Dieser Artikel wendet sich weniger an Betroffene, sondern an deren Umfeld: An Freunde, Familie, Helfer. Denn eines ist klar: Motivation ist wichtig! Motiviert bleiben, das klingt erst einmal einfach. Im Kampf um das eigene Kind, wer würde da schon seine Motivation verlieren? Aber das wirkt nur auf den ersten Blick so.
Motivation nicht gegen andere, sondern für sich!
Dabei ist es meiner Meinung nach wichtig, dass sich die Motivation nicht gegen das Jugendamt oder das Gericht richtet oder gegen den Ex-Partner. Denn dadurch wird nur negatives geschaffen. Aggression und Motivation sind dabei nur auf den ersten Blick ein gutes Gespann, am Ende powert man sich aus und verliert sich. Dabei ist der Fokus im Familienrecht und bei Sorgerechtsstreitigkeiten das Kind und wie man sich um das Kind kümmert. Und das kann man, man mag es kaum glauben, nur, wenn man an sich selber glaubt.
Motivation an sich selbst
Motiviert Euch und andere einfach positiv selbst. „Ich kann das“. „Ich bin ein guter Elternteil“. Aber auch, wenn Fehler passiert sind: „Ich habe das Problem abgestellt.“
Freunde und Familie müssen hier zwingend ein offenes Ohr anbieten. Alleine kann man nicht stark bleiben und sich jeden Tag aus neue motivieren. Als Freunde müsst ihr zuhören und Geduld beweisen. Zeigt Euer Vertrauen in den oder die Betroffene(n). Sie werden es Euch danken und zurückzahlen.
Mein erstes Mutmachvideo zur Motivation
Motivation bei schlechten Nachrichten
Beschlüsse, Gutachten – all das sind Momente, in denen man schnell verzagen will. Helft den Betroffenen, an sich selbst zu glauben. Es ist doch egal, was das Jugendamt und das Gericht sagen – all das kann man mit Aktenkenntnis aufarbeiten. Aber das braucht Zeit. Und in dieser Zeit muss man den Menschen eben Stärke und Hoffnung geben.
Ist es richtig, Hoffnung zu geben?
Das ist eine spannende Frage. Hoffnung benötigt man, um die Kraft für das weitere Vorgehen zu behalten. Andererseits kann Hoffnung aber auch enttäuscht werden, was dann wieder ein herber Rückschlag ist. Gleichwohl: Es gibt für die meisten Fällte Auswege. Und das muss man auch sagen dürfen. Ob man diese Ziele erreicht ist dann etwas anderes. Das liegt nicht in unserer Hand – die Vorbereitung, die Arbeit aber schon
Eure Meinung ist gefragt!
Wie seht ihr es mit Motivation und Hoffnung? Diskutiert es mit mir in den Kommentaren!
Es kommt auf gesicherte Ermittlungsgrundlagen an, bevor ein Gericht die elterliche Sorge entziehen kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt. Die nachstehenden Ausführungen sind meinem Buch „Wichtige Entscheidungen im Sorgerecht“ entnommen, das ich Euch ans Herz legen möchte:
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Kapitel 2.4 meines Buches „Wichtige Entscheidungen im Sorgerecht“ zu gesicherten Ermittlungsgrundlagen
Das der Amtsermittlung unterworfene Gericht muss also nicht nur entscheiden, sondern auch noch „gesicherte“ Ermittlungsgrundlagen verwenden, nicht nur Behauptungen:
„Das Gericht hat – auch nach eigener Einschätzung – nicht auf gesicherter Ermittlungsgrundlage entschieden; es beabsichtigt, das aus seiner Sicht notwendige Sachverständigengutachten, das sowohl psychiatrischen wie familienpsychologischen Sachverstand erfordere, erst in einem Hauptsacheverfahren einzuholen. Wegen der Intensität des Grundrechtseingriffs durfte der die Wegnahme des Kindes vorbereitende Sorgerechtsentzug auf diesen vorläufigen Ermittlungsstand nur dann gestützt werden, wenn die Gefahr einer schweren und zeitlich nahen Kindeswohlgefahr bestand, die ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung ausschloss.“
zitiert nach BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des ersten Senats vom 07. April 2014 – 1 BvR 3121/13 – Rn. 26
Konsequenzen bei unsicheren Ermittlungsgrundlagen
Nicht jede Behauptung, jeder Beleg, jede Tatsache reicht im eA Verfahren aus für eine gerichtliche Entscheidung: Trotz des reduzierten Umfangs des Nachweismaßstabes sind die Entscheidungsgrundlagen gesichert zu erheben, nicht zu raten oder zu vermuten.
Alleine die Tatsache, daß in der Hauptsache vielleicht weitere Beweise erhoben werden rechtfertigt keine Entscheidung ohne gesicherte Grundlagen. Mit anderen Worten: Richter müssen sich Mühe bei der Entscheidung geben, Abwägen, auch Beweise erheben und Entscheiden ob all das ausreicht. Je schwerer allerdings die befürchtete Gefahr für das Kind ist, desto weniger hoch sollen die Anforderungen für die Darlegung sein.
Ratschlag: Unterstützt das Gericht bei der Ermittlung der Grundlagen
Natürlich ist es einfacher, abzuwarten. Und das ist auch zulässig. Trotzdem empfehle ich Aktivität. Unterstützt das Gericht, indem ihr Beweise darbietet. Das Gericht wird Euch dankbar sein hierfür, weil ihr Zeit spart. Und Euch nicht gut gesonnene Richter werden gezwungen, den eigenen Fokus zu ändern.
Wir nähern uns den Antworten auf diese substantielle Frage:
Inobhutnahme durch das Jugendamt
Die Voraussetzungen einer Inobhutnahme ohne Beschluss habe ich in diesem Artikel ausführlich vorgestellt, den ich auch zu lesen bitte:
Die Inobhutnahme im eigentlichen Sinn ist daher ein Verwaltungsakt.
Was tun bei Inobhutnahme Jugendamt – Klären ob Eilbedürfigkeit und Gründe vorliegen
Erst einmal sollte man prüfen, ob es einen Grund für diese gibt, den man gegebenenfalls widerlegen kann. Den Irrglauben, dass „ohne Grund“ Inobhutnahmen stattfinden, hatte ich bereits widerlegt. Das ist deshalb wichtig, weil ihr diese Gründe bekämpfen könnt. Und ja, auch falsche Gründe für eine Inobhutnahme sind Gründe, die man bekämpfen kann. Solange eine konkrete, gegenwärtige und erhebliche Gefahr besteht oder nicht ausgeräumt ist, hat das Jugendamt nämlich die Pflicht – aus dem verfassungsrechtlich garantierten Wächteramt – tätig zu werden.
