Der Verein Erzengel, dessen Vorstand ich bin, weist auf eine durch das Mitglied des Vereins erstrittene Entscheidung des Verwaltungsgerichts München, Az. M 18 S 22.3726 mit dem Datum 09.08.2022 hin. Die unter meiner Beratung erstrittene Entscheidung ist für alle Eltern, die von Inobhutnahmen ohne gerichtliche Entscheidung betroffen sind, relevant. Das Verwaltungsgericht zeigt deutlich auf, dass das Vorgehen, eine Inobhutnahme ohne schriftlichen Bescheid und ohne eine gesetzlich geforderte schriftliche Begründung rechtswidrig ist, sogar ohne eine Prüfung in der Sache.
Inobhutnahme muss schriftlich begründeten Sofortvollzug beinhalten
Eine verwaltungsrechtliche Inobhutnahme ist ein Verwaltungsakt, gegen den man Widerspruch einlegen sollte. Der Widerspruch hat immer aufschiebende Wirkung, ausser die Behörde ordnet den Sofortvollzug an. Diese Anordnung des Sofortvollzugs muss aber schriftlich begründet werden. Unterbleibt dies, ist die Inobhutnahme immer rechtswidrig, ohne Prüfung in der Sache.
Wichtige Entscheidung für alle betroffenen Eltern!
Alle Eltern ohne einen schriftlichen Bescheid des Jugendamtes können sich daher auf diese bahnbrechende Entscheidung stürzen. Die Inobhutnahmen sind dann immer rechtswidrig. Ihr könnt zudem Amtshaftungsansprüche prüfen, wenn Inobhutnahmen ohne Begründung Sofortvollzug rechtswidrig sind und das Kind herausgenommen wurde.
Die vollständige Entscheidung könnt Ihr anonym beim Verein herunterladen:
Gerne könnt Ihr Euch auch beraten lassen – dafür könnt Ihr kostenfreie Termine beim Verein reservieren – oder ihr werdet Mitglied.
Ich hatte ja bereits hier über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Zuständigkeit der Familiengerichte nach §1666 IV BGB geschrieben. Meine Videos zum Thema findet Ihr hier und hier. Nun habe ich einen Beitrag auf LTO.de zu Rechtsbeugung des Weimarer Familienrichters gelesen und möchte das so nicht stehen lassen. Weil die eigentlichen Probleme hier wieder nicht zureichend besprochen sind. Im Ergebnis kommt der Doktorand zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung über die Zuständigkeit der Familiengerichte, die Ausdehnung auf alle Schüler und die Anwendung von §1666 BGB auf Behördenmitarbeiter unvertretbar sein sollen. Diese Interpretation wird in weiten Teilen dem Familienrecht nicht gerecht.
Rechtsbeugung, weil Grundrechtsschutz auch über den Verwaltungsrechtsweg?
Der Rezendent meint, dass die Verwaltungsgerichte auch den Grundrechtsschutz sicherstellen würden:
Familiengerichte sind nicht einmal befugt, das Jugendamt zu einer bestimmten Leistung zu verpflichten, obwohl dieses sogar zwingend an Verfahren nach § 1666 BGB zu beteiligen ist (§ 162 II FamFG). Wenn nicht einmal das Jugendamt bei Kindeswohlsachen verpflichtet werden kann, was in der Sache durchaus naheliegen würde, gilt dies erst recht für Maßnahmen gegenüber Schulen.
Dabei verkennt der Rezendent aber, dass Kindeswohlverfahren nach §1666 BGB mit dem Antrag an das Familiengericht gem. §8a Abs. 2 SGB VIII an diese verwiesen ist. Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte endet damit. Der Gesetzgeber selbst hat also bei einer Gefahr die Zuständigkeit der Familiengerichte bejaht, auch und gerade wenn vorher eine andere Zuständigkeit bestanden haben sollte.
Stellen die Verwaltungsgerichte immer in KWG Verfahren den Grundrechtsschutz sicher? Ich habe es zu oft erlebt, dass Entscheidungen nach §80 V VwGO gegen Inobhutnahmen nicht bearbeitet werden, bis das Familiengericht tätig wird. Das mag der Überlastung der Justiz geschuldet sein oder der Tatsache, dass es keinen Sinn macht 2x in einer Sache entscheiden zu lassen. Ein Nachgeschmack bleibt trotzdem.
Rechtsbeugung kann man daher meiner Meinung nach auf diesen Fakt nicht stützen.
Rechtsbeugung, weil eine Behörde mit §1666 IV BGB getroffen wurde?
Auch hier führt Özcan aus:
§ 1666 IV BGB meint eigentlich, dass Anordnungen gegenüber Privaten, beispielsweise dem Lebenspartner der Kindesmutter, getroffen werden können. Dass Träger hoheitlicher Gewalt, wie z.B. die Schulleitung, davon nicht erfasst sind, findet im Schrifttum nicht einmal Erwähnung. Hintergrund ist, dass es zum juristischen Einmaleins gehört, dass Maßnahmen gegenüber Behörden grundsätzlich – bis auf wenige ausdrückliche Ausnahmen – von den Verwaltungsgerichten erlassen werden.
Die Einschränkung, dass §1666 IV BGB meint, Anordnungen würden nur gegenüber Privaten getroffen werden, widerspricht dem Wortlaut der Regelung und dem Sinn und Zweck derselben, eine Gefahr für ein Kind abzustellen. Welchen Unterschied macht es für ein Kind, ob es von einem Menschen in Uniform, einem Lehrer oder dem Nachbarn geschlagen wird? Was, wenn der Nachbar gleichzeitig noch Polizeibeamter wäre? Kommt es dann auf dessen Dienstzeiten an, wobei Beamte ja immer im Dienst sind? An dieser Stelle sieht man schon, wie absurd die Ausführungen sind. Art. 6 II GG gilt hier uneingeschränkt und gibt den Eltern die Möglichkeiten, tätig zu werden – auch gegen Dritte, auch vor dem Familiengericht. Nun kann man einwenden, dass der Bundesgerichtshof diese Auffassung widerlegt und anders bewertet. Anders als Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes sind Bundesgerichtshofs Entscheidungen nicht bindend, hiervon kann – mit guten Argumenten – abgewichen werden. Stimmen gibt es genug, die eine andere Auffassung zu §1666 IV BGB vertreten – mich eingeschlossen. Damit kann also Rechtsbeugung nicht begründet werden.
