Sachverständiger befangen ist. Hierzu führt das OLG Naumburg aus:

Das Verhalten eines Sachverständigen kann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn er über das Beweisthema und den Gutachtenauftrag hinausgeht, ohne zuvor gegenüber dem Gericht eine Ergänzung des Beweisbeschlusses angeregt zu haben. In diesem Zusammenhang gilt: Mehrere Gründe, die für sich betrachtet (noch) nicht ausreichen, können in ihrer Gesamtschau der ablehnenden Partei berechtigterweise Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu zweifeln.

zitiert nach OLG Naumburg, 10 W 69/11

Hieraus sieht man eindeutig, dass vorab ein Antrag auf Ergänzung des Beweisbeschlusses zu beantragen ist. Zudem verstößt dieses Vorgehen am Richter und der Partei vorbei gegen Beweisunmittelbarkeit und Parteiöffentlichkeit (deren Anwendbarkeit im FamFG Verfahren aber umstritten sind).

Ein solcher Gutachter sollte daher dann abgelehnt werden, wenn dieses Vorgehen negative Schlüsse auf die betroffene Person zieht.

Fazit: Keine Glaubwürdigkeitsbegutachtung ohne entsprechenden Beweisbeschluss

Es darf daher keine Glaubwürdigkeitsbeurteilung ohne gerichtlichen Auftrag (Ergänzung des Beweisbeschlusses) geben. Hierdurch wird die richterliche Entscheidungsfindung auf den Sachverständigen übertragen, was unzulässig ist. Ein solcher Sachverständiger macht sich damit unglaubwürdig, er ist nicht mehr neutral und befangen. Er macht sich zudem schadensersatzpflichtig nach §839a BGB.

Richter sollte man immer auf ihre Aufgaben hinweisen.

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Du benötigst Hilfe beim Gutachten anfechten?

Du oder Dein Anwalt, Ihr wisst beide nicht wie Ihr mit dem Gutachten umgeht? Wie man sowas anfechten kann? Da habe ich die Lösung für Euch: Meine Gutachtensrezension, eine rechtlich-sachliche Analyse als Rechtsgutachten -> Hilfe beim Gutachten anfechten

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Gutachten Recht allgemein

Was ist eine symbiotische Mutter Kind Beziehung

Immer häufiger verwenden Jugendamtsmitarbeiter psychologische Begriffe, die sie selber nicht verstehen und für die sie weder Ausbildung noch Fachkompetenzen haben, um Eltern und insbesondere Mütter zu diskreditieren. Da gibt es den Vorwurf einer Borderline-Störung, die zu Sorgerechtsentzug führen soll – obwohl es dazu keinerlei allgemeine medizinische Grundlage gibt. Das ist aber auch immer öfter die sogenannte symbiotisch Mutter Kind Beziehung. Was aber ist eine solche kranke Beziehung eines Elternteils zu seinem Kind?

Und liegt so etwas wirklich vor? Wer entscheidet das? Und woran?

Wir nähern uns diesem Thema an.

Die symbiotische Mutter Kind Beziehung

Ein Bericht des NDR über eine solche zu enge Mutter Kind Beziehung hat die symbiotische Beziehung in den Vordergrund der Öffentlichkeit gerückt. Dabei wird in dem Artikel eigentlich alles falsch gemacht und Probleme vermengt: Überschrift und Inhalt divergieren, alles wird pauschaliert und die Lösung im Gutachten gefunden. Statt mit der Symbiose setzt man die (wissenschaftlich umstrittenen) Diagnose Eltern-Kind-Entfremdung (PAS, Parental Alienation Syndrome) mit der zu engen Mutter Kind Beziehung gleich. PAS bezeichnet aber nach Gardener eine anhand von 8 Symptomen definierte psychische Situation und hat direkt nichts mit der symbiotischen Mutter Kind Beziehung zu tun. Der Artikel ist daher nicht zu gebrauchen.

Symbiose ist in der Biologie das Zusammenleben von Lebewesen verschiedener Art zu gegenseitigem Nutzen. Eine Symbiose ist also grundsätzlich nichts schlimmes. Es ist also schon eine Umkehrung natürlicher Gegebenheiten ins Negative, zu behaupten das wäre alles schlecht und würde einem Kind schaden.

Auch bei Menschen ist Symbiose erst einmal etwas natürlich. Das Kind im Bauch ist naturgemäß eins mit der Mutter. Emotionen übertragen sich usw.

Später, wenn sich die Entwicklung trennt, ist Symbiose immer noch etwas normales. Kinder fühlen mit den Eltern, ahmen diese nach. Kinder lernen durch nachahmen.

Um diese normale und gesunde Symbiose zu pervertieren, wird daraus einfach eine „zu enge“ Mutter Kind Bindung, also etwas negatives.

Wann wird eine Beziehung krankhaft?

Die philosophische Frage ist, ob es so etwas wie eine zu enge Beziehung geben kann. Gute Bindungen und Beziehungen haben große Vorteile, Vertrauen, Offenheit. Mit zu enger Beziehung meinen Jugendamt-Mitarbeiter aber, dass dies die Entwicklung des Kindes zu einer eigenständigen Persönlichkeit verhindert wird.

Das ist aus verschiedener Sicht kritikwürdig, wenn auch im Grundsatz richtig.

Natürlich muss eine Erziehung darauf abstellen, dass ein Kind sich selbst entwickelt. Andererseits lernen Kinder am Meisten durch Nachahmung ihrer Eltern. Eine wissenschaftlich exakte Grenze gibt es nicht, und zudem kann niemand die Entwicklung des Kindes beurteilen, bevor diese abgeschlossen ist.

Unbestimmte Begriffe wie Vernachlässigung oder zu enge Beziehung sind bei Jugendämtern hoch im Kurs: Denn man kann im Nachhinein die Bewertung und die Tatsachengrundlage beliebig erweitern. Fair ist das nicht. Aber das Problem liegt viel zu oft eben in genau der Sachverhaltsklärung.

Klärt Eure Anknüpfungstatsachen!

Da sind wir wieder bei dem altbekannten Problem der Anknüpfungstatsachen. Diese muss das Gericht klären, Behauptungen des Jugendamtes reichen nicht aus. Hier müsst ihr ansetzen und nachhaken. Das Jugendamt darf nicht mit solchen Behauptungen durchkommen.

Solche Nachrichten sind gefährlich

Nachrichten wie dieser oben zitierte Bericht sind auch aus anderer Sicht gefährlich. Weil Gutachten als Positivlösungen verkauft werden. Gutachten, bei denen Mindestanforderungen nicht eingehalten sind? Hier besteht ein erhebliches Risiko.

Weil Gutachten oft schlecht sind.

Insbesondere wenn der Gutachter diese Diagnostik oder Begriffe ungeprüft übernimmt.