Ich empfehle daher erst dann einen Widerspruch gegen den Verwaltungsakt Inobhutnahme, wenn klar ist dass es keinen Grund gibt. Meistens dürfte es an einer Eilbedürftigkeit scheitern. Denn wer längere Zeit mit dem Jugendamt zu tun hat, wird sich immer darauf berufen können dass man erst einen Beschluss hätte einholen können.
Widerspruch einlegen
Danach sollte man immer einen Widerspruch gegen die Inobhutnahme einlegen. Das ist das wichtigste, das ihr tun müsst, um insbesondere eine gerichtliche Entscheidung zu erzwingen. Setzt hier kurze Fristen (maximal 48 Stunden) und geht dann vor das Verwaltungsgericht. Weiter empfehle ich dringend eine Schutzschrift beim Familiengericht zu hinterlegen, damit Eure Gründe, warum eine Inobhutnahme unzulässig ist, auch dort bekannt ist. Idealerweise sind diese Gründe samt Beweismittel im Widerspruch und in der Schutzschrift vorhanden. Bitte beachten: Ihr müsst präsente Beweismittel vorlegen, also Zeugenaussagen schriftlich oder per eidesstattlicher Versicherung statt einen Zeugenbeweis anzubieten.
Zustimmung widerrufen zu einer Unterbringung
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen Eltern erst einer Herausnahme des Kindes zugestimmt haben und sich nun fragen, was gegen diese Herausnahme und quasi Inobhutnahme Jugendamt zu tun ist. Diese Eltern müssen erst die Einwilligung widerrufen. Danach sollte man, wenn das Kind nicht herausgegeben wird, vorsorglich Widerspruch einlegen gegen eine Inobhutnahme.
Eilrechtsschutz Verwaltungsgericht
Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht ist der richtige Weg, um eine Herausgabe des Kindes zu erstreiten. Tatsächlich ist es aber schwieriger, denn die Gerichte entscheiden oft erst nach 2 Wochen, eine Zeit, in der das Familiengericht einen einstweiligen Anordnungsbeschluss erlassen kann, was die Klage am Verwaltungsgericht unzulässig werden lässt. Gleichwohl erhöht ihr hier den Druck auf das Jugendamt. Wenn der Antrag am Verwaltungsgericht unzulässig wird, müsst ihr diesen für erledigt erklären und die Feststellung beantragen, dass die Inobhutnahme von Anfang an rechtswidrig war. Dies benötigt ihr auch für spätere Amtshaftungsklagen.
Ergebnis Eures Vorgehens
Ihr erzwingt somit einen Antrag des Jugendamtes beim Familiengericht auf Entziehung der elterlichen Sorge. Damit wird das Gericht gezwungen, inhaltlich die Voraussetzungen des §1666 BGB zu prüfen. Damit muss das Gericht nicht nur die Beweislage sichten, sondern auch die Wichtigen Entscheidungen im Sorgerecht anwenden.
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Was tun bei Inobhutnahme Jugendamt – alle FAQ in Kürze
Hier fasse ich nochmal das Wesentliche zusammen:
Was tun bei Inobhutnahme Jugendamt?
Ihr solltet Beweise sichern, Gefährdung widerlegen, Widerspruch einlegen und eine Schutzschrift hinterlegen, bevor ihr Anträge an das Familien- oder Verwaltungsgericht stellt. Wer der Herausnahme zugestimmt hat, sollte diese widerrufen.
Warum sind viele Inobhutnahmen rechtswidrig?
In der Regel kann jedes Jugendamt, gerade bei längeren Verfahren, das Familiengericht erst anrufen. Es besteht dann kein Grund für eine verwaltungsrechtliche Inobhutnahme.
Was tun, wenn ich der Unterbringung durch das Jugendamt zugestimmt habe?
Dann müsst ihr die Zustimmung widerrufen, per Brief und von allen Sorgeberechtigten unterschrieben!
Muss ich einen Widerspruch gegen die Inobhutnahme einlegen?
Ja, wie gegen jeden Verwaltungsakt muss man einen Widerspruch einlegen. Diesem solltet ihr alle Beweismittel zufügen.
Muss ich eine Schutzschrift einlegen?
Ihr müsst nicht, aber ich empfehle es. Denn ohne Schutzschrift besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Familiengericht alle Argumente des Jugendamtes durchwinkt
Muss ich am Verwaltungsgericht klagen?
Eine einstweilige Anordnung solltet ihr nur beantragen, um Druck aufzuüben. Wirklich helfen wird es nicht, außer dass ihr am Ende einen weiteren Ansatz für eine Amtshaftung habt.
Eine Sorgerechtsverfügung ist ein Rechtsakt, mit dem Eltern für den Fall ihres Ablebens oder der anderweitigen Unfähigkeit, die Elternrechte wahrzunehmen, ihr Benennungsrecht nach §§1776 ff. BGB.
Weil es sowohl über den Tod hinaus gültig sein kann als auch bei Krankheiten Anwendung findet, sollte man eine Sorgerechtsverfügung wie ein Testament gestalten und damit handschriftlich verfassen.
Wenn ein Elternteil stirbt, dann wird beinahe automatisch der andere Elternteil alleiniger Träger elterlicher Sorge. Sterben beide, wird ein Amtsvormund erstellt. Beides ist nicht immer gut für das Kind. Da der Gesetzgeber ein Vorrecht der Eltern bei Vormundsbenennung installiert hat, gibt es mit der Sorgerechtsverfügung, auch Elterntestament genannt, ein Instrument, um diesem Misstand vorzubeugen.
Warum brauche ich ein Elterntestament bzw. Sorgerechtsverfügung?
Das Elterntestament erfüllt den Zweck, wie bei einer Betreuungsverfügung, die eventuellen Entscheidungen der Gerichte zu lenken. Damit soll Einfluss genommen werden, wer sich um das Kind nach dem eigenen Ableben oder der gesundheitlichen Unmöglichkeit der Sorge (Bettlägrigkeit, aber auch psychische Krankheiten) kümmern soll. Damit wird die Freiheit der Entscheidung des Elternteils als Ausprägung von Art. 6 II GG verlängert über den Tod hinaus. Solche Entscheidungen sind vorallem dann wichtig, wenn unterschiedliche Erziehungsvorstellungen aufeinandertreffen.