Rechtsbeugung nur weil es um die Maskenpflicht geht?
Man kann sich des Eindrucks also nicht erwehren, dass Rechtsbeugung nur wegen des kontroversen Themas Corona und Maskenpflicht getroffen werden soll. Deshalb habe ich oben das Beispiel Gewalt bewusst gewählt, um die Diskussion abstrakter zu gestalten. Wenn ein Lehrer als Lebensgefährte ein Kind schlägt, sind dann die Familiengerichte nicht mehr zuständig? Oder wenn der Vater Lehrer ist? An dieser Stelle wird es doch deutlich, wie willkürlich argumentiert wird.
Rechtsbeugung, weil Dritte beteiligt wurden?
Denn nach § 7 II Nr. 1 FamFG müssen diejenigen, die von dem Beschluss unmittelbar betroffen sind, am Verfahren beteiligt werden. Familiengerichtliche Entscheidungen wirken also auch nur zwischen den Beteiligten. Wie das Gericht auf die Idee kommt, den Beschluss auch auf unbeteiligte Kinder zu erstrecken, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Es stellt sich daher als vollständig willkürliche Erweiterung des Beschlusses dar.
Dass Beschlüsse nur zwischen den Beteiligten wirken, das wird bereits durch den Wortlaut des §1666 IV BGB widerlegt. Maßnahmen können auch gegen Dritte getroffen werden, die nicht Beteiligte sind. Auch hier halte ich die Argumentation für nicht schlüssig.
Aber wie ich bereits im Video ausgeführt habe, ist das Problem doch dass die betroffenen Kinder keine Möglichkeit hatten, ihre Sicht im Verfahren darzulegen, womit Art. 1 I GG i.V.m. §§158, 7, 9 FamFG verletzt ist, weil die anderen Kinder Objekt des Verfahrens wurden. Ich finde es bemerkenswert, dass ein solcher Artikel die Würde eines Kindes nicht als betroffen sehen möchte, dafür aber andere formelle Aspekte. Kann man so begründen, ich halte es aber für Systemwidrig.
Rechtsbeugung? Rechtsbeugung!
Auch ich bleibe dabei, dass Rechtsbeugung vorliegt, weil dritte Kinder keine Stimme im Verfahren hatten und damit gegen Verfassungsprinzipien verstoßen wurde. Solche Richter gehören aus dem Dienst entfernt. Aber: So oft wie falsche Entscheidungen im Familiengericht auch durch falsche Aussagen von Gutachtern und Jugendamt getroffen werden, die nicht geprüft oder hinterfragt werden, ist es schon bemerkenswert dass man bei einer Entscheidung, die einen ausufernden Staat in die Schranken weist, Rechtsbeugung annimmt, während man dies nicht tut, wenn der Staat bewusst nicht in die Schranken verwiesen wird.
Für mich bleibt die Formel klar: Weniger Staat ist mehr. Rechtsbeugung ja, aber wenn dann nicht ergebnisorientiert bejahen.
Ich habe heute dieses Schreiben auf Facebook gefunden, das ein Paradebeispiel für anwaltliche Falschberatung bei Gutachten ist. Ich übersende Euch das Schreiben hier zum Download, allerdings anonymisiert. Mir geht es nicht um Schelte einer Anwältin/eines Anwalts, sondern darum Fehler aufzuzeigen in der Hoffnung, dass in Zukunft besser beraten wird und anwaltliche Falschberatung bei Gutachten so nicht mehr vorkommt. Das Schreiben ist insoweit typisch, viele Mandanten und Menschen erzählen mir vergleichbares.
Anwaltliche Falschberatung bei Gutachten
Dieses Schreiben erhielt eine Mutter von ihrer Anwältin/ihrem Anwalt:
Sachverständigengutachten in der Sorgerechtssache betreffend Name des Kindes Bitte um kurze Rücksprache Sehr geehrte Frau Name der Mutter, heute hat mich die Sachverständige angerufen, Frau Name der Gutachterin ohne Titel ist vom Gericht beauftragt worden, ein Gutachten zu erstellen. Vorläufig hatte das Amtsgericht Name des Gerichtsortes Ihnen die elterliche Sorge für Ihre Tochter Name des Kindes entzogen. Ob es bei dieser Entscheidung bleibt, hängt vom Ausgang des Gutachtens ab. Die Gutachterin soll schauen, ob Sie die Verantwortung für das Kind übernehmen können. Wenn Sie dazu in der Lage sind, soll noch überprüft werden, ob Sie dabei Unterstützung brauchen und wenn ja, welche. Die Sachverständige benötigt für die Tätigkeit Ihr ausdrückliches Einverständnis. Die Teilnahme an der Begutachtung ist freiwillig. Es ist in Ihrem Interesse, an der Begutachtung teilzunehmen, da Sie die elterliche Sorge für Name des Kindes gerne wiederhaben möchten. In Ihrem eigenen Interesse bitte ich Sie daher, mit der Sachverständigen Kontakt aufzunehmen und einen Termin mit ihr zu vereinbaren. Bei Fragen können Sie mich gerne anrufen.
Unterschrift der Anwältin
Schreiben vom 29.07.2022 einer/eines Anwalts/Anwältin
An diesem Schreiben stimmt so einiges nicht, und anderes ist nur teils richtig. Ich möchte hier die wesentlichen Fehler darstellen.
Ob es bei dieser Entscheidung bleibt, hängt vom Ausgang des Gutachtens ab
Diese Aussage ist falsch. Ob es bei einer Entscheidung bleibt, hängt von vielen Faktoren ab, Beweiserhebungen, Einlassungen, dem konkreten Problem usw. Die sogenannte Erziehungsunfähigkeit ist nur manchmal ein Faktor. Leider ergibt sich aus dem Schreiben nicht einmal sicher, ob ein familienpsychologisches Gutachten erstellt werden soll oder ein anderes. Ich hätte mir hier bereits Aussagen über den Beweisbeschluss und die Qualifikation der Gutachterin gewünscht, wie es z.B. in den Mindestanforderungen zu lesen ist.