Wenn der Sachverständige nicht qualifiziert ist.

Hier beginnt natürlich der schwierige Bereich. Soll ich vortragen oder nur kritisieren? Niemand muss seine Erziehungsfähigkeit beweisen. Deshalb ist es an Euch, dass ihr erst einmal einfordert, dass man diesen Begriff konkretisiert.

Verfolgt alle Falschbehauptungen amtshaftungsrechtlich oder straf-/verwaltungsrechtlich.

Ich warne vor blindem Folgen solcher Medienberichten. Das wäre grob fahrlässig und gefährlich. Insbesondere da er Gutachten idealisiert. Und das Risiko „Zufall“ im Ergebnis verschweigt. Zudem werden Begrifflichkeiten und Probleme vermengt.

Familienverfahren sind oft einzelfallbezogen

Vermengungen machen hier oft keinen Sinn. Jeder Fall ist anders. Ob Manipulation eines Kindes vorliegt, kann man ggf. belegen oder auch nicht. Das ist Tatsachenfrage. Ob ein Kind in der Entwicklung beeinträchtigt ist oder nicht, das ist eine Tatsachenfrage. Wir brauchen dazu rechtlich keine Gutachten oder psychologisch-psychiatrische Begriffe wie Mutter-Kind-Symbiose oder Elternentfremdung. Wir brauchen eine ordentliche Ermittlung des Sachverhaltes, Tatsachenfeststellungen und mehr. Wir brauchen keine Menschen, die zum Schaden von Eltern und Kindern Begriffe verwenden, die sie selber nicht definieren können.

Wir brauchen endlich eine konsequente Anwendung des Rechts.

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Mindestanforderungen Sachverständigengutachten prüfen

Weil ich da gerade so einen Crush in Wuppertal habe, wird es an der Zeit sich mit dem Thema Mindestanforderungen Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen und insbesondere mit der Pflicht eines Richters/Anwalts, das Einhalten dieser Anforderungen zu prüfen.

Eigentlich heißt es ja Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht. Die aktuelle Version findet ihr z.B. beim Bundesjustizministerium (hier).

Mindestanforderungen und Qualitätsstandards

Diese Mindestanforderungen sind keine verbindlichen Rechtskategorien. Sie sind kein Gesetz. Trotzdem belegen diese Standards, wie ein Gutachten auszusehen hat, um den fachlichen Anforderungen an ein familienpsychologisches Gutachten zu entsprechen.

Neben den Mindestanforderungen gibt es auch noch Qualitätsstandards für psychologische Gutachten, die weitgehend ähnliche Inhalte aufweisen (hier).

Die Mindestanforderungen und die Qualitätsstandards zeigen beide auf, wie ein prüffähiges und wissenschaftlich akkurates Gutachten auszusehen hat.

Was ist Prüffähigkeit bei Mindestanforderungen Sachverständigengutachten

Prüffähigkeit ist ein althergebrachter Rechtsbegriff. Jede Rechnung muss prüffähig sein, jede Nebenkostenabrechnung, jeder Bescheid. Das meint, dass die Grundlagen erkennbar sind aus sich selbst heraus, dass man nachvollziehen muss wie der Aussteller zu einem Ergebnis kommt und so weiter. Leider werden diese Aspekte im Familienrecht einfach über Bord geworfen und „nur“ einem Ergebnis vertraut.

Was sind nun die Mindestanforderungen Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht?

Das Gutachten muss wissenschaftlich methodisch sein (S. 6 der Mindestanforderungen) und nachvollziehbar und transparent (S. 7). Insbesondere letzteres ist wichtig: Denn nur wenn ein nachvollziehbares Gutachten vorliegt (prüffähig!), kann das Gericht und Euer Anwalt seinen Job machen.

Eine wichtige Rolle spielen hier die Anknüpfungstatsachen, die das Gericht zu klären hat.

Rechtliche und psychologische Fragestellungen

Der erste und wichtigste Schritt ist es, die rechtliche Fragestellung (der Beweisbeschluss) in eine psychologische Fragestellung zu übersetzen. Nur wenn dies akkurat erfolgt, kann der Gutachter die Beweisfrage beantworten. Hierbei muss auch darauf geachtet werden, dass der Sachverständige nicht die Rechtsfragen beantwortet!

Sachkunde

Der Gutachter muss seine Sachkunde darlegen. Das impliziert eben eine klare Aussage, warum er in der Lage ist, dieses Gutachten zu schreiben. Auch dies muss ggf. prüfbar sein durch Angaben im Gutachten (Diplom, Approbation o.a.) Auch sollte die Erfahrung erkennbar sein.

Tipp: Googled im Internet nach dem / der Gutachter(in)!

Fortbildung

Ein Gutachter muss sich ebenso wie die Juristen fortbilden, um auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen. Diese können sich ja ändern.

Welche einzelnen Schritte muss der Gutachter in welcher Reihenfolge prüfen?

Hierzu halten die Anforderungen ab S. 11 folgendes vor:

  • Auftragsannahme
  • Aktenanalyse
  • Fragestellung formulieren
  • Untersuchungsplanung
  • Durchführung der Untersuchung
  • Interpretation der Untersuchung und Ergebnisse
  • Antwort auf die Frage des Gutachters

Bei der Auftragsannahme muss geprüft werden, ob man den Fall fachlich und ethisch vertreten kann.

Die Aktenanalyse erfolgt am Anfang. Ich halte es aber für systematisch falsch, die Akte vor Klärung der Fragestellung zu analysieren. Denn wonach analysiere ich ohne eine konkrete Fragestellung?

Die Untersuchungsplanung muss vor Beginn der Untersuchung erfolgen, und zwar nachvollziehbar unter Benennung der Methoden und Begründung der Auswahl.

Die Durchführung der Untersuchung muss wieder transparent sein und den Eltern und Kindern alles erklären.

Die Interpretation muss prüffähig sein und mit Quellen belegt sein.

Schriftliche Gutachten: Anforderungen formeller Art

Formelle Anforderungen findet ihr auf S. 13 der Mindestanforderungen. Dies sind

  • Seitennummerierung
  • Aktenzeichen des Gerichtes
  • Nennung Auftraggeber
  • Nennung der eigenen Qualifikation
  • Nennung des Beweisbeschlusses
  • Nennung der Methoden
  • Nennung der Untersuchungstermine mit Zeit, Datum und Ort und Dauer
  • Befundquellen
  • Literatur
  • Unterschrift unter das Gutachten durch den Sachverständigen

Was der Richter zu prüfen hat

Die Mindestanforderungen erhalten auf S. 22 ff. Prüfungen, die der Richter durchzuführen hat (als Fragen formuliert, weil kein Gesetz). Hierauf könnt ihr insistieren und Euren Anwalt einschießen.