Wer braucht eine Sorgerechtsverfügung?
Jeder, bei dem Streit um das Sorgerecht besteht, sollte eine solche haben. Jeder, der mit dem Jugendamt zu tun hat, sollte sich ein Elterntestament erstellen. Wenn ein Gutachten ansteht, solltet ihr eine solche Verfügung erstellen. Je früher desto besser, wird man sagen müssen, um die Wirksamkeit nicht anzweifeln zu können.
Das Muster einer Sorgerechtsverfügung
Hier könnt Ihr ein Muster einer Sorgerechtsverfügung herunterladen – kostenfrei:
Bitte beachtet: Das sollte für vollständige Wirksamkeit handschriftlich geschrieben sein und regelmäßig aktualisiert werden!
Erläuterungen zu meinem Muster einer Sorgerechtsverfügung:
Erst einmal Sorry, dass das Formular nicht genderneutral formuliert ist.
Die Benennungen im Sorgerechtsformular
Wichtig ist, dass man oben so deutlich wie möglich die Kinder benennt, also wie im Beschluss inkl. Geburtsdatum und allen Vornamen.
Bei der Benennung von Vormündern würde ich auch immer dazu neigen, mindestens 2 Vormünder zu benennen. Aber bitte benennt nicht zu viele Vormünder. Dann kann man Euch unterstellen dass keine gute Auswahl erfolgt ist sondern beliebigkeit herrscht.
Möglich ist es hier auch, und manchmal sinnvoll, ein abgestuftes System von Vormündern zu bennen: Meine Mutter. Sollte diese nicht in der Lage sein, das Amt auszuüben oder nicht erreichbar sein, wird hilfsweise benannt …
Es hat sich auch als Gut herausgestellt, vorher alle zu Fragen, die als Vormünder in Betracht kommen.
Zeitpunkt der Wirksamkeit der Sorgerechtsverfügung
Wichtig ist, dass eine Wirksamkeit erst einsetzt, nachdem ihr nicht mehr in der Lage seid, die Sorge auszuüben. Sonst hat die Vollmacht den Charakter einer Vertretungsmacht und kann Euren Interessen zuwiderlaufen.
Die Liste der Ereignisse
Diese Liste an Ereignissen, die das Elterntestament (Tod) oder die Sorgerechtsverfügung auslösen, sollte nie abschließend formuliert sein. Sonst wird man bei nichtgenannten Aspekten darüber sprechen, ob die Vollmacht dann auch gilt. Deshalb habe ich „insbesondere kann sein“ geschrieben.
Reihenfolge der Benennungn von Vormündern
Wie oben schon geschrieben kann man auch eine Hilfskonstruktion nutzen zur Klarstellung. Ich präferiere die klare Reihung. Man kann auch mehrere Personen gemeinsam als Vormund benennen und die Vollmacht so formulieren. Wenn sich diese dann nicht einigen, kann es wieder die Probleme geben, die es ohne Vollmacht gibt. Denn solche Streitereien würde dann ein Gericht entscheiden und im schlimmsten Fall feststellen, dass es keine sinnvolle Vertretung des Kindes gibt.
Gemeinsame Vormundschaft macht meist nur in besonderen taktischen Konstellationen Sinn, um die Fortführung des elterlichen Willens zu stärken.
Handlungspflicht der Bevollmächtigung
Ich empfehle, dass eine Handlungspflicht niedergeschrieben wird, so dezidiert wie möglich. Das kann Ausschluss Psychopharmaka wie bei einer Patientenverfügung beinhaltet (denkt an den Fall Winterhoff), oder wie bei mir den Heimaufenthalt ausschließen.
Diese verpflichtenden Anweisungen lassen Rückschlüsse zu auf den tatsächlichen Willen der Eltern/Mutter/Vater. Damit wird Streit und Angreifbarkeit der Vormünder vermieden und damit die Eingriffsmöglichkeit des Gerichtes ausgeschlossen.
Wichtig ist, auch wenn es sich aus dem Gesetz ergibt, die Richter darauf hinzuweisen, dass die Benennungen zu beachten sind.
Wer darf kein Vormund/Sorgerechtsinhaber/Betreuer werden
Diesen Bereich hasse ich, aber für eine gute Vollmacht/Verfügung muss man sich damit auseinandersetzen: Ihr solltet klar schreiben, wer nicht in Betracht kommt. Das umfasst leider auch den Vater (wenn dieser nicht bereits Sorgerecht hat). Denn von gesetzes Wegen ist der andere Elternteil vorrangig zu berücksichtigen. Dies wird also schnell vom Gericht angenommen – außer die dunklen Seiten sind samt Belegen dokumentiert. Daher sollte man auf diesen Bereich viel Zeit verwenden, wenn man sich fürchtet, der andere Elternteil würde zum Nachteil des Kindes entscheidungen treffen oder hat dem Kind schon geschadet. Hier kann und sollte man auch ggf. Belege benennen oder anfügen.
Wichtiges in Kürze: FAQ zur Sorgerechtsverfügung
Brauche ich eine Sorgerechtsverfügung
Nein, aber sie hilft Dir, Deine Wünsche zum Kindeswohl umzusetzen.
Kann ich mit der Sorgerechtsverfügung ein Verfahren vor Gericht vermeiden?
Ja, eine wirksame Verfügung bindet das Gericht, so dass entweder kein Verfahren erfolgt oder zumindest ein kurzes, in dem der Bevollmächtigte bestätigt wird als Vormund
Darf ich mehrere Vormünder/Bevollmächtigte benennen
Du kannst soviele benennen, wie Du möchtest. Zu viele benannte führen aber dazu, dass man Dir schlechte oder nichtige Auswahl vorwirft.
Muss ich die Sorgerechtsverfügung handschriftlich schreiben?
Für volle Wirksamkeit auch über den Tod hinaus muss sie wie ein Testament voll handschriftlich oder notariell beurkundet sein.
Was ist der Unterschied zwischen Elterntestament und Sorgerechtsverfügung?