Beweisaufnahmen sind viele Dinge, nicht nur das Gutachten. Das Gericht darf die Amtsermittlung nicht alleine auf den Gutachter übertragen.
Ergebnis: Die Beratung ist hier bereits grob falsch. Das lässt schlimmes erahnen
Die Teilnahme an der Begutachtung ist freiwillig
Diese Aussage ist richtig. Doch wird an dieser Stelle auch der wesentliche Teil verheimlicht: Selbst wenn die Mutter nicht teilnimmt, wird trotzdem ein Gutachten erstellt werden. Ein solches Gutachten nach Aktenlage kann je nach Aktenlage eine bessere Option darstellen oder eine schlechtere. Dazu muss man aber die Aktenlage kennen. Jedenfalls sollte man den Mandanten nicht im Irrglauben lassen, dass ohne Einwilligung nichts weiter passiert.
Es ist in Ihrem Interesse, an der Begutachtung teilzunehmen, da Sie die elterliche Sorge für Name des Kindes gerne wiederhaben möchten
Diese Aussage ist Blödsinn. Es ist im Interesse der Mutter und des Kindes, das Verfahren zu fördern. Dazu gehört aber nicht blinde Unterstützung aller Wünsche des Gerichts. Wer sein Kind wiederhaben möchte, der muss bestehende Zweifel aufklären oder Gefahren für ein Kind verhindern. Das kann auf vielerlei Weisen passieren, muss nicht zwingend durch ein Gutachten erfolgen.
Zudem: Was ist wenn das Gutachten negativ ausgeht? Man sollte immer darauf hinweisen, dass Gutachten oft die schnellsten Wege sind ein Kind zurückzubekommen. Ein schlechtes Gutachten ist aber auch perfekt geeignet, ein Kind nicht mehr zurückzubekommen.
Diese Abwägung sollte man unter allen Aspekten treffen, die möglich sind: Aktenauswertung, Beweise würdigen, Chancen und Risiken einschätzen.
In Ihrem eigenen Interesse bitte ich Sie daher, mit der Sachverständigen Kontakt aufzunehmen
Anwälte sollen beraten, nicht raten was das Interesse der Mutter ist. Sie haben Vor- und Nachteile von Verhalten und Prozesslagen darzustellen, nicht darzustellen was angeblich im Elterninteresse läge. Ps.: Es geht bei §1666er Verfahren auch um das Kind, nicht um die Eltern.
Fazit:
Wenn man schon Bausteinschreiben raussendet, dann kann man diese einmal richtig darstellen. So ist die Beratung Müll und ein deutliches Zeichen von anwaltlicher Falschberatung bei Gutachten im Kindschaftsrecht. So, liebe Anwälte, geht es eben nicht. Aber ich hab das so oft ähnlich gehört. Nehmen Sie teil, sie sind doch ein guter Vater usw. Solche Falschberatungen, aus der Bequemlichkeit des Alltags geboren, bringen Leid über Familien und Kinder.
Ich hatte letztens einen Artikel über Bewertung von Anwälten geschrieben, was es zu beachten gilt. Ein anderer Aspekt sind anwaltliche Berufspflichten. Wenn ein Anwalt gegen diese Berufspflichten verstößt, dann kann man sich diesbezüglich bei der für den Anwalt zuständigen Rechtsanwaltskammer beschweren. Solche Beschwerden sind oft ohne Erfolg. Warum das so ist und wie ihr das vermeiden könnt, das schildere ich in diesem Artikel.
Beschwerde gegen Anwalt
Viele Beschweren sich gegen ein Verhalten ihres Anwaltes, ohne sich mit den Berufspflichten auseinanderzusetzen und ohne zu wissen, was die Kammer kann und was sie nicht tun kann. Solche Beschwerden gehen dann nach hinten los. Dabei ist es einfach zu vermeiden.
Die Kammer kann nichts ermitteln
Egal was ihr dem Anwalt vorwerft: Die Kammer kann und darf den Sachverhalt nicht ermitteln. Wenn ihr also keine Beweise habt oder der Anwalt einfach sagt das stimmt nicht, dann sind Beschwerden von keinem Erfolg gekrönt. Daher könnt Ihr Euch die Mühe sparen. Doch manche Sachverhalte sind auch beweisbar: Dann macht eine Beschwerde Sinn.
Welche Anwaltlichen Berufspflichten gibt es?
Es gibt im Gesetz die folgenden Berufspflichten in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO):
Gewissenhaftigkeit
Unabhängigkeitspflicht
Verschwiegenheitspflicht
Sachlichkeitspflicht
Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten
Fremdgeldbetreuungspflichten
Berufshaftpflichtpflicht
Fortbildungspflicht
Diese Pflichten sind in den §§43 ff., 53, 56, 59, 76 BRAO geregelt.
Gerade das Sachlichkeitsgebot ist entweder über Protokolle oder Schriftsätze beweisbar. Unsachlich verhält sich ein Anwalt, wenn er die Gegenseite nur noch persönlich angreift, ohne dass dies der Vertretung irgendwie dienlich ist. Gewissenhaftigkeitsverstöße ergibt sich auch aus Schriftsätzen oder beweisbarem Verhalten.
Auch Verstöße gegen die Fortbildungspflicht, die Pflichten bei Fremdgeldern und beim Erhalt einer Berufshaftpflichtversicherung sind beweisbar. Schwieriger sind es aber das Verbot Widerstreitende Interessen zu vertreten oder die Pflicht, unabhängig zu agieren.
Dabei verkennen Laien oft die Grenzen. Widerstreitende Interessen liegen nicht schon dann vor, wenn man jede Partei schon einmal vertreten hat, auch und soweit dies gegen genau diese andere Partei der Fall war. Denn leider muss die Vertretung in derselben Rechtsangelegenheit vorliegen. Daran scheitert es oft, weil alleine ein sachlicher Zusammenhang nicht ausreicht.