Überfordert mit der Prüfung?

Dann habe ich hier etwas für Euch:

FAQ zu Mindestanforderungen Sachverständigengutachten

Wann ist ein Gutachten prüffähig?

Ein Gutachten ist dann prüffähig, wenn das Gericht und die Parteien die Nachvollziehbarkeit der Schlüsse im Gutachten, der getroffenen Ergebnisse, der Richtigkeit der Wertungen eigenständig kontrollieren kann.

Muss einem Gutachten der Test und die Testergebnisse psychologischer Tests beigefügt sein?

Tests und Testergebnisse müssen beiliegen. Ohne diese Unterlagen ist nicht prüfbar, ob die Ergebnisse richtig in das Gutachten aufgenommen sind und richtig ausgewertet sind.

Muss ein familienpsychologisches Gutachten wissenschaftlich sein?

Ja. Ein solches Gutachten ist eine wissenschaftliche Leistung, die nach anerkannten Methoden Aussagen zu konkreten Fragen stellt. Sie ist daher eine wissenschaftliche Leistung, die den selben wissenschaftlichen Anforderungen genügen muss.

Wie erfolgt die Aktenanalyse?

Die Gerichtsakte muss systematisch analysiert werden.

Nach welchen Regeln erfolgt eine Exploration und Verhaltensbeobachtung?

Sie erfolgt nach einem systematischen Gesprächsleitfaden oder einem erfassten und ausgewerteten Kategoriensystem

Muss ein Gutachten ein Literaturverzeichnis haben?

Ein familienpsychologisches Gutachten muss ein Litertaturverzeichnis haben. Damit muss belegt sein, dass verschiedene aktuelle wissenschaftliche Quellen genutzt wurden.

Muss das Gutachten konkrete Zitate mit Quellenangaben versehen oder reicht ein Literaturverzeichnis?

Nur wenn eine konkrete Theorie, eine konkrete Interpretation oder ein Schluss des Gutachters mit einer konkreten Quellenangabe versehen ist, ist das Gutachten prüffähig. Ein interessierter Richter muss nämlich die Chance haben, auch hier zu prüfen ob die Aussagen des Sachverständigen stimmen

Welche psychologischen Tests erfüllen die Gütekriterien?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Hierzu gibt es Fachliteratur (siehe dieses Video)

Muss der Richter die Einhaltung der Mindestanforderungen prüfen?

Ja, siehe S. 22f. der Mindestanforderungen. Nicht prüffähige Gutachten sind unverwertbar.

Vielen von Euch hat auch mein Buch „Fehler in Gutachten erkennen“ geholfen:

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ISBN-13: ‎ 979-8634221892 (Amazon)

Weitere Informationen findet ihr im Artikel Gutachten anfechten.

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Der richtige Beweisbeschluss in Kindschaftssachen

Oft wird die Wirkung eines Beweisbeschlusses in Sorgerechtsstreiten und Verfahren nach §1666 BGB verkannt. Viele Anwälte sehen weder Probleme noch wissen sie, wie man die Probleme angeht. An dieser Stelle darf ich den richtigen Beweisbeschluss in Kindschaftssachen vorstellen mit Negativ- und Positivbeispielen.

Schriftlicher Beweisbeschluss in Kindschaftssachen

Vorneweg: Viele wissen gar nicht, dass es einen schriftlichen Beweisbeschluss gibt. Haltet bitte Eure Anwälte an, alles an Euch weiterzuleiten. Das Gericht erlässt den Beweisbeschluss schriftlich. In diesem ist der Beweisbeschluss und der konkrete Sachverständige benannt.

Falsche Beweisbeschlüsse

Falsche Beweisbeschlüsse sind manchmal der Schlampigkeit geschuldet, oft weil man es nicht besser weiß und teils einfach auch einer Voreingenommenheit. Da sich der Sachverständige penibel an den Beweisbeschluss halten muss, führt dies zu einer verfahrensmanipulierenden Wirkung – egal ob gewollt oder ungewollt. Ich darf Euch ein paar unmögliche Beweisbeschlüsse vorstellen:

Der voreingenommene Beweisbeschluss

Ein hervorragendes Beispiel für einen voreingenommenen Beweisbeschluss finden wir in Sachen Carola Koch und deren Sohn Tilmann.

„Wer nur nach den Fehler der Mutter fragt, verkennt das Wesen des §1666 BGB und hat von Familiengericht keine Ahnung – egal ob Amtsgericht oder Oberlandesgericht“

Michael Langhans

Der Beweisbeschluss lautet:

Es soll ein familienpsychologisches Saohverständigengutachten eingeholt werden über folgende Fragen:

  • Besteht die Bereitschaft und die Fähigkeit der Kindesmutter, die Versorgung und Erziehung des Kindes Tilmann unter Berücksichtigung etwaiger besonderer Anforderungen des Kindes zu gewährleisten und ggf. eigene Belange zurückzustellen?
  • Ist bereits eine Schädigung des Kindes eingetreten oder besteht gegenwärtig schon eine Gefahr in einem solchen Maß, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt?
  • Von welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit sind die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes?
  • Gibt es andere Hilfs- und Unterstützungsangebote, die geeignet sind, die Gefährdungen abzuwenden, ggf. welche?
  • Ist díe Kindesmutter bereit und in der Lage, diese anzunehmen und umzusetzen, sodass eine Gefährdung nicht mehr besteht?
  • Welche Vorstellungen hat das Kindvon dem Verhältnis zu seiner Mutter und wie sind diese unter dem Aspekt der Zielorientierung, Intensität. Stabilität und Autonomie zu bewerten?
  • In welchem Umfang und in welcher Form können bzw. sollten Umgangskontakte zwischen dem Kind Tilmann und seiner Mutter stattfinden?
  • Besteht durch die Durchführung von Umgangskontakten eine Gefahr von körperlichen und seelischen Schäden für das Kind?
  • Kann diese Gefahr durch einen begleiteten Umgang oder durch andere Maßnahmen abgewendet werden, ggf. durch welche?
  • lst ein Umgangsausschluss erforderlich? Wenn ja, für welchen Zeitraum?

Quelle: GefahrvonInnen.de

Was hier auffällt: Die Einseitigkeit verkennt sowohl die Rechtsfrage, was dem Kind gut tut. Es verkennt vorallem aber auch, dass bei einer Inobhutnahme, die durchgeführt ist (!), negative Aspekte des Amtes auch zu hinterfragen sind. Und letztlich verkennt dieser Beweisbeschluss, dass wenn man erst nach Beeinträchtigungen fragt, dass man dann keine Gründe für einen §1666 BGB bisher hat. Und genau das ist der Kern des Problems.