Grundsätzlich meint beides dasselbe, die Regelung der Sorge wenn Eltern ausfallen. Die Verfügung umfasst hierbei aber Punkte, die nicht der handschriftlichen Form unterfallen. Aber auch ein Elterntestament ist eine Sorgerechtsverfügung. Nicht jede Sorgerechtsverfügung ist aber ein Elterntestament. Nur das wirksame Elterntestament verfügt über den Tod hinaus Geltung.
Muss ich meine Wünsche und Erziehungsvorstellungen reinschreiben?
Je mehr Du Deine Wünsche formulierst, desto mehr werden diese berücksichtigt werden. Zudem werden sich damit Vormünder im Streit mit dem Gericht exkulpieren und verteidigen können.
Darf ich das obige Formular handschriftlich ergänzen und unterschreiben?
Mein Muster darfst Du gern verwenden, egal auf welche Weise. Die nur unterschrieben Variante hat aber nur bei Krankheit Geltung, nicht bei Tod.
Darf ich die Trennung von (Halb)Geschwistern verbieten?
Ja, darfst Du. Die anderen sind damit gebunden.
Kann ich eine Heimunterbringung verbieten?
Ja, das darfst Du. Du solltest das sogar.
Kann ich die Gabe von Psychopharmaka verbieten?
Ja, auch Psychopharmaka kannst Du in der Sorgerechtsverfügung verbieten.
Wenn ich weitere Fragen beantworten soll, kommentiert dies unten.
Was ist diese Kindeswohlgefahr, oft auch KWG abgekürzt, um die sich im Sorgerechtsstreit alles dreht? Denn nur einer solchen Gefahr kann der Staat loslegen und Kinder in Obhut nehmen oder das Gericht anrufen. Es gibt keine genaue rechtliche Definition.
Wir haben hier also vier Punkte genannt, die körperliche, geistige oder seelige Entwicklung des Kindes oder sein Vermögen. Wichtig dabei ist immer, dass die Eltern die Gefahr nicht abwenden können, um diese gesetzliche Eröffnung zu ermöglichen. Doch wann genau liegt eine Gefahr vor, die den Staat zu Eingriffen ermöchtigt?
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Konkret. Gegenwärtig. Erheblich.
So kann man das Problem auf einen Nenner bringen: Jede Gefährdung des Kindeswohles muss konkret sein, also nicht nur nebulös vermutet, sie muss gegenwärtig, also aktuell sein, und sie darf nicht nur kleinste Bereiche betreffen
Diese Zusammenfassung von mir basiert auf der ausführlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesgerichtshofes.
Die für das Sorgerechtverfahren wichtigsten Entscheidungen auch zur Kindeswohlgefahr habe ich in meinem Buch „Wichtige Entscheidungen im Sorgecht“ zusammengefasst im Kapitel 2:
Buch bestellen mit Entscheidungen zur Kindeswohlgefahr
Bundesverfassungsgericht zur Gefährdung des Kindeswohles
Eine gute Zusammenfassung findet sich in BVerfG 1 BvR 160/14, Rn. 28:
aa) Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern geht, ist dieser Grundrechtseingriff allein zu den in Art. 6 Abs. 3 GG genannten Zwecken zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts des Staates, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Das Grundgesetz hat den Eltern die primäre Entscheidungszuständigkeit bezüglich der Förderung ihrer Kinder zugewiesen. Dabei wird auch in Kauf genommen, dass Kinder durch Entscheidungen der Eltern wirkliche oder vermeintliche Nachteile erleiden (vgl. BVerfGE 60, 79 <94>; BVerfGK 13, 119 <124>). Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Ihren einfachrechtlichen Ausdruck hat diese Anforderung in § 1666 Abs. 1 BGB gefunden. Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfGK 19, 295 <301>; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 – XII ZB 166/03 -, FamRZ 2005, S. 344 <345>).
Die Entscheidung ist nicht nur wichtig, weil klar darin steht, dass die Eltern primär entscheiden:
Wichtig sind die Ausführungen, wann eine Trennung der Kinder von Eltern gerechtfertigt ist – unter Bezugnahme auf das oben zu §1666 BGB gesagte: Die nachhaltige Kindeswohlgefahr liegt dann vor:
Konkret, gegenwärtig und erhebliche Kindeswohlgefahr
Auf die obige Formel konkret, gegenwärtig und erheblich reduziert heisst dies:
Konkret ist eine KWG, wenn ein Schaden eingetreten ist oder ziemlich sicher bald eintritt, es eben konkrete Anhaltspunkte, Beweise oder zumindest eindeutige Indizien gibt
Gegenwärtig ist die Gefährdung des Kindeswohls, wenn sie im Moment relevant ist, nicht erst in ferner Zukunft.
Erheblich ist die Kindeswohlgefahr, wenn die Schäden nicht nur die Bagatellgrenze erreichen, sondern eine Auswirkung auf
Bundesgerichtshof zur Kindeswohlgefahr
Der Bundesgerichtshof argumentiert ähnlich:
Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt.
Auch hier wieder der Dreiklang konkret, gegenwärtig und erheblich:
Konkret ist eine Gefahr, wenn sie festgestellt wird in einem Maß, dass die weitere Entwicklung Schaden erwarten lässt
Erheblich ist die Schädigung des geistigen und leiblichen Kindeswohles
Gegenwärtig heißt aktuell
Konkrete Verdachtsmomente nötig
Zur Konkretheit für der BGH noch ergänzend aus:
Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. Eine nur abstrakte Gefährdung genügt nicht (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212).
Abstrakte Gefahr ohne greifbare Anhaltspunkte reicht nicht aus für die Konkretheit.
Der Knackpunkt in dieser Entscheidung ist Satz 2: Je schwerer die drohende Gefahr (schwere Körperverletzung, Verhungern, Missbrauch) wiegt, desto weniger muss das Gericht und das Jugendamt feststellen. Hierdurch wird dem Rechtsmissbrauch Tür und Tor geöffnet.
Beharrt immer auf diesem Dreiklang: Konkret, gegenwärtig und erheblich. Nur wenn diese drei Punkte erfüllt sind, kann man von einer Kindeswohlgefahr ausgehen und eine Entziehung von (Teilbereichen der) elterlichen Sorge durchführen.
Wann liegt nun konkret eine KWG vor?