Sachlichkeitspflicht als Berufspflicht
Gegen das Sachlichkeitsgebot verstößt ein Anwalt, der bewusst Unwahrheiten verbreitet und herabsetzende Äußerungen nutzt, ohne dass andere hierzu Veranlassung gegeben hat. Insbesondere Beleidigungen sind hierunter zu sehen, auch wenn im Kampf um das Recht auch deutliche Kritik geäußert werden darf (was dann aber eben nicht anlasslos ist, weil man ja reagiert). Verboten sind damit auch Lügen weiterverbreiten, auch wenn der Anwalt seinem Mandanten glauben und vertrauen darf.
Gewissenhaftigkeitspflicht
Gegen die Pflicht, gewissenhaft zu handeln, verstößt, wer nichts tut oder falsches tut. Dabei gilt nicht jede Untätigkeit als Verstoß, die Bummelei muss eine grobe Pflichtwidrigkeit darstellen. Wer Fristen versäumt, Schriftsätze nicht weiterleitet, sich auf Termine nicht vorbereitet, nicht zurückruft, nie erreichbar ist, der verhält sich grob Pflichtwidrig und verstößt auch gegen die Grundpflicht zur gewissenhaften Berufsausübung. Dabei werden mehrere Verstöße schnell als Häufung eher eine Berufspflichtverletzung darstellen als eine einzige. Die Kommentare fordern dabei eben hartnäckige Untätigkeit. Auch hieran scheitern dann viele Beschwerden.
Fazit
Nicht jedes Fehlverhalten führt zu einer berufsrechtlichen Sanktion. Es muss schon eine gewisse Schwelle erreicht werden, ab der die Kammern dann einen Verstoß gegen das Berufsrecht annehmen. Diese Schwellen müssen allesamt beweisbar sein. Eine erfolglose Beschwerde wird einen Anwalt nur wütend machen, daher sollte man sparsam sein mit diesem Mittel, wenn man einen Anwalt noch braucht.
Viele Betroffene im Familienrecht beschweren sich über Anwälte. Zu wenig engagiert, zu teuer, zu leise. Eine legale Möglichkeit, sich seinen Frust von der Seele zu schreiben, die auch ankommt, ist es den Anwalt auf Google My Business, Anwalt.de oder ähnlichen Portal zu bewerten. Was man beachten sollte, wenn man einen Anwalt bewerten will, was man tunlichst nicht tun sollte und was erlaubt ist erzähle ich Euch in diesem Beitrag.
Bewertungsportale
Am Bekanntesten ist Anwalt.de, ein Portal in dem Anwälte kostenpflichtig werben, Artikel veröffentlichen können und sich präsentieren. Dort kann man seinen Anwalt bewerten. Die Bewertungen müssen aber freigeschalten werden. Eine andere Möglichkeit ist Google My Business, dort kann jeder mit einem Google Account eine Bewertung abgeben. Teils werden die Bewertungen dann auch in den Google Suchergebnissen angezeigt in der bewährten Sterne-Optik (bis 5 Sterne). Auch auf Facebook Seiten konnte man bewerten. Auf bewertet.de oder Provenexpert kann man ggf. ebenfalls seinen Anwalt bewerten.
Was gilt es zu beachten beim Anwalt bewerten?
Eine Bewertung sollte ehrlich sein. Wer also nie bei einem Anwalt war oder den Anwalt der Gegenseite bewertet, verhält sich bereits falsch. Es ist dann ein einfaches, eine solche Bewertung zu löschen oder gar abzumahnen.
Wenn ich aber eine konkrete Leistung in Anspruch genommen habe, was muss ich dann beachten bei meiner Bewertung?
Wie Bewertungen richtig abgeben
Bewertungen sind immer subjektiv. Ihr solltet das auch erwähnen. Formulierungen wie „meiner Meinung nach“, „ich hatte das Gefühl dass“ sind besser als Behauptungen faktischer Art.
Es ist schwerer anzugreifen wenn man schreibt „Ich hatte das Gefühl der Anwalt kannte meine Akte nicht“ als zu schreiben „Der Anwalt kannte meine Akte nicht“. Letzteres ist eine Tatsachenbehauptung und kann widerlegt werden (Zeugen, auch wenn diese die Wahrheit nicht sagen o.ä.)
„Ich fühle mich schlecht beraten“ ist besser als „ich wurde schlecht beraten“. Auch wenn man fakten nennt, bleibt immer ein Abmahnrisiko (bedenke: Du streitest mit einem Anwalt, der mit Streiten sein Geld verdient!). Wenn Du also schreibst „ich fühle mich schlecht vertreten, weil er im Termin fast nichts gesagt hat und nicht vorbereitet zu sein schien“ ist das weniger angreifbar als „ich war schlecht vertreten, weil er/sie/es/div. im Termin nichts sagte und nicht vorbereitet war“.
Meinungsfreiheit
Meinungsfreiheit gilt auch bei Bewertungen, trotzdem sollten diese neutral-objektiv gehalten sein, wenn es um sachliche Kritik geht. Der Ton sollte also angepasst sein. Aber auch in die Nutzungsbedingungen einer Plattform sollte man schauen, ob Kritik unter Pseudonym zulässig ist oder nicht.
Fazit
Eine Anwaltsbewertung ist ein netter Weg zur Rache, auch wenn man es nicht überbewerten sollte. Ich selber orientiere mich nie an 100% positiven Bewertungen, sondern achte auch auf schlechte. Wenn man nicht genau sagen kann was gestört hat oder Angst vor Angriffen hat, dann ist es besser nur eine Sternebewertung ohne Aussagen abzugeben. Diese hat aber weniger wert. Wenn Ihr inhaltlich was sagen wollt, versteckt Euch hinter Eurer Meinung oder Eurem Gefühl und meidet Tatsachenbehauptungen. Ein guter Anwalt wird auch Kritik annehmen. Ein schlechter wird Euch dann unters Korn nehmen.
Familie in Tieren ist ein projektiver Test, der gerne in familienpsychologischen Gutachten verwendet wird. Der Test wurde 1957 von Luitgard Brem-Gräser entwickelt.
Familie in Tieren: Aufgabe
Die Aufgabe lautet: Das Kind soll sich seine Familie in Tieren vorstellen und diese dann zeichnen.