Der naive Beweisbeschluss

Ein weiteres Beispiel ist folgendes:

  • Bestehen bei der Kindesmutter Defizite hinsichtlich der Erziehungseignung?
  • Wenn ja, gebieten diese Defizite bei der Erziehungseignung den Entzug der elterlichen Sorge oder von Teilen der elterlichen Sorge oder bestehen mildere Mittel, um diesen Defiziten zu begegnen?

Das Gericht fragt hier nach einem Beschlusstenor. Abgefragt werden rein rechtliche Fakten. Denn ob ein Entzug der elterlichen Sorge gerechtfertigt ist und ob mildere Mittel bestehen, muss das Gericht entscheiden.

Der Sachverständige hat keine Rechtsfragen zu beantworten.

Michael Langhans, Herausgeber

Man kann allenfalls fragen welche Möglichkeiten der Problembeseitigung es gibt. Auch hier gilt: Wer nach dem Bestehen von Defiziten fragt, belegt dass er keine Argumente im Moment hat, so dass es versteckt die Bitte ist einen Grund zu finden. Ergänzend muss sich freilich auch das Gericht Gedanken nach milderen Mitteln machen.

Der faule Beweisbeschluss

Der (nur von mir so genannte) faule Beweisbeschluss gibt letztlich nur das Gesetz wieder. Ein Beispiel hierzu lautet:

  • Es soll zur Frage, welche Sorgerechtsreglung und Aufenthaltsregelung dem Kindeswohl am besten entspricht, ein familienpsychologisches Fachgutachten eingeholt werden.

Das Gesetz lautet in §1671 BGB:

(1) (…)Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

(…)

2.zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

§1671 BGB

Der Beweisbeschluss ist also nur die Wiedergabe des Gesetzes, quasi Copy & Paste. Der Sachverständige hat dabei zu freie Hand.

Der richtige Beweisbeschluss

Im Familien-Recht-Berater lässt sich Rechtsanwalt Bergmann recht umfangreich ein (hier). Meine eigene Meinung ist im Buch Fehler in Gutachten erkennen ausgeführt:

Bergmann schreibt:

1. Welche Belastungen und welche Vorteile sind für das psychische, physische oder seelische Wohl des Kindes zu erwarten, wenn … 

Lässt sich aus fachlicher Sicht begründen, dass einzelne dieser Faktoren für das psychische, physische oder seelische Wohl des Kindes jeweils schwerwiegende Bedeutung haben?  

2. Welche Faktoren werden voraussichtlich in welcher Intensität bei Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil jeweils vorteilhaft oder belastend auf die gesunde sowie psychisch und emotionale Entwicklung des Kindes wirken 

Bergmann in Der Familien-Rechts-Berater 9/2016, S. 364-372

Diese Formulierung ist sehr kindeswohlbezogen. Rechtsbegriffe und parteiische Formulierungen werden vermieden. Es werden alternative Ausführungen gefordert, um dem Richtervorbehalt zu genügen. Das führt freilich dazu, dass die Richter selber mehr abwägen müssen, was nicht unbedingt auf Gegenliebe stößt.

Eine neutralere Formulierung ist auch, wenn auch nicht so perfekt, „welche Regelung der elterlichen Sorge entspricht dem Wohl des Kindes am Besten“. Einschränkende Formulierungen, die ein Wechselmodell ausschließen wie „welche Übertragung der Sorge auf welchen Elternteil entspricht dem Wohl des Kindes am Besten“.

Im obigen Fall Tilmann hatten wir daher folgende Regelung angeregt:
„1.
Welche Belastungen und welche Vorteile sind für das psychische, physische oder seelische Wohl
des Kindes Tillmann zu erwarten, wenn es einerseits bei der Mutter lebt und andererseits sich in
staatlicher Obhut befindet.
Lässt sich aus fachlicher Sicht begründen, dass einzelne dieser Faktoren für das psychische,
physische oder seelische Wohl des Kindes jeweils schwerwiegende Bedeutung haben?
Welche Auswirkungen auf das Wohl des Kindes haben die Pläne gem. des Antrags der Mutter auf
Rehabilitation und Unterstützung und welche Änderungen sind auf den lst-Zustand bei
konsequenter Umsetzung zu erwarten?
2.
Welche Faktoren werden voraussichtlich in welcher Intensität bei Entziehung des Sorgerechtes
vorteilhaft oder belastend auf die gesunde sowie psychisch und emotionale Entwicklung des
Kindes wirken? Wie verhält es sich bei einer Rückübertragung?
3.
Aus welchen Gründen besucht das Kind- nach wie vor keine Schule.
4.
Welche Auswirkungen auf das Wohl des Kindes hat der Konflikt zwischen Iugendamt und
Mutter?
5.
von der Mutter geplanten und initiierten Mittel geeignet, das Wohl von Tillmann
gewährleisten?
vom Jugendamt geplanten und initiierten Mittel geeignet, das Wohl von Tillmann
gewährleisten?“

Quelle hier

Teilweise hat das OLG dem abgeholfen, weil die fehlende Neutralität anerkannt wurde. Ob man dann an dieser Stelle bis zum Ende streitet oder nicht einen akzeptableren Kompromiss anstrebt, auch um keine Kindesentfremdung zu provozieren, muss jeder für sich entscheiden.

Der Fachstandards entsprechende Beweisbeschluss

Dank meinem Freund Ruwen Mickan habe ich noch eine weitere, eigentlich selbstverständliche, Ergänzung des Beweisbeschlusses für Euch:

„Das Gutachten soll unter Berücksichtigung der relevanten Fachstandards erstellt werden“

vgl. z.B. AG DLG/Donau, 1 F 365/21

Ok, ich räume ein, dass das sinnloser Formalismus ist. Oder doch nicht? Natürlich schadet es nicht, hierauf den Finger zu legen. Es ist ein Zeichen der Prüffähigkeit und der Qualität des Gutachtens, wenn dies zur Bedingung gemacht wird. Und deshalb finde ich das eine gute Ergänzung, die in jeden Beweisbeschluss eingebaut werden sollte. Ich selber würde es noch deutlicher auf die Mindestanforderungen hin formulieren:

„Das Gutachten hat unter Berücksichtigung der Fachstandards Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht erstellt zu werden.“

Michael Langhans, Volljurist

Es gibt keinen Grund, hierauf zu verzichten. Damit müssen die Richter auch Farbe bekennen, ob Sie sich zu den wissenschaftlich fundierten Anforderungen bekennen oder ob sie einfache Gutachten vom „Stammtisch“ präferieren. Ein Richter, der sich weigert, dies auszuformulieren, kann befangen sein.