Anders als in anderen Ländern gibt es keinen Katalog, den man abarbeiten kann und muss. Im Rahmen der obigen Grenzen ist das Familiengericht und das Jugendamt frei, Entscheidungen zu treffen (und zu begründen!). Es ist daher schwierig, abschließendes zu sagen. Klar ist: Missbrauch und schwere Körperverletzungen wie regelmäßige Schläge sind eine Gefahr. Bei Begriffen wie „Vernachlässigung“ und ähnliches hingegen wird es schon schwerer. Umso wichtiger ist es eben, auf diese einfache Formel hinzuweisen.
Was tue ich wenn das Jugendamt mit einem Sorgerechtsentzug droht
Leider kommt es oft vor: Das Jugendamt droht mit Sorgerechtsentzug bzw. Antrag an das Gericht. Das Problem dabei: Eine konkrete, gegenwärtige und erhebliche Gefahr kann dann eigentlich nie vorliegen. Denn diese bedingt „sofortiges Tätigenwerden“ im §8a SGB VIII. Eine Antragstellung ist erst einmal nicht „sofort“. Und auch das Gericht wird dann Probleme haben, wenn man erst abwarten konnte, sofort einzugreifen. Aber ich weiß natürlich, dass die Realität oft anders aussieht. An den obigen Ausführungen ändert dies nichts: Wer mit einer Sorgerechtsentziehung droht, der kann meiner Meinung nach keinen Antrag ans Gericht mehr stellen, weil die Gefahr dann nicht gegenwärtig ist. Dasselbe gilt für eine Inobhutnahme nach SGB VIII.
Ich erlebe das recht häufig. Kontaktanfragen wie „die haben mein Kind ohne Grund herausgeholt“. Warum diese Formulierung meist falsch ist und erhebliche Risiken für das Verfahren beinhaltet, erkläre ich euch in diesem Artikel.
Kind ohne Grund herausgeholt
Kein Kind wird ohne Grund herausgeholt. Das ist natürlich streng zu trennen von der Frage, ob es einen zutreffenden oder richtigen Grund für eine Inobhutnahme durch das Jugendamt gibt. Ist das jetzt Wortklauberei? Oder meint beides etwas anderes?
Voraussetzungen für eine Inobhutnahme
Die Voraussetzungen für eine verwaltungsrechtliche Herausnahme (Inobhutnahme) durch das Jugendamt sind in §8a SGB VIII geregelt:
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§8a Abs. 2 S. 2 SGB VIII
„Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.“
Ohne eine dringende, also eine nicht anders abwendbare und erhebliche Gefahr für das Wohl des Kindes kann es keine Inobhutnahme durch das Jugendamt geben.
Ob sich diese Gefahr als richtig herausstellt oder nicht, ist nicht entscheidend (allenfalls eine Frage der Amtshaftung).
Herausnahme nach Beschluss
Auch Herausnahmen nach richterlichem Beschluss nach §1666 BGB folgt diversen Regeln.
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§1666 BGB
„Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.“
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§1666a BGB
„Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann.“
Wir brauchen eine konkrete, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung des Kindeswohles, um gerichtliche Maßnahmen zu begründen.
Aber die Herausnahmegründe sind doch nachweislich falsch!
Diese oft richtige Aussage hat zwei Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt: Erstens formelle: Wenn es einen rechtskräftigen Beschluss gibt, dann ist dies rechtliche Realität. Eure Aussage, dass das alles falsch ist, wird daher dazu führen, dass man Euch abspricht, die Realität zu erkennen. Der zweite Punkt ist negativer: Man wird Euch von Amts wegen vorhalten, die Schuld nur bei anderen zu suchen und eigene Fehler zu kaschieren. Das ist deshalb negativ für Euch, weil damit ein Bild von euch gezeichnet wird, das nicht stimmt. Man stellt euch als Realitätsfremd und Beratungsresistent dar.
Achtet daher auf die richtige Formulierung, um keine weiteren Angriffe gegen Euch zu provozieren.
Fazit zu Kind „ohne“ Grund herausgeholt
Jede Herausnahme hat einen rechtlichen und einen tatsächlichen Grund. Dies zu bestreiten schadet Euch und damit den Rückführungsbemühungen. Sprecht daher besser immer genau von rechtswidriger Herausnahme statt von grundloser.
Um Hilfeplan und Hilfeplangespräche (kurz HPG) gibt es immer wieder Streit. Manchmal ist das Protokoll des Hilfeplangesprächs falsch aufgenommen, manchmal wird es gar nicht erst protokolliert. Was ist der Hilfeplan, welche Möglichkeiten habe ich einzuwirken und wie kann ich gegen ein falsches Hilfeplangespräch vorgehen?
Hilfeplanung und Hilfeplangespräch
Der Hilfeplan wird in §36 SGB VIII definiert. Vor seiner Aufstellung sollen Personensorgeberechtigte und das Kind (!)
Beratung über Art und Umfang der Hilfe
Folgen für die Kindesentwicklung der Hilfe aufzeigen
jeweils in verständlicher Form
erhalten.
Wann kann es einen Hilfeplan geben
Anwendung findet dieser bei
Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 ff. SGB VIII,
Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII,
Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII.
Was steht im Hilfeplan
Danach soll ein Hilfeplan erstellt werden. In diesem soll
Feststellungen über den erzieherischen Bedarf
die zu gewährende Art der Hilfe
die notwendigen Leistungen
sowie die regelmäßige Überprüfung der Hilfe und deren Zielerreichung
unter Beteiligung der bei der Hilfedurchführung tätigen Personen oder Einrichtungen
getroffen werden.
Bereits an dieser Stelle seht ihr, dass natürlich nicht immer diese Vorgaben eingehalten werden. Regelmäßige Gespräche finden sicher statt, aber nicht zwingend eine tatsächliche Prüfung der Hilfe und der Zielerreichung (auch wenn es so immer im Protokoll steht). Denn Rückführung findet als übergeordnetes Ziel von Sorgerechtsmaßnahmen und Jugendhilfe selten – ohne Initiative der Eltern – statt.
Hilfeplan und Hilfeplangespräch
Als Hilfeplangespräch bezeichnet man das Fachgespräch, in dem die Ziele definiert und die Maßnahmen zur Zielerreichung fixiert werden. An diesem Gespräch dürfen in der Regel auch Eltern teilnehmen, denen das Sorgerecht entzogen ist (§36 SGB Abs. 5 VIII ). Das findet leider viel zu selten statt.