Interpretation der Zeichnung Familie in Tieren
Man erhofft sich aus der zeichnerischen Anwendung einen tiefenpsychologischen Schluss auf die Gedankenwelt des Kindes. Weil keine Worte verlangt werden, soll es, so die Idee, dem Kind leichter fallen zu zeichnen was es denkt. Zum Beispiel soll man Konflikte schildern können, ohne dass man verbal diese so benennen muss.
Auswertung der Zeichnung
„Die Auswertung erfolgt in „freier“ Interpretation nach tiefenpsychologisch oder systemisch orientierten Kriterien zu bestimmten Gesichtspunkten. Die Autorin selbst gibt hier eine Hilfestellung mit einem Katalog der Tiereigenschaften. Als weiteres Kriterium gilt die Anordnung, Größe und Art der Tiere auf dem Bild:
Welche Familienmitglieder werden in der gleichen Ebene gezeichnet?
Wer wendet sich wem zu?
Wer wendet sich von wem ab?
Welche räumlichen Distanzen bestehen zwischen den Familienmitgliedern?
Wie groß sind die Tiere dargestellt?
Welche Übereinstimmungen bzw. Unterschiede gibt es hinsichtlich der Gattung der gezeichneten Tiere (zum Beispiel Haus- oder Wildtiere, Säugetiere, Insekten etc.)?
Anders als beim Rorschach-Test sind die Zeichnungen nicht zwingend a priori bedeutungslos. Sie werden vom Tester subjektiv bewertet.“
Die Probleme bei der Auswertung sind in der subjektiven Gedanken desjenigen, der die Testung durchführt. Wer wendet sich wem zu kann sowohl technisch begründet sein (weil das Kind nur so malen kann), als auch subjektive Gründe haben, die nicht mit einem Streit zu erklären sind. Wenn der Vater weit weg wohnt ist es doch normal, diesen auch weiter weg zu zeichnen. Die räumliche Distanz wäre daher der Realität angepasst und würde nicht eine emotionale Distanz widerspiegeln. Das, was der Gutachter darin sehen möchte – trotz der systemischen Kriterien – wird er interpretieren, nicht zwingend das was gezeichnet oder gar gemeint ist.
Verwendbarkeit und Gütekriterien
Das Testkuratorium deutscher Psychologenvereinigungen kommt in seiner Rezension von 2014 zu dem Ergebnis, dass „Familie in Tieren“ aufgrund der ausschließlich auf Intuition beruhenden Interpretation die Mindestanforderungen an Gütekriterien psychodiagnostischer Verfahren nicht erfüllt (F. Baumgärtel, R. Thomas-Langel: TBS-TK Rezension: Familie in Tieren. In: Report Psychologie. 11/12, 2014, S. 453–454.) Petermann hält die Verwendung von „Familie in Tieren“ daher als Test für nicht verantwortbar und die Verwendung als Explorationshilfe für spekulativ (vgl. F. Petermann: Familie in Tieren – Die Familiensituation im Spiegel der Kinderzeichnung. In: Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie. 18, 1–2, 1997, S. 90–92.).
Frau Lutz hingegen verteidigt den Test (vgl. Christiane Lutz: Projektive Verfahren und ihre Verwendung für die psychodynamische Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen. In: Hans Hopf, Eberhard Windaus (Hrsg.), (2007). Lehrbuch der Psychotherapie, Band 5: Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. München: CIP Medien. (S. 159 – 174))
Da der Test nicht objektiv ist und nicht zuverlässig, kann er in wissenschaftlich fundierten Gutachten nicht verwendet werden. Allenfalls als kleine Explorationshilfe mag er eine Rolle spielen, ich selbst würde ein Gutachten aber an einem solchen Test scheitern lassen.
local_hospital
Du benötigst Hilfe beim Gutachten anfechten?
Du oder Dein Anwalt, Ihr wisst beide nicht wie Ihr mit dem Gutachten umgeht? Wie man sowas anfechten kann? Da habe ich die Lösung für Euch: Meine Gutachtensrezension, eine rechtlich-sachliche Analyse als Rechtsgutachten -> Hilfe beim Gutachten anfechten
Projektive Tests in familienpsychologischen Gutachten gibt es viele. Sie sind auch recht beliebt, vorallem weil der Gutachter einen weiten, wenig prüfbaren Spielraum bei der Auslegung hat. Ich erläutere Euch in diesem Artikel projektive Tests, was genau das ist und welche es gibt. Gutachten, die nur auf solchen Tests aufbauen, sind mit Vorsicht zu geniessen.
Was sind projektive Tests in familienpsychologischen Gutachten
Projektive Tests sind:
Gruppe von Testverfahren, bei denen die Probanden zu einem mehrdeutigen Stimulusmaterial Assoziationen bilden. Die Reizvorlagen werden inhaltlich möglichst unbestimmt belassen. Dies soll den Probanden Gelegenheit geben, bei der Assoziation Informationen aus ihrer eigenen Erlebniswelt zu verwerten. Es besteht also die Erwartung, daß die Personen ihre Emotionen und Motive in die Vorlage hineinprojizieren und dadurch offenlegen.
Das sagt ja der Name schon: Man projiziert Aussagen in den Test. Man möchte damit auch umgehen, falls eine Person/Kind/Opfer über bestimmte Dinge nicht sprechen kann oder will. Weil die Erfüllung der Aufgabe unbewusst eben die Meinung des Probanden projiziert. Das soll also alles tiefenpsychologisch inspiriert und nachvollziehbar sein.
Das hat aber einen großen Nachteil: Die Interpretation des Testergebnisses liegt im Auge des Betrachter. Der ehemalige Familienrichter Elmar Bergmann hat das im Fernsehen mal schön zusammengefasst:
Damit ist eigentlich alles über solche projektiven Tests gesagt. Eigentlich sollte man sie „subjektive“ Tests nennen.
Das ist natürlich keine abschließende Auswahl, aber es sind gängige Tests.
local_hospital
Du benötigst Hilfe beim Gutachten anfechten?