Gegenvorstellung und Beweisbeschluss

Ein Rechtsmittel bei falschem Beweisbeschluss gibt es nicht. Die Gegenvorstellung ist nur eine Anregung. Auch Befangenheitsgesuche verzögern oft nur das Verfahren. Trotzdem kann eine Gegenvorstellung erfolgreich sein. Viele Anwälte kennen diese Möglichkeit aber nicht.

Sind alle Beweisbeschlüsse falsch?

Technisch betrachtet sind alle Beweisbeschlüsse falsch, weil sie das Wohl des Kindes ignorieren und oft einseitig den Nachweis einer KWG bereits voraussetzen. Veile Richter wollen eine schnelle rechtliche Lösung und diese auf den Sachverständigen abgeben. Das ist unzulässig. Unbestimmte Begriffe wie Erziehungsfähigkeit sollten im Beweisbeschluss vermieden werden, stattdessen das Wohl des Kindes in den Vordergrund gestellt werden. Beweisbeschlüsse sollten zudem dem Richter die Möglichkeiten offen lassen, wie er entscheidet. Das wird mit einengenden Beweisbeschlüssen verhindert.

Sendet mir Eure Beweisbeschlüsse

Sendet mir Eure Sachverständigen-Beweisbeschlüsse. Wir können damit eine Sammlung schlechter und guter Formulierungen starten, was uns allen helfen kann.

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Gutachten

Ablauf psychologisches Gutachten nach FamFG

Viele fragen sich immer, was mit einem Gutachten auf sie zukommt. Die Diskussion, ob man teilnehmen soll oder nicht, ist alt und komplexer als man denkt. Diese Frage soll hier auch nicht diskutiert werden – sondern dort. Dieser Artikel soll denen eine Orientierung geben, was so ein Gutachten ist, was auf die Menschen zukommt und wie es abläuft. Der Ablauf psychologisches Gutachten nach FamFG wurde von mir erschreckender Weise bisher mit keinem Video erklärt – was ich hiermit nachgeholt habe:

Ablauf psychologisches Gutachten – Beweisbeschluss

Zuerst braucht es einen Beweisbeschluss durch das Familiengericht. In diesem wird ein konkreter Sachverständiger benannt. Beachten: Auch diesen Beweisbeschluss kann man anfechten und sollte es auch tun, wenn er fehlerhaft ist (lest hierzu mehr hier zum Beweisbeschluss anfechten und hier, wie ein richtiger Beweisbeschluss aussehen sollte).

Gutachter meldet sich bei den Eltern

Der Gutachter meldet sich dann irgendwann bei den Eltern schriftlich oder telefonisch. Er wird sich vorstellen und Termine vereinbaren. Damit beginnt dann das Gutachten. Teilweise wird in dieser Phase des Gutachtens bereits ein Teil der Begutachtung erklärt.

Aufklärung und Erklärung

Als Erstes erfolgt dann der Hinweis auf die Freiwilligkeit der Teilnahme am Gutachten, bevor dann der Gutachtensplan vorgestellt wird. Dies ist wichtig: Der Gutachter muss vorab erklären, wie er vorgehen wird, welche Tests und Gespräche notwendig sind, insbesondere mit wem er noch spricht ausser den Eltern und Kindern. Ggf. muss er später, wenn das Gutachten es erfordert, diesen Plan anpassen. Wichtig ist nur, dass es einen Plan vor dem eigentlichen Gesprächsbeginn gibt und das auch kommuniziert wird. Fragt nach, wenn ihr etwas nicht versteht oder besser wissen wollt.

Hierzu gehört auch die Aufklärung über den Beweisbeschluss, also die Beweisfrage, die zu beantworten sein wird.

Die drei Säulen der familienpsychologischen Begutachtung

Dann geht es los. Jedes Gutachten besteht aus drei Bestandteilen, die nur in Ausnahmefällen reduziert sein können: Exploration der Eltern, Exploration der Kinder und Interaktionsbeobachtung. Die Exploration der Eltern und Kinder gliedert sich noch in Gespräche und Testierungen.

Wie genau der Sachverständige vorgeht, entscheidet er selbst.

Nebenaspekte

Weiter muss der Sachverständige die Akten analysieren und darf gegebenenfalls mit Personen sprechen – soweit diese von der Schweigepflicht entbunden wurden.

Die Exploration der Eltern

In meist mehreren Terminen erzählen die Eltern erst über ihr Leben, also die Vergangenheit. Dann wird über die konkreten Probleme gesprochen und danach über die Erziehungsvorstellungen und Zukunftswünsche. Gute Gutachter geben hier eine Struktur vor und fragen nach einem Kategoriensystem.

Die Vergangenheit kann ein Problem darstellen, wenn sich hier Hinweise für schädliche Einflüsse darstellen.

Die Richtigkeit der Gespräche ist am Akteninhalt zu prüfen, deshalb solltet ihr die Akte vorher kennen.

Bei den Erziehungsvorstellungen und Problemen achtet darauf, dass ihr nicht nur andere verantwortlich macht. Oft bietet sich eine Vorbereitung mit einem Coaching auf solche Gespräche an, um nicht unnötiges Material zu geben gegen Euch.

Dann wird fast immer auch noch schriftliche Tests gefordert. Von diesen gibt es sehr, sehr viele. Die Tests haben unterschiedliche Ausprägung und Inhalte, daher kann ich dies konkret in diesem allgemeinen Artikel benennen. Lasst Euch die Tests vorab erklären und ggf. informiert Euch vorab über deren Wirkung. Ihr könnt auch einzelnde Tests ablehnen, was aber interpretiert werden darf.

Die Exploration der Kinder

Hier gilt dasselbe wie das oben geschilderte.

Interaktionsbeobachtung

Die Interaktionsbeobachtung ist wichtig, wenn sie richtig und strukturiert durchgeführt wird. Der Sachverständige interpretiert Euer Verhalten, ob ihr die Bedürfnisse der Kinder wahrnehmt oder nur am Handy klebt, wie ihr mit den Kindern sprecht und handelt. Hier solltet Ihr darauf drängen, ein natürliches Setting zu bekommen. Wenn Ihr mit den Kids immer draussen seid, bringt eine Beobachtung in Räumen wenig.

Die Interaktionsbeobachtung hilft, die Richtigkeit der Aussagen aus der Exploration zu prüfen.

Gutachten abwarten

Danach ist der Hauptteil getan. Ihr müsst nun das Gutachten abwarten.

Gutachtensergebnis

Befürwortet der Gutachter die Kinderrückkehr oder mehr Umgang: Gratulation, die Gutachtensteilnahme hat sich gelohnt. Man muss ggf. noch mit Argumenten der Gegenseite streiten, aber meist ist der Fall gewonnen.
Das Gutachten ist negativ: Dann beginnt jetzt die Prüfung, wie man ein Gutachten anfechten kann. Ihr könnt Euch hierzu auch meiner Hilfe bedienen:

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Du benötigst Hilfe beim Gutachten anfechten?