Fehler während des Hilfeplangesprächs
Nachdem ich die relevanten Fakten aufgezählt habe, die vielen von Euch sicher schon bekannt waren, nunmehr zu den typischen Problemen und Fehlern während oder nach dem Hilfeplangespräch.
edit
Tipp: Schreibt alles mit, was besprochen wird!
Alleine dass ihr viel mitschreibt, wird die Gegenseite verunsichern. Zudem könnt ihr so nachträgliche Manipulationen der Protokolle verhindern. Tonbandaufnahmen sind idR illegal!
Vorbereiten auf den Hilfeplan
Wichtig: Bereitet Euch vor:
Was waren die Probleme, die bei Gericht angesprochen wurden?
Wurden angeblich notwendige Hilfen umgesetzt?
Sind angebliche Defizite verifiziert oder sogar abgestellt?
Nur mit dem Aktenkennen habt ihr eine reale Chance, Euch einzubringen, ohne dass es zu negativen Erfahrungen kommt. Konfrontiert das Amt mit alten Aussagen. Bietet für jedes Problem auch eine eigene Lösungsidee an. Ich weiß, das ist schwer, wenn man plötzlich neue Argumente vorgesetzt bekommt. Aber es ist unumgänglich.
Eure Ideen und Wünsche ins Protokoll
Besteht darauf, dass Eure Ideen ins Protokoll aufgenommen werden.
Besteht auch darauf, dass das verifiziert wird, was das Jugendamt behauptet. Wenn es Atteste gibt oder bedenken von Schulen, müssen Arzt und Schule am Gespräch teilnehmen, §36 SGB VIII.
Was tun bei einem falschen Protokoll zum Hilfeplan?
Wenn Ihr auf meinen Tipp oben gehört habt, widersprecht dem Protokoll, fügt Eure Sicht der Dinge und Eure Mitschrift bei und besteht darauf, dass dies als Anlage zum HPG-Protokoll genommen wird.
Was tun, wenn das Jugendamt keine wirkliche Hilfe anbieten möchte?
Greift das Jugendamt in die Sorge ein oder bietet keine Rückführungsoption oder handelt aus Eurer Sicht ansonsten gegen das Wohl des Kindes, bleibt euch nur die Möglichkeit, ein Abänderungsverfahren anhängig zu machen.
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Elternrecht != Wächteramt
Vergesst nicht: Euer Elternrecht ist in Art. 6II GG garantiert. Das Jugendamt hat nur ein Wächteramt, darf bei Gefahren einschreiten. Es ist kein Superelternteil. Es ist gar kein Elternteil!
Heute wollen wir uns mit einem weiteren Modebegriff der Kindswohlgefährdung auseinandersetzen: Borderline. Borderline (oder auch die emotional instabile Persönlichkeitsstörung) wird oft verwandt, um gegen (vorallem Frauen sind zu 70% von dieser Störung betroffen) zu schießen. Salzgeber meint zum Beispiel, dass davon auszugehen sei, dass 3% aller Frauen die Kriterien dieser emotional instabilen Persönlichkeitsstörung erfüllen. Diese Persönlichkeitsstörung wird meiner Meinung nach oft als Argument dann verwendet, wenn man eigentlich nichts belegen kann. Dabei ist eines wissenschaftlich klar: Die Diagnose des Typus nach ICD F60.31 ist eine Unterform der Emotional instabile Persönlichkeitsstörung.
Verkannt wird, dass Borderline alleine gerade keinen Rückschluss auf eine Kindeswohlgefährdung oder eine Erziehungsunfähigkeit zulässt.
Trotzdem oder gerade deswegen werden Müttern mit dieser falschen Begründung Sorgerecht oder Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen. Ich versuche hier einige der gängigen Mythen aufzuräumen.
Fragen zu Borderline und Sorgerecht
Hier beantworte ich vorab wesentliche Fragen:
Was ist Borderline?
Borderline ist eine Unterform der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung.
Was kennzeichnet eine emotionale instabile Persönlichkeitsstörung?
Menschen mit dieser Störung lassen Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen zu und sind mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung, emotionalen Ausbrüchen und unkontrollierten Impulsen gesegnet sowie streitsüchtig.
Wie definiert sich Borderline?
Borderline ist im ICD10 geregelt als F60.31. Nach DSMIV müssen 5 von 9 Kriterien erfüllt sein: Bemühen, Alleinsein zu verhindern, ein Muster von instabilen zwischenmenschlichen Beziehungen, Identitätsstörungen, Impulsivität, wiederkehrende Suiziddrohungen, affektive Instabilität, chronisches Gefühl der Leere, unangemessen starke Wut und vorübergehende paranoide Vorstellungen
Ist ein Borderliner Erziehungsunfähig?
Nein, es gibt keine Studie, nach der ein Borderliner immer erziehungsunfähig wäre. Borderline ist ein komplexes Krankheitsbild, pauschale Aussagen kann man nicht tätigen
Kann ein Gutachter im familienpsychologischen Gutachten Borderline diagnostizieren?
Nur approbierte Psychiater oder psychologische Psychotherapeuten dürfen Borderline feststellen.
Kann man Borderline in einem Gutachten diagnostizieren?
Nur wenn das Alltagsverhalten mit beachtet wird. Grundsätzlich ist Borderline eine schwierige Diagnose, die nicht so eben in einem mehrstündigen Gutachten diagnostiziert werden kann, zumal Borderliner sehr manipulativ sein können. Es bedarf dann erfahrenen Borderline-Fachleuten.
Ist Borderline therapierbar?
Es gibt Therapiemöglichkeiten, oft wird eine Mischung aus medikamentöser Behandlung und Verhaltenstherapie gewählt.
Welche Auswirkungen der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung wirken sich auf Erziehungsfähigkeit aus?
Es ist vorallem die mangelnde Impulskontrolle, die affektive Instabilität und die Spaltung der Persönlichkeitszüge, welche sich auf die Kommunikation mit anderen Menschen auswirken (vgl. Salzgeber, Rn. 1054). Laut Salzgeber sollen Borderline Persönlichkeiten „im Kern bindungsunfähig“ sein. Das lehne ich ab. Richtigerweise sind die Bindungen da, werden dann aber miss- und fehlgebraucht. Da sich Kinder an den Eltern orientieren, kann dies freilich jederzeit zu einer Entwicklungsstörung führen. Aber da das Borderlinesyndrom weitschichtig ist, kann man es eben nicht so verallgemeinern.
Im Verfahren müssen hierzu daher auch konkrete Fakten vorliegen, nicht nur Behauptungen.