Du oder Dein Anwalt, Ihr wisst beide nicht wie Ihr mit dem Gutachten umgeht? Wie man sowas anfechten kann? Da habe ich die Lösung für Euch: Meine Gutachtensrezension, eine rechtlich-sachliche Analyse als Rechtsgutachten -> Hilfe beim Gutachten anfechten
Natürlich würden Psychologen jetzt sagen, dass es natürlich Interpretationshilfen gibt und man nicht frei Schnauze loslegen dürfe:
Interpretationshilfen sind vorhanden
Wikipedia schreibt zum Beispiel zu Familie in Tieren:
„Die Auswertung erfolgt in „freier“ Interpretation nach tiefenpsychologisch oder systemisch orientierten Kriterien zu bestimmten Gesichtspunkten. Die Autorin selbst gibt hier eine Hilfestellung mit einem Katalog der Tiereigenschaften. Als weiteres Kriterium gilt die Anordnung, Größe und Art der Tiere auf dem Bild:
Welche Familienmitglieder werden in der gleichen Ebene gezeichnet?
Wer wendet sich wem zu?
Wer wendet sich von wem ab?
Welche räumlichen Distanzen bestehen zwischen den Familienmitgliedern?
Wie groß sind die Tiere dargestellt?
Welche Übereinstimmungen bzw. Unterschiede gibt es hinsichtlich der Gattung der gezeichneten Tiere (zum Beispiel Haus- oder Wildtiere, Säugetiere, Insekten etc.)?“
Meiner Meinung nach reicht das nicht. Zum einen wird auf die Fähigkeiten eines Kindes zu Malen/Zeichnen wenig Rücksicht genommen. Zudem sind die Ursachen, warum z.B. Distanz zwischen Familienmitgliedern gezeichnet ist, rein subjektiv. Das Kind kann den Vater weit weg zeichnen, weil er weit weg wohnt oder weil er sich (subjektiv gefühlt) nicht kümmert oder nicht kümmern kann. Es kann also sowohl räumlich als auch emotional gemeint sein. Daher kommt das Testkuratorium deutscher Psychologenvereinigungen in seiner Rezension von 2014 zu dem Ergebnis, dass „Familie in Tieren“ aufgrund der ausschließlich auf Intuition beruhenden Interpretation die Mindestanforderungen an Gütekriterien psychodiagnostischer Verfahren nicht erfüllt (siehe Wikipedia). Ein Test muss nämlich objektiv und zuverlässig sein.
Dasselbe Problem gibt es beim Baumzeichentest. Man interpretiert wie groß und wie genau das Kind einen Baum zeichnet. Doch was sagt ein starker Stamm aus über die Bindung? Und hat das Kind einfach mit einem zu großen Stamm angefangen und dann ging der Platz aus? Kann ein starker Stamm ohne Blätter wachsen?
Was helfen projektive Tests in familienpsychologischen Gutachten?
Projektive Tests können am Ende eines Gutachtens unterstützen. Wenn ein Kind nicht reden kann oder will, weil es viel erlebt hat oder der Loyalitätskonflikt da ist. Wenn aber insbesondere viele Informationen in der Akte sind, die durch solche Sichtweisen gestützt oder widerlegt werden. Und in jedem Fall muss der Gutachter offenlegen, dass das eine reine subjektive Interpretation ist. Wie er zu seinen Schlüssen kommt, muss prüfbar und nachvollziehbar sein.
Deshalb müssen die Bilder oder Aussagen auch wörtlich / bildlich im Gutachten anliegen. Sonst ist das Gutachten diesbezüglich unverwertbar.
Fazit projektive Tests
Projektive Tests sollten im Gutachten möglichst nicht verwendet werden und wenn dann nur eine Randmeinung darstellen. Gutachten aus rein projektiven Tests sind unverwertbar und unwissenschaftlich.
Wechselmodell auch bei Kommunikationsproblemen oder erheblichen Störungen der Kommunikation kein Problem – zu dem Schluss kommt das OLG Dresden Beschluss vom 14.04.2022 – 21 UF 304/21 – freilich unter der Einschränkung, dass dieses Wechselmodell bereits gelebt sein muss. Trotzdem eine Entscheidung, die Hoffnung machen kann:
Leitsatz Wechselmodell auch bei Kommunikationsproblemen
Ein Wechselmodell kann gegen den Willen eines Elternteils auch bei einer erheblichen Störung der elterlichen Kommunikation gerichtlich angeordnet werden, wenn das Wechselmodell bereits seit geraumer Zeit tatsächlich gelebt wird, es dem beachtlichen Willen des Kindes entspricht und nachteilige Auswirkungen auf das Kind nicht feststellbar sind.
Die dortige Mutter war gegen die Anordnung des Wechselmodells gewesen. Begründet wurde die Beschwerde mit erheblichen Kommunikationsstörungen und der Manipulation des Kindeswillens. Dem hat das Oberlandesgericht nun eine Abfuhr erteilt.
Das Oberlandesgericht bekennt sich selbst in einem höchsten Konfliktfall zur BGH Rechtsprechung. Obwohl ein höchst komplexer Fall vorlag mit vielen Streiereien.
Selbst Eskalationsexzesse hindern Wechselmodell nicht
Auszugsweise führt der Beschluss aus:
Eine vernünftige, am Kindeswohl orientierte Kooperation und Kommunikation zwischen den Eltern ist auch derzeit kaum möglich. Es fehlt weiterhin an gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Eine von dem Antragsteller und der Antragsgegnerin im Senatstermin am 22.06.2021 vereinbarte außergerichtliche Mediation ist gescheitert. Die Antragsgegnerin hat hierzu erklärt, sie habe die Mediation beendet, weil der Antragsteller sie fortlaufend beleidigt und ihr ein kriminelles Verhalten unterstellt habe. An Absprachen, die während der Mediation getroffen worden seien, habe sich der Antragsteller im Nachhinein nicht gehalten. Der Antragsteller hat noch während des Laufs des Mediationsverfahrens im Januar 2022 Strafanzeige gegen die Antragsgegnerin mit der Begründung erstattet, diese habe ein Handy, das er L… zu Weihnachten 2020 geschenkt habe, an Dritte veräußert. Im Senatstermin am 17.03.2022 hat die Antragsgegnerin berichtet, dass es mit dem Antragsteller derzeit keine Kommunikation gebe. Der Antragsteller hat seinerseits geschildert, dass eine Kommunikation der Eltern gegenwärtig nur über L… oder über die Schule stattfinde. Ein Fahrradunfall des Kindes im April 2021 hat zu seinem nach wie vor noch anhängigen Sorgerechtsverfahren vor dem Familiengericht geführt, nachdem die Eltern kein Einvernehmen über die erforderliche ärztliche Behandlung erzielen konnten. Nach Einschätzung des Jugendamtes dauert der massive Elternkonflikt, dem L… schutzlos ausgesetzt ist, seit dem Jahre 2018 bis heute unverändert an.