Du oder Dein Anwalt, Ihr wisst beide nicht wie Ihr mit dem Gutachten umgeht? Wie man sowas anfechten kann? Da habe ich die Lösung für Euch: Meine Gutachtensrezension, eine rechtlich-sachliche Analyse als Rechtsgutachten -> Hilfe beim Gutachten anfechten

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Konkrete Einwendungen gegen Gutachten verpflichten Gericht

Konkrete Einwendungen gegen Gutachten verpflichten das Gericht, diesen tatsächlichen Grundlagen nachzugehen. Das Gericht kann sich nicht einfach darauf berufen, dass sein Gutachter schlüssig alle Aspekte erläutert hat. Das hat das Bayerische Oberste Landesgericht bereits 1994 entschieden in Betreuungssachen, und das gilt noch heute fort:

Das Tatsachengericht ist regelmäßig verpflichtet, konkreten Einwendungen des Betroffenen gegen die tatsächlichen Grundlagen eines Sachverständigengutachtens nachzugehen.

(Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 17. März 1994 – 3Z BR 293/93 –, juris)

Wir alle wissen allerdings, dass in familienpsychologischen Gutachten solche Tatsachen und Anknüpfungstatsachen nicht geklärt und ignoriert werden. Oft wird von Seiten der Gerichte dann einfach erklärt, wenn man auf Fehler hinweist: Der Gutachter ist als sehr zuverlässig bekannt. Er hat seine Begründung schlüssig dargelegt.

Das ist falsch. Das Gericht muss konkrete Einwendungen gegen ein Gutachten prüfen. Es ist hierzu verpflichtet. Doch dies gilt nicht grenzenlos:

Wann ist das Gericht verpflichtet, Einwendungen gegen Gutachten zu prüfen

Das Gericht ist nur bei konkreten Einwendungen verpflichtet. Es reicht daher nicht aus, zu sagen der Sachverständige lügt. Man sollte quasi eine Gegenerklärung mit Beweisantrag stellen. Bei externen Beweisen ist dies einfach möglich, also z.B. es stimmt nicht, dass ich am 1.1. XYZ geschlagen habe, weil ich dort im Urlaub in China war, Beweis Buchungsinfos.

Bei Gesprächsinhalten wird dies schwerer, weshalb ich Videoaufnahmen der Exploration präferiere.

„Nur konkrete Einwendungen gegen Tatsachengrundlagen verpflichten“

Die weitere Grundlage ist, dass es tatsächliche Grundlagen eines Sachverständigengutachtens sind, die falsch sein sollen. Der psychologisch-fachliche Schluss hingegen ist geschützt (bzw. kann nur durch ein Obergutachten/Parteigutachten angegriffen werden).

Zwar ist es logisch so, dass Sachverhaltsfehler immer auch zu falschen Schlüssen führen. Ihr dürft deshalb trotzdem nicht den Fehler machen und das Gutachtensergebnis angreifen – zumindest nicht ohne den Sachverhalt anzugreifen. Es ist also falsch zu sagen das Gutachten ist falsch. Ich habe XYZ nicht geschlagen. Richtig ist die Aussage das Gutachtensergebnis kann nicht verwertet werden, denn die tatsächliche Grundlage, ich habe XYZ geschlagen, hat sich als falsch herausgestellt; das Gutachtensergebnis basiert hierauf.

Ich weiß, dass einige dies wieder als Spitzfindigkeiten abtun werden. Aber so vermeidet ihr Fehler, die es dem Gericht ermöglichen Eure Einwendungen einfach so abzutun.

Falsche Anknüfungstatsachen verpflichten das Gericht, das Gutachten zu prüfen

Falsche oder ungeklärte Anknüpfungstatsachen machen in der Regel das Gutachten nicht verwertbar. Das hat der BGH entschieden und ist damit für mich eine der wichtigsten Entscheidungen im Sorgerecht. Hier lest Ihr meinen ausführlichen Artikel zum Thema:

Du weißt nicht, wie Du es angehen sollst und suchst Hilfe von mir?

Dann helfe ich Dir/Deinem Anwalt beim Gutachten anfechten:

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Muster familienpsychologisches Gutachten

Viele von Euch fragen mich, wie denn so ein familienpsychologisches Gutachten aussieht und ob ich ihnen ein Muster familienpsychologisches Gutachten zur Verfügung stellen kann. Ja und nein, das ist die kurze Antwort. Es gibt nämlich nicht den Aufbau eines Gutachtens, so dass man nicht ein Muster vorlegen kann.

Einen Anhaltspunkt bieten uns die Mindestanforderungen für Sachverständigengutrachten. Diese formulieren den formellen Aufbau des Gutachtens und die zu erledigenden Schritte:

Formelle Aspekte eines psychologischen Gutachtens in Kindschaftssachen

  1. Seitennummerierung des Gutachtens
  2. Nennung des Aktenzeichens
  3. Nennung des Sachverständigen samt seiner wesentlichen relevanten beruflichen Abschlüsse und Zusatzqualifikationen
  4. Nennung des Auftraggebers
  5. Nennung der wörtlichen Fragestellung
  6. Nennung der eingesetzten Methoden
  7. Nennung der Untersuchungstermine mit Datum, Ort und Dauer
  8. Die Quellen für den Befund, also die wesentlichen Untersuchungsergebnisse und Unterlagen oder Auskünfte dritter Personen, sind im Einzelnen darzulegen. Dabei sind Datengrundlage und Interpretation zu trennen.
  9. Nennung sämtlicher weiterer Informationsquellen wie beispielsweise Unterlagen und Auskünfte Dritter.
  10. Nennung von Hilfskräften bei Tätigkeiten von nicht untergeordneter Bedeutung für die Begutachtung. Für Dritte muss ersichtlich sein, welcher Untersucher bei welchen Teilen des Gutachtens mitgewirkt hat.
  11. Das Gutachten muss von dem beauftragten Sachverständigen persönlich und mit Datum versehen unterschrieben sein.
  12. Literatur sollte angeführt werden, soweit im Gutachten darauf explizit Bezug genommen wird

Deutschland Quelle, S.13, ähnlich in Österreich

Die Inhaltlich notwendigen 7 Schritte des Gutachtens

Auch diese ergeben sich aus den Mindestanforderungen:

  1. Auftragsannahme (u. a. Prüfung der eigenen Sachkunde, Neutralität, zeitliche Verfügbarkeit)
  2. Aktenanalyse
  3. Ggf. Formulierung psychologischer/klinischer Fragen ausgehend von der
    gerichtlichen Fragestellung12
  4. Untersuchungsplanung nebst Kontaktaufnahme
  5. Durchführung der Untersuchungen
    Erläuterunge, Exploration, Diagnostik, Hausbesuche, Interaktionsbeobachtung
  6. Interpretationen und Beurteilung der Ergebnisse
  7. Beantwortung der gerichtlichen Fragestellung

Quelle, S.11-12

Muster des familienpsychologischen Sachverständigengutachtens

Ich werde hier in den nächsten Tagen aus diversen Gutachten ein „Muster“ zusammen basteln, damit ihr ein Gefühl für so ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten bekommt.
Für die erste Prüfung, ob das Gutachten ansatzweise richtig sein kann, prüft einfach die obigen 19 Punkte, die in jedem Gutachten mindestens vorhanden sein müssen. Selbst wenn alle 19 Punkte vorhanden sind, heisst das nicht, dass das Gutachten gut oder schlecht ist.
Wesentlich kommt es nicht auf ein Muster psychologisches Gutachten an, sondern auf den Inhalt und die Art, wie mit den Informationen umgegangen wird.