Oftmals geht eine Borderline-Persönlichkeitsstörung auch einher mit Substanzmittelmissbrauch (Alkohol und Drogen), posttraumatischem Belastungssyndrom und belastungsabhängigen paranoiden Symptomen einher (Salzgeber aaO). Gerade in der Abgrenzung kann es aber zu Fehlern und Missinterpretationen kommen
Warum ist Borderline im Familienrecht eine beliebte Diagnose?
Borderline wird trotzdem gern genommen als Argument gegen eine Erziehungsfähigkeit von einer Mutter. Pädagogen behaupten das einfach, und Gerichte folgen dem. Oft wird auch nur die Vermutung geäußert oder statt einer Diagnose die Persönlichkeitsakzentuierung genutzt, um Mütter zu diskreditieren.
Borderline klingt für den Laien immer sehr blutig: Ritzen, Schneiden, Verletzen, Suizid, da ist doch jedem die Kindswohlgefahr offenkundig.
Wie wehre ich mich bei der Borderline Behauptung?
Eigentlich wie immer: Erst einmal den Sachverhalt klären. Wenn nicht die 5 von 9 Merkmalen behauptet werden, liegt schon kein Grund für nähere Abklärung vor.
beenhere
5 von 9 Merkmalen müssen erfüllt sein!
Beispiele und die 9 Merkmale findet Ihr im unten Verlinkten Paper des ZI Mannheim.
Zudem kann man natürlich ein psychiatrisches Attest von einem Vertrauensarzt vorlegen und Bestätigungen von Nahestehenden, wenn und ob Kriterien für diesen Typus Persönlichkeitsstörung vorliegen.
Was ist erweiterter Suizid?
Dabei wird von Seiten des Jugendamtes, weil man weiß dass die Krankheit nicht einfach zu diagnostizieren ist, einfach der erweiterte Suizid behauptet: Dass man neben sich selbst auch die Kinder ermorden möchte. Diese Behauptungen sind meiner Erfahrung nach meist absolut ohne eine Substanz und ohne Anknüpfungstatsachen geschildert. Man möchte damit Eindruck beim Richter schaffen. Vergessen wird, dass die Suiziddrohung alleine nur ein Hilfeschrei ist und selbst als Kriterium ohne die wiederholte Drohung nicht ausreicht.
Widersprechen und Gegenbeweis anbieten. Gern auch Strafanzeige wegen Beleidigung stellen.
Ist ein Borderliner immer erziehungsunfähig?
Nein. Borderline ist eine sehr komplexe Krankheit mit vielen Erscheinungsbildern. Nur die ausführliche Auseinandersetzung mit den Erscheinungsbildern kann hier eine Prognose auf die Erziehungsfähigkeit zulassen. Laut Prof. Dr. Martin Bohus vom ZI Mannheim, einem der führenden Experten zu diesem Thema, gibt es keine einzige Studie, die dies behauptet. Auch andere Experten wie Dr. Wolfgang Droll wissen, dass Borderliner nicht erziehungsunfähig sind. Jeder Psychiater muss das bestätigen können, dass eine Borderlinerin nicht per se erziehungsunfähig ist. Damit kann also auch niemand einfach so die Erziehungsfähigkeit in Abrede stellen. Noch kann damit ein Psychologe die Erziehungsfähigkeit hinterfragen, schon gar nicht mit den eingeschränkten Mitteln einer psychologischen Begutachtung.
beenhere
Borderline != Erziehungsunfähig
Borderline zu haben heißt nicht automatisch erziehungsunfähig zu sein. Psychologen können dies auch nicht differenzieren oder behaupten.
Wenn das Gericht hier ein Erziehungsfähigkeitsgutachten anwendet, solltet ihr eine Gegenvorstellung abgeben und auf ein Fachpsychiatrisches Gutachten bestehen und bei einem Psychologen nicht teilnehmen. Dieser ist ohne Appropation gehindert, Borderline und hierauf fussend eine Erziehungsunfähigkeit zu behaupten, §1 PsychThG.
Kann man mir wegen Borderline die Kinder wegnehmen?
Diese Frage ist schwerer zu beantworten. Denn grundsätzlich enthalten die Kriterien durchaus kindswohlgefährdende Aspekte. Gerade weil die Ursachen von Borderline oft in der Vergangenheit liegen und vererbbar sind (sexueller Missbrauch, Alkoholkonsum, genetische Komponente, siehe hier ab S. 17), liegen Auswirkungen auf der Hand: Das eigene Verhalten wird anerzogen. Kinder, die Selbstverletzung miterleben oder Alkohol- und Sexezesse sowie wechselnde Beziehungen sidn dem Risiko einer Beeinträchtigung ausgesetzt.
Wichtig: In einem Sorgerechtsbeschluss nach §1666 BGB muss sich das Gericht konkret mit den Fragen auseinandersetzen, wobei Vermutungen i.d.R. nicht ausreichen. Es müssen daher mindestens 5 der Merkmale genannt sein und die Auswirkungen auf das Kind. Denn: es ist eine konkrete Nennung der Kindswohlgefahr nötig.
Wenn die Kinder wegen Borderline weg sind: Was tun?
Was kann ich tun, wenn die Kinder wegen dieser Diagnose in Obhut genommen sind durch das Jugendamt oder das Familiengericht die elterliche Sorge entzogen hat?
Therapievereinbarung schließen und nachweislich einhalten. Wichtig: Lasst Euch dies regelmäßig bestätigen
Wenn Medikamentation notwendig ist: Regelmäßig einnehmen und dies belegen!
Umfeld mit einbeziehen
Notwendige (selbstdruck) Selbstverletzungen immer so durchführen, dass die Kinder nichts mitbekommen können UND sich danach dem Therapeuten offenbaren
Überhaupt Verschlechterungen selbst erkennen und mit dem Behandler oder Therapeuten ansprechen.
Ein Netzwerk aufbauen, das zur Stelle ist wenn Probleme überhand nehmen.
Natürlich sind das nur Beispiele, eine genaue Besprechung müsst ihr mit eurer Diagnose mit eurem Behandler und Arzt ansprechen und abstimmen. Wichtig dabei immer, dass alles auf Papier dokumentiert ist um es beim Gericht vorlegen zu können.
Ist Borderline heilbar?
50% erfüllen nach einer Behandlung nicht mehr die Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (hier, S.9).
