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Gutachten

Glaubhaftigkeitsbeurteilung durch den Richter

Wenn sich die Eltern gegenseitig beschuldigen, zu Lasten des Kindes dessen Wohl verletzt zu haben, oder ein Elternteil den anderen misshandelt hat, dann muss ohne objektive Beweismittel die Glaubhaftigkeitsbeurteilung durch den Richter entscheidend erfolgen. Nicht immer darf in einem solchen Fall ein Sachverständiger die Glaubhaftigkeit beurteilen. Denn es ist Aufgabe des Tatrichters, darüber zu entscheiden was an Beweisen verwertbar ist.

Glaubwürdigkeit gegen Glaubhaftigkeit

Zuerst ist zwischen Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit zu unterscheiden. Glaubwürdigkeit ist die Frage, ob eine Person als solches mit ihrer Lebensgeschichte, Alter, Fähigkeiten grundsätzlich glaubwürdig ist, also als Person und als ganzes. Glaubhaftigkeit hingegen meint die Frage, ob konkrete Aussagen richtig sind.

Glaubhaftigkeit durch Richter statt Gutachten

Der BGH (in Strafsachen) hat sich hierzu wiederholt mit auseinandergesetzt, wann eine Glaubhaftigkeitsbeurteilung durch einen Gutachter erfolgen muss und wann es ausreicht, dass der Richter seine Kompetenz nutzt:

Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatgerichts. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass Berufsrichter über diejenige Sachkunde bei der Anwendung aussagepsychologischer Glaubwürdigkeitskriterien verfügen, die für die Beurteilung von Aussagen auch bei schwieriger Beweislage erforderlich ist, und dass sie diese Sachkunde den beteiligten Laienrichtern vermitteln können. Dies gilt bei jugendlichen Zeugen erst recht, wenn die Berufsrichter – wie auch hier – zugleich Mitglieder der Jugendschutzkammer sind und über spezielle Sachkunde in der Bewertung der Glaubwürdigkeit von jugendlichen Zeugen verfügen (BGH, Urteil vom 18. August 2009 – 1 StR 155/09, NStZ 2010, 51, 52). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Hinzuziehung eines psychologischen Sachverständigen lediglich dann geboten, wenn der Sachverhalt Besonderheiten aufweist, die Zweifel daran aufkommen lassen, ob die eigene Sachkunde des Tatgerichts zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den konkret gegebenen Umständen ausreicht (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 12. November 1993 – 2 StR 594/93, StV 1994, 173; BGH, Beschluss vom 25. April 2006 – 1 StR 579/05,NStZ-RR 2006, 242, 243). Solche Umstände können gegeben sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erinnerungsfähigkeit einer Beweisperson aus besonderen, psychodiagnostisch erfassbaren Gründen eingeschränkt ist oder dass besondere psychische Dispositionen oder Belastungen – die auch im verfahrensgegenständlichen Geschehen selbst ihre Ursache haben können – die Zuverlässigkeit der Aussage in Frage stellen könnten, und dass für die Feststellung solcher Faktoren und ihrer möglichen Einflüsse auf den Aussageinhalt eine besondere, wissenschaftlich fundierte Sachkunde erforderlich ist, über welche der Tatrichter im konkreten Fall nicht verfügt (BGH, Urteil vom 26. April 2006 – 2 StR 445/05, NStZ-RR 2006, 241 mwN).

BGH 1 StR 602/12

Glaubwürdigkeitskriterien und Sachkunde des Richters

Der Dreh und Angelpunkt ist hier wie so oft das Problem der „Sachkunde“ zu „aussagepsychologischen Glaubwürdigkeitskriterien. Viele Richter werden diese Kompetenzen eben nicht haben, eine „Zwangsfortbildung“ hierüber gibt es nicht. Hier wäre es wünschenswert, wenn die Kenntnis greifbarer wäre (Zertifikate, die im Geschäftsverteilungsplan benannt sind usw.). Denn solange es auf die Selbsteinschätzung des Richters ankommt, kann hier nichts positives entstehen. Es bleibt willkürlich und nicht prüffähig.

Wann darf der Richter die Glaubhaftigkeit nicht alleine beurteilen

In den folgenden Fällen wird ein Richter nicht umhin kommen, die Glaubhaftigkeit durch ein aussagepsychologisches Gutachten prüfen zu lassen:

  • Junges Alter des Zeugen
  • Vielzahl von angeblichen Taten/Handlungen
  • Psychische Auffälligkeiten beim Zeugen (Persönlichkeitsstörungen)
  • Besondere Belastungen durch das Verfahren
  • Eingeschränkte Erinnerungsfähigkeit

Gerade bei Missbrauch und körperlicher Gewalt kann sich dies mehrfach auswirken. Denn langjährige Misshandlungen führen zu psychischen Auffälligkeiten und Verdrängungsmechanismen. Daher sollte in einem solchen Fall das Gericht immer ein aussagepsychologisches Gutachten einholen.