Gutachten in Deutschland und Österreich

Die beiden Länder geben sich wenig, die österreichischen Empfehlungen verweisen auf die deutschen Mindestanforderungen. Meine Inhalte sind also auch in Österreich zu verwenden.

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Falsche Anknüpfungstatsachen im Gutachten

Es ist die Entscheidung, die am Meisten im Familienrecht rund um Gutachten zitiert wird, und gleichwohl auch die, die am Wenigsten bis zu Ende gelesen wurde: BGH XII ZB 68/09. Die Entscheidung wird oft reduziert darauf, dass niemand zu einer Gutachtensteilnahme gezwungen werden kann, weil es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt. Ergo kann es auch keine Beweisverteitelung sein, nicht am Gutachten teilzunehmen.

Doch das viel wichtigere Momentum versteckt sich in Randnummer 47. Falsche Anknüpfungstatsachen machen ein Gutachten meist unverwertbar.

Die Ergebnisse der Begutachtung konnten schon deshalb nicht ohne weiteres in die Würdigung einbezogen werden, weil der Sachverständige teilweise unzutreffende bzw. ungeklärte Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hatte

BGH aaO, Rn. 42

Ein Gutachten, bei dem der Sachverständige falsche (relevante) Tatsachen berücksichtigt, ist (in der Regel) unverwertbar. Das gilt aber auch, wenn ungeklärte Tatsachen verwendet werden .

Was bedeutet es für Euch und das Gericht/den SV, dass Anknüpfungstatsachen geklärt sein müssen?

Was heißt das für Euch? Bestreitet Behauptungen des Jugendamtes bzw. von Eurem/Eurer Ex. Weist darauf hin, dass es Aufgabe des Gerichtes ist, diese Tatsachen zu klären, also ob etwas richtig oder falsch ist. Falsche Anknüpfungstatsachen haben im Gutachten nichts verloren.

Denn die Aufgabe des Richters ist es, zu entscheiden was wahr und was gelogen ist. Diese ureigene Aufgabe darf nicht der Sachverständige übernehmen. Tut er dies, ist das Gutachten unverwertbar. Dann muss ggf. ein neues Gutachten eingeholt werden.

Für die Richter heißt dies: Sie müssen ihre Arbeit selber tun.

Die Sachverständigen haben zu beachten: Sie müssen transparent arbeiten, wenn Meinungen und Aussagen Dritter eine Rolle spielen sollen, dann muss man dies wie in der Verhandlung transparent und offen machen, also auch Fragen der Parteien zulassen – was bei heimlichen Zeugenvernehmungen nicht möglich ist. Für das Strafverfahren hat dies der BGH ausdrücklich so entschieden (Urt. v. 07.06.1956, Az.: 3 StR 136/56).

Was ist eine Anknüpfungstatsache im Gutachten?

Anknüpfungstatsachen gibt es in 2 Kategorien: Solche aufgrund der besonderen Sachkunde des Sachverständigen (z.B. Diagnosen) und Zusatztatsachen, also solche, die auch das Gericht gewinnen kann. Oftmals sind letztere Relevant für erstere. Nehmen wir einmal das Beispiel Borderline: Die Erfüllung der Merkmale sind Zusatztatsachen, weil es dem Zeugenbeweis zugänglich ist, ob es Substanzmittelmissbrauch oder wiederholte Suizidversuche gab. Diese Zusatztatsachen braucht der Sachverständige aber, um zu seiner Einschätzung der Diagnose Borderline in der besonderen Sachkunde zu kommen.

Darf der Sachverständige Zusatztatsachen überhaupt erheben?

Ich sage nein. §26 FamFG ist hier eindeutig:

„Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.“

§26 FamFG

Da steht nicht: Das Gericht hat die Feststellungen durchführen zu lassen.

Ausnahmen der Rechtsprechung

Gleichwohl wird von der Rechtssprechung durchaus die Möglichkeit zugelassen, dass der Sachverständige auch Zeugen anhört.

„Die nach § 26 FamFG dem Gericht obliegende Verpflichtung zur Amtsermittlung darf nicht (allein) auf den Sachverständigen delegiert werden.“

OLG München, Familiensenate Augsburg, 30 UF 232/15

Denn dies darf nicht zur Übertragung der richterlichen Aufgaben auf den Sachverständigen führen:

„Zugleich und parallel hierzu wird das Amtsgericht unverzüglich u.a. die weiteren nach § 26 FamFG von Amts wegen erforderlichen umfangreichen Ermittlungen, insbesondere die Anhörung der Zeugen für den vorliegenden Einzelfall, durchzuführen haben. Insbesondere auch die Anlage von Zweitakten bzw. Drittakten dürfte zwingend geboten sein, um alle möglichen und notwendigen Maßnahmen durch Durchsetzung des Beschleunigungsgebotes effektiv zu ergreifen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die nach § 26 FamFG dem Gericht obliegende Verpflichtung nicht allein auf den Sachverständigen delegiert werden kann.“

OLG München, Familiensenate Augsburg, 30 UF 232/15

Dieser von mir erstrittene Satz ist von enormer Tragweite, auch wenn er offensichtliches Kundtut.

Das Gericht muss also zumindest auch Zeugen anhören. Es schadet freilich nicht, wenn ihr bei offenen Anknüpfungstatsachen oder Lügen darauf hinweist, dass es ureigene Aufgabe des Gerichtes ist, diese Feststellungen zu treffen – gegebenenfalls sogar mit einer formellen Beweisaufnahme i.S. des §30 Abs. 3 FamFG.

Auch hierauf solltet ihr beharren.

Unverwertbares Gutachten: mein Video zur Entscheidung BGH XII ZB 68/09

Unklare Anknüpfungstatsachen = ungültiges Gutachten?