Handlungen im Kampf um das Kind und gegen das Jugendamt sollte man immer an der Frage abrichten, was nutzt meinem Ziel. Nur damit kommt man weiter. Das Amt mit seinen unzählichen Mitarbeitern tut sich leicht daran, neue Grabenkämpfe und Diskussionen aufzuwerfen. Mit dieser Vernebelungstaktik wird ein Fall kompliziert und versucht, Eure Energien auf falsche Sphären zu lenken. Daher mein klarer Rat: Bei allem was ihr tut, fragt Euch immer, was nutzt meinem Ziel?
Was nutzt meinem Ziel?
Alles nutzt meinem Ziel, was ihm und mir nicht schadet, was meine Finanzen nicht schwächt und mich näher an das Ziel bringt. Alles, was mein Kind zurückbringt.
Beispiele, was meinem Ziel nicht nutzt
Sagen was ich über das Amt denke?
Das nutzt nur bedingt. Man darf alles denken, muss aber nicht alles sagen. Es bringt Dein Kind nicht zurück.
Beleidigen?
Nutzt niemandem, insbesondere Deinem Kind, etwas.
Anzeigen?
Löst das wirklich das Problem der Rückführung, das Du ersehnst?
Eine methodenkritische Stellungnahme?
Sie löst nicht das Beweisproblem des Gerichtes!
Über Aussagen und Lügen streiten?
Lügen aufdecken löst Eure Probleme nur, wenn es entscheidende Aussagen sind (in Gutachten oder betreffend der Vorwürfe gegen Euch
Wie immer gilt: Die Patentantwort gibt es nicht. Aber man muss das Verfahren möglichst einfach halten. Das heisst nicht, dass Ihr alles zulassen oder hinnehmen müsst. Aber man muss sich taktisch auf das wesentliche konzentrieren. Und da nützt eben nicht alles!
Verbündete suchen, nicht mit allen streiten!
Ich finde es auch immer wichtig, zumindest zu versuchen nicht mit allen zu streiten. Denn das führt nur dazu, dass die Reihen gegen Euch geschlossen sind. Ich will aber, dass das Gericht auf meiner Seite ist und mir mein Kind zurück gibt. Das gelingt leichter, wenn man nicht mit jedem verzofft ist.
Es gibt auch einen Unterschied zwischen auf seiner Meinung und seinem Recht bestehen und rechthaberisch streiten.
Dazu gehört auch, dass die Nähe eines begleiteten Umgangs manchmal notwendiges Übel ist, um die Bindungen zu stärken. Natürlich haben die Meisten zu Unrecht einen begleiteten Umgang aufbefohlen. Aber es hilft manchmal – nicht immer – an manchen Stellen nachzugeben.
Ich habe als Jurist auch schon Umgangsbegleitung abgelehnt. Aber man verliert damit auch Informationsquellen über das Kind. So wird es weiter, neue Lügen zu begründen durch das Amt. Daher würde ich auch heute nicht immer so entscheiden, weil es in einigen Verfahren – Gruß an Ralph – das Kind eher weggebracht als näher gebracht hat.
Ich schreibe das auch, damit Ihr wisst dass ich auch nicht immer richtig reagiere. Es ist ein Minenfeld. Aber diese Regel ist für mich ehern:
Eigentlich ist es selbstverständlich. Nur wenn Erkenntnisse über eine Kindswohlgefährdung vorliegen, kann der Staat tätig werden. Nichts Wissen hingegen ist kein Grund für eine Inobhutnahme. Diese sehr wichtige Erkenntnis musste die Stadt München und das dortige Jugendamt (Gruss an meinen „Kumpel“ Markus S. aus Krefeld lol) machen – leider erst im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung.
Was war passiert: Ich musste damals eine Mutter vertreten, die Probleme mit dem Amt hatte. Soweit, so gut. In diesem Fall war die Mutter aber hervorragend aufgestellt: Kind gesund und sozial eingebunden in Verein und therapeutische Unterstützung bei Weigerung, einen Kindergartenplatz per Zwang anzunehmen. Selbst eine (Vertretungs)Richterin erkannte damals sofort, dass ein glückliches Kind vor ihr steht. Einer der wenigen Fälle war das, bei dem ein Richter auf sich selber mehr vertraut als auf das was das Amt meint. Als dann die zuständige Richterin wieder im Lande war, wurde die Sorge entzogen, weil man nicht wisse ob es dem Kind gut gehe.
Dem hat das OLG München 33 UF 1559/16 aber einen Riegel vorgeschoben.
Beschluss, warum Unwissenheit kein Grund für Inobhutnahme ist
Den Beschluss könnt ihr Euch hier selber durchlesen:
Die Mutter wollte das Kind also nicht mehr in den Kindergarten geben. Und: Viel schlimmer, sie hatte sich in Berlin (ich glaube beim Familienministerium) beschwert über die Jugendämter – was gleich einen Grund für eine Gefährdungsmeldung darstellte.
Bedenken Ausräumen ohne nachzugeben
Die Mutter hatte alle Verpflichtungen erfüllt. Auch eine Zwangsräumung ändert hieran nichts. Denn selbst wenn das Leben eines Kindes nicht in geordneten Bahnen verläuft und der Aufenthalt unbekannt ist, kann nicht zwingend auf eine Gefährdung des Kindswohls geschlossen werden.
Doch das reicht dem Oberlandesgericht nicht. Es geht sogar weiter:
Und am wichtigsten: Vermutungen reichen nicht aus:
Was uns diese Entscheidung lehrt?
Nicht jedes Defizit reicht aus für Kindesherausnahmen.
Nicht jedes Verweigern der Zusammenarbeit mit dem Amt reicht aus, solange man grundsätzlich nachweisbar sich um das Kind kümmert.
Es lohnt sich, selbst in schwierigen Situationen eine eigenbestimmte Form der Zusammenarbeit zu wählen und durchzuführen.
Die in diversen Gruppen verbreitete Strategie gar nix zu tun was das Amt möchte hätte hier zu einem Totalverlust geführt. Nur weil wir auf die Bedenken eingegangen sind und hier unseren eigenen Weg gingen und umsetzten, was es möglich trotz schwierigster Bedingungen zu obsiegen. Wir konnten eben beweisen, dass kein Grund für Inobhutnahme und Herausnahme vorlag. Vorher muss das Amt die KWG ermitteln, nicht nur vermuten.