Wie so ein aussagepsychologisches Gutachten aussieht, dazu werde ich bald mehr schreiben.

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Gutachten

Kein Anwesenheitsrecht Zeuge bei Gutachten

Das Kammergericht in Berlin hat im Verfahren 3 UF 1069/20 sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob und unter welchen Umständen während der Exploration ein Zeuge mit anwesend sein darf. Es kommt zu folgendem Schluss: Es gibt kein Anwesenheitsrecht Zeuge bei Gutachten. Das Kammergericht setzt sich hier ab von der bekannten Entscheidung des OLG Hamm II-14 UF 135/14, die einen Zeugen zulässt, soweit dieser schweigt und nicht stört

Kein Anwesenheitsrecht Zeuge bei Gutachten

Das Kammergericht meint insoweit, dass ein Anwesenheitsrecht eines auch sachverständigen Zeugen alleine deshalb unzulässig ist, weil dann auch der Gegenseite die Anwesenheit zuzulassen sein müsste. Denn dies gebietet die Waffengleichheit:

 Denn es ist denkbar, dass der zu Untersuchende und die in seinem Lager stehende Begleitperson einen Sachverhalt schildern, der die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen begründen könnte, ohne dass sich der Sachverständige – wenn keine Video- oder Tonaufnahmen darüber vorliegen – dagegen wehren und ohne dass die übrigen Beteiligten Einblick in das Geschehen hätten und dem entgegentreten könnten. Es ist auch zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf die Stellung des Sachverständigen als eines Gehilfen des Gerichts kein Grund besteht, dem jeweiligen Beteiligten generell das Recht zuzubilligen, eine Vertrauensperson als Zeugen hinzuzuziehen (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 11. Juni 2013 – 2 A 11071/12 -, juris).

Kammergericht aaO

Dass in Verfahren grundsätzlich auch die Frage der Parteiöffentlichkeit und Beweisunmittelbarkeit zu beachten sind, verkennt das Kammergericht. Und: Es ist spannend, dass es ein Argument sein soll, dass sich dann der Sachverständige nicht wird wehren können, während umgekehrt die mangelnde Möglichkeit des Explorierten sich zu wehren kein Problem darstellt. Diese Argumentation ist bedenklich und könnte eine Befangenheit darstellen.

Ein weiteres Argument ist folgendes: Die Anwesenheit einer Begleitperson soll ein sachliches Begutachtungsergebnis nicht erreichbar machen und damit der Erkenntniswert des Gutachtens beeinträchtigen. Das ist erstaunlich. Weil doch bereits die Begutachtungssituation per se etwas besonderes ist und dadurch der Explorierte nervös etc. ist. Da kann eine beruhigende Person sogar positiv wirken. Das ist ein Argument, das meiner Meinung nach ins Blaue hinein getätigt ist.

Schweigepflichtsverstöße?

Absurd wird es dann, wenn ein Schweigepflichtsverstoß und ein Verstoß gegen die Nichtöffentlichkeit konstruiert wird:

Im Übrigen steht der Anwesenheit einer Begleitperson, die nicht Verfahrensbeteiligte ist, der Sinn und Zweck der Regelung des § 170 Abs. 1 Satz GVG entgegen. Zum Schutz der Privatsphäre und der Persönlichkeitsrechte der Beteiligten werden Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Familiensachen nichtöffentlich durchgeführt. Einsicht in familiengerichtliche Akten kann Dritten nur gewährt werden, soweit schutzwürdige Interessen eines Beteiligten und eines Dritten nicht entgegenstehen, § 13 Abs. 1 FamFG. Mit dem Schutz der Privatsphäre und der Persönlichkeitsrechte des Kindes und der Mutter ist es aber nicht vereinbar, dass Dritte in das vom Senat angeordnete Begutachtungsverfahren einbezogen würden. Auch wenn nur die Gespräche und Untersuchungen des Vaters der Beobachtung durch einen Dritten unterlägen, müssen doch Sachverhalte mit dem Vater erörtert werden, die die Mutter und das Kind betreffen und die diese dem Sachverständigen unter der Prämisse seiner Verschwiegenheitspflicht anvertraut hatten. Es bestehen daher insoweit auch Bedenken gegen die Teilnahme einer Begleitperson wegen eines Verstoßes gegen die Schweigepflicht des Sachverständigen, die gemäß § 203 StGB geahndet werden könnten.

Kammergericht