Es wurde also alles mögliche an Stress produziert. Oft stellt man sich sowieso in der Beratungspraxis die Frage, ob Eltern nicht bewusst die Kommunikation hindern, um ein Wechselmodell zu verhindern.
Wechselmodell darf Kind nicht belasten
Darauf kommt es aber nicht an, solange das Wechselmodell das Kind nicht belastet:
Dabei ist die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern aber nur ein Abwägungsgesichtspunkt, der im Einzelfall zurücktreten kann. Auch bei hochkonfliktbehafteten Eltern kann das Wechselmodell dem Kindeswohl entsprechen, und zwar dann, wenn zu erwarten ist, dass das Wechselmodell die Belastung des Kindes durch den Elternkonflikt nicht verstärkt, darüber hinaus die Belastung sogar vermindert (vgl. Wache, Anm. zu OLG Bamberg, Beschluss vom 01.03.2019 – 7 UF 226/18 -, NZFam 2019, 574; Salzgeber, NZFam 2014, 921, 929).
Jede Betreuung an Vor- und Nachteilen messen, auch das Wechselmodell!
Wichtig dabei ist immer, dass bei jedem Betreuungsmodell alle Vor- und Nachteile aller Konstellationen abzuwägen sind:
Vor- und Nachteile für das betroffene Kind und seine Eltern wertend gegeneinander abzuwägen (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 2019, 979, 980 = NZFam 2019, 574; KG, FamRZ 2018, 1324, 1326; Hammer, FamRZ 2015, 1433, 1442).
OLG Bamberg FamRZ 2019, 979
Das Wechselmodell kann Schadensminimierung sein
Diese Aussage des OLG finde ich so unendlich wichtig. Und man muss sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Das Wechselmodell kann Schadensminimierung sein. Insbesondere wenn es seit einem Jahr keine Probleme beim Wechsel gab und die Schule das bestätigt, steht einem Wechselmodell nichts entgegen.
Die Entscheidung ist wichtig, weil der Focus auf das verlegt wird, was wirklich zählt: Dass es dem Kind gut geht. Echte oder vorgeschobene Probleme der Eltern sind zu vernachlässigen. Dem kann ich mich nur anschließen.
Wie man eine Verzögerungsrüge richtig macht, erkläre ich in diesem Beitrag. Wichtig: In Kindschaftssachen gilt das Beschleunigungsgebot des §155 FamFG.
Vorrangs- und Beschleunigungsgebot in §155 FamFG
Dieser lautet in Absatz 1:
(1) Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen.
Das Gegenteil ist der Fall. Oft lassen sich die Gerichte viel Zeit. Notwendige Beweisaufnahmen werden nicht durchgeführt. Terminierungen erfolgen zu spät, obwohl das Gesetz hier klare Regeln kennt: 1 Monat nach Verfahrenseinleitung:
(2) Das Gericht erörtert in Verfahren nach Absatz 1 die Sache mit den Beteiligten in einem Termin. Der Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Das Gericht hört in diesem Termin das Jugendamt an. Eine Verlegung des Termins ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Der Verlegungsgrund ist mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen.
§155 Abs. 2 FamFG
Das richtige Mittel gegen solche den Familien schadenden Verzögerungen sind die Verzögerungsrüge und die Beschleunigungsrüge, die im GVG geregelt sind.
Was ist eine Verzögerungsrüge
Die Verzögerungsrüge ist die Rüge bei Gericht, dass man Angst hat dass das Verfahren nicht mit der notwendigen Sorgfalt betrieben wird. Geregelt ist sie in §198 GVG:
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist.
Es geht also um Entschädigungen bei zu langen Verfahren.
Wie stelle ich die Verzögerungsrüge richtig?
Um die Verzögerungsrüge richtig zu stellen, muss man
beim Gericht der Sache (also dem Familiengericht mit dem Aktenzeichen des Verfahrens, das man rügt)
mitteilen
dass man die Sorge hat, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird
Weiter darf man nur
alle sechs Monate eine solche Rüge erheben oder
öfter, wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist.
Weil der Gesetzgeber aber erkannt hat, dass dieses Instrument in vielen Verfahren nicht richtig passt (die Verzögerungsrüge gilt in jedem gerichtlichen Verfahren!), hat er für Kindschaftssachen eine weitere Möglichkeit eingefügt: Die Beschleunigungsrüge
Was ist eine Beschleunigungsrüge
Die Beschleunigungsrüge ist in §155b FamFG geregelt und lautet:
(1) 1Ein Beteiligter in einer in § 155 Absatz 1 bestimmten Kindschaftssache kann geltend machen, dass die bisherige Verfahrensdauer nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot nach der genannten Vorschrift entspricht (Beschleunigungsrüge). 2Er hat dabei Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass das Verfahren nicht vorrangig und beschleunigt durchgeführt worden ist.
(2) 1Das Gericht entscheidet über die Beschleunigungsrüge spätestens innerhalb eines Monats nach deren Eingang durch Beschluss. 2Hält das Gericht die Beschleunigungsrüge für begründet, hat es unverzüglich geeignete Maßnahmen zur vorrangigen und beschleunigten Durchführung des Verfahrens zu ergreifen; insbesondere ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen.
(3) Die Beschleunigungsrüge gilt zugleich als Verzögerungsrüge im Sinne des § 198 Absatz 3 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes.
Man sieht bereits, dass hier anders als bei der Verzögerungsrüge nicht die Geldkompensation im Vordergrund steht, sondern die echte Beschleunigung. Deshalb muss man hier auch konkret vortragen, was getan werden muss.