Ist nun bei einer Beweisfrage, wo unklar ist ob ein Zeuge lügt oder nicht, das Gutachten immer falsch, egal was der Gutachter entscheidet?
Das kommt auf den Gutachter an. Wenn er seinen Job, ein familienpsychologisches Gutachten anfechtungsfrei zu schreiben ernst nimmt und auch weiß, was er zu tun hat. Denn dann lässt er die Entscheidung einfach dem Richter offen. Indem er zum Beispiel (wiederum am Beispiel Borderline) formuliert und damit falsche Anknüpfungstatsachen zu verwenden vermeidet:

„Wenn das Gericht nach der Bewertung der Zeugenaussagen davon ausgeht, dass es mehrere Suizidversuche gab, dann sind 5 von 9 Kriterien für Borderline erfüllt und eine solche Diagnose müsste fachpsychiatrisch ausgeschlossen werden, auch um die Auswirkungen auf die Erziehungsfähigkeit zu hinterfragen. Geht das Gericht nicht von mehreren Suizidversuchen aus, dann sind die Kriterien nach ICD 10 nicht erfüllt, so dass Borderline nicht vorliegen kann und die Frage der Erziehungsfähigkeit hierauf nicht gestützt werden kann.“

Selten überlassen Sachverständige dem Richter die Entscheidung

Diese Vorgehensweise sieht man selten in Gutachten. Nicht nur, weil sie den Arbeitsaufwand des Sachverständigen verdoppelt, er muss bei jeder relevanten Frage eine Abzweigung für den Richter vorgeben, was sich wie auf die Beweisfrage auswirkt. Auch die Richter, die oft eher den bequemen Weg gehen, wollen nicht selber bei allen Aspekten entscheiden, lieber auf der letzten Seite quasi das zusammengefasste Urteil stehen haben.

Dieses vorgehen ist aber falsch, wie ihr aus der oben zitierten Rechtsprechung herauslesen könnt.

Nehmt die Richter in die Pflicht!

Nehmt die Richter in die Pflicht. Anknüpfungstatsachen haben die Richter zu klären, und nur die Richter. Alles andere verstößt gegen den gesetzlichen Richter und die Beweisunmittelbarkeit und Parteiöffentlichkeit (dass ihr an Beweisaufnahmen teilnehmen dürft und Fragen stellen könnt).

Falsche Anknüpfungstatsachen im Gutachten begründen die Amtshaftung

BGH XII ZB 68/09 ist insoweit auch eine wichtige Entscheidung für Amtshaftungsklagen und Beschwerdebegründungen. Meiner Meinung nach wird hiergegen in 95% aller Gutachten verstoßen. Und: Auch das Jugendamt muss solche offensichtlichen Fehler bemerken und bemängeln. Das gehört zur Amtspflicht der Sachverhaltsaufklärung!

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Bücher vorgestellt Gutachten

Kaffeesatzleserei

„Dass Gutachten oft mangelhaft sind, das wissen alle. Vor allem im Familienrecht. Also die familienpsychologischen Gutachten. Die meine ich.
Aber ab und zu, da triffst du ganz besondere Perlen der Unfähigkeit. Von einer will ich jetzt berichten. Also Perle. Eine promovierte Perle sogar. Ganz wichtige Gutachterin sozusagen. Die war so gut, die konnte die Erziehungsfähigkeit allein durch Ansehen einschätzen und sich ewige Jahre später daran erinnern.


Was war passiert. Ein normaler Familienstreit, den ich aber aus Anonymisierungsgründen hier ein wenig verfremde. Ein Mädel, das ins Heim musste, weil es Besonderheiten aufzeigte, die man behandeln musste.

Keiner sagte allerdings, dass das eine Einbahnstraße werden wird. Also quasi one way ticket.

Dann gabs Misshandlungsvorwürfe. Time Out Room z.B. und Kontaktverbote – das ganze Repertoire der familienrechtlichen Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten. Auch der Bruder hatte keinen
Kontakt mehr.

Dabei war früher mal unsere Perle schon als Gutachterin tätig gewesen und hatte im Verhältnis Mutter-Kind alles tippitoppi bescheinigt. Damals kam auch der Bruder dazu, als die Gutachterin da war und trank eine Tasse Kaffee. Das zumindest stand im Gutachten.

Als man dann Jahre später für den Bruder Umgang einklagte und für die Eltern, da durfte also diese promovierte Perle nochmal ran. Nur ohne Kaffee und nicht zuhause, sondern im Gerichtssaal. Und weil sie ja schonmal da war, sollte sie eben auch den Bruder einschätzen. Und daraufhin berief sie sich auf ihren Erfahrungsschatz. Der, wie oben dargelegt, eben ziemlich mau war, nämlich nur ein Satz. Und vage Erinnerungen von vor einigen Jahren.

Erinnert ihr Euch noch mit wem ihr am letzten Geburtstag Eurer Mutter worüber gesprochen habt? Ich nicht. Ich bin froh wenn ich in der früh weiß welche Woche ist. Und da rede ich nicht vom letzten Jahr, sondern von diesem heutigen Tag.

Jedenfalls war das mündliche Gutachten desaströs. Der Bruder manipuliere die Schwester, er sei nicht gut für sie, er tue eh nur das, was die Mutter wolle und habe keinen eigenen Willen. Sagt sie. Die Perle. Der Bub war beim Gutachten damals ein Schüler und jetzt war er ein gstandenes Mannsbild, ein Student in einem anspruchsvollen Studiengang. Soll aber immer noch der Bub von damals sein. Weil sie sich im Gutachten an den Kaffee und den Kuchen mit ihm erinnert. Und da alles andere einschätzen kann. Aufgrund dieses Satzes.
Aufgrund dieser Situation.

Und aufgrund ihrer herausragenden Erinnerungsvermögens. Wobei die wichtigen Sachen eigentlich im Gutachten stehen müssen. Wenn das
damals schon bekannt war, hätt es rein gehört ins Gutachten. Damals wars ihr aber unwichtig. So sind’s, die Gutachter. Fähnchen im Wind.

Oder immer so begründen, wie mans eben gerade braucht.
Warum ich Kaffeesatzleserei als Titel fürs Kapitel gewählt habe? Weil: Hätte sie den Kaffeesatz gelesen, wärs Ergebnis präziser gewesen als ihre Erinnerung. Nachprüfbarer auch, weil EINDEUTIG Kaffee im Satz.

Keine Frage. Da reden wir über Qualitätssicherung bei Gutachten und dann raten und reden die Damen und Herren Experten so einen Blödsinn, das glaubt
man kaum. Aber gut, irgendeinen Dummen findet man immer. Das gilt für Hütchenspieler genauso wie für Richter.“

Ein Kapitel aus meinem autobiographischen Roman Robenlos, erhältlich im Buchhandel und auf Amazon.

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