Wie stelle ich die Beschleunigungsrüge richtig?
Die Voraussetzungen für eine Beschleunigungsrüge lauten:
man muss in einer Kindschaftssache Beteiligter sein
die bisherige Verfahrensdauer darf nicht dem Beschleunigungsgebot entsprechen
es müssen Verfahrenshandlungen unterlassen worden sein
Die Verfahrensdauer meint z.B. §155 FamFG mit der Monatsfrist für Anhörungen. Erfahrungsgemäß findet die erste Anhörung zwar rechtzeitig statt, danach passiert aber oft wenig. Deshalb muss man hier vortragen, was genau unterlassen wurde, z.B. dass es keinen Beweisbeschluss gibt, der Gutachter zu langsam arbeitet, beantragte Beweisaufnahmen nicht erfolgen, Akten nicht beigezogen sind usw.
Je konkreter ihr hier werdet, desto besser. Denn das Gericht muss sich innerhalb von einem Monat hiermit auseinandersetzen. Aussitzen geht also nicht einfach. Und das beste: Die Beschleunigungsrüge ist gleichzeitig eine Verzögerungsrüge.
Wie sieht so eine Musterformulierung Beschleunigungsrüge aus?
Ich habe Euch ein Muster vorbereitet. Dieses müsst Ihr natürlich anpassen und nur konkret reinschreiben, was bei Euch falsch läuft. Gleichzeitig habe ich trotzdem viele Grundsatzprobleme reingenommen.
Der immaterielle Schaden wird vom Gesetz mit 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung bemessen:
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
Dabei wird nur die konkrete Verzögerung berücksichtigt, und auch erst ab der Verzögerungsrüge. Der Schadensersatz ist also oft eher ein Taschengeld.
Was tue ich, wenn Beschleunigungsrüge und Verzögerungsrüge nicht fruchten?
Dann kann man mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde arbeiten oder einem Befangenheitsgesuch. Eine außerordentliche Beschwerde wegen unzureichenden Beschwerderechts wird weitgehend abgelehnt durch die Einführung der Anhörungsrüge.
Heute möchte ich mit Euch über das Wesentliche im Sorgerechtsstreit sprechen. Meine Erfahrung ist, dass viel zu oft viel zu viel geschrieben wird, oft mit der Gegenseite gestritten wird, und dabei das Wesentliche vergessen wird. Weniger ist manchmal mehr. Hierzu also meine Gedanken.
Das Wesentliche im Sorgerechtsstreit
Das Wesentliche im Sorgerechtsstreit ist erst einmal das Wohl des Kindes. Alles, was Ihr vortragt, sollte daran orientiert sein. Das sind so Kleinigkeiten wie „konkret, gegenwärtig und erheblich“ der Gefahr für das Kind. Diese drei Tatbestandsmerkmale müssen erfüllt sein, dazu muss man vortragen. Fehl am Platz sind hingegen Schuldzuweisungen an den anderen. Denn es geht um das Wohl des Kindes, nicht darum zu streiten und zuzuweisen wer welche Verantwortung trägt.
Das Wesentliche an Rechtsprechung
Auch bei Entscheidungszitaten sollte man sich auf das Wesentliche konzentrieren. Es reicht aus, eine Entscheidung zu zitieren, nicht 5. Denn entweder sagen alle 5 dasselbe aus, dann brauche ich nur ein Zitat (ggf. mit m.w.N., also „mit weiteren Nachweisen“ erweitert). Oder die fünf Entscheidungen sagen was anderes aus, dann kann man aber nicht alle zusammen zitieren. Ich selber arbeite auch oft mit Zitaten aus den Beschlüssen/Urteilen, weil es so für alle verständlicher wird, worauf man genau abzielt. Aber auch hier gilt: Weniger zitieren ist meist mehr. Lieber nur ein Satz als eine ganze Seite.
Streiten ist nicht wesentlich
Streiten oder Lamentieren ist nicht wesentlich. Natürlich muss man immer mal wieder auch dagegenhalten. Aber lasst es nicht zu, dass man den Rechtsstreit auf andere Ebenen trägt. Wenn ich eine Kindeswohlgefahr vortrage und von der Gegenseite kommen dann nur Vorwürfe, dann lasst Euch nicht darauf ein das seitenweise zu replizieren. Das bringt in der Sache nichts. Wenn das gelogen ist, reicht es meist ein Beispiel zu benennen, belege vorzulegen und dann zu sagen dass es um das Wohl des Kindes geht, nicht aber um persönliche Differenzen, weshalb man die Diskussion hierüber verweigert. Das macht Eindruck! Und darüber hinaus reduziert ist den Streitgegenstand auf das Wesentliche! Die Gegenseite hingegen wird nicht selten das alles zu nutzen zu suchen, um von eigener Verantwortung abzulenken. Lässt man sich auf den Streit ein, besteht die Gefahr, dass das Kind am Ende ohne Eltern dasteht. Weil die Eltern ja nur am Kind zerren und streiten. Weil sich keiner auf das Wohl des Kindes fokussiert. Lasst Euch hier nicht verführen!
Reduzierter Vortrag ist besser!
Die meisten Schriftsätze von Laien sind viel zu lang. Versucht zu reduzieren. Um 50%, Weniger ist mehr. Mehr als 10 Seiten sollten es nur absolut selten sein. Wenn es viel Material ist, arbeite ich auch lieber mit 3 Schriftsätzen a 2 Seiten als einem Schriftsatz a 6 Seiten. Warum? Weil man 2 Seiten schnell überblickt, 6 Seiten aber ggf. nicht liest.
Gefahr des Wesentlichen
Reduktion auf das Wesentliche birgt aber auch die Gefahr etwas zu vergessen. Ich kenne das Problem. Da braucht es etwas Fingerspitzengefühl. Das kann man nicht als Falsch oder Richtig sehen. Da gibts auch kein Patentrezept. Erfahrene Anwälte können hier natürlich helfen. Daher der Grundsatz: Weniger ist mehr. Und Reduktion auf das Wesentliche ist besser als ausufernde Streitereien.
Ich hoffe, Euch damit ein wenig geholfen zu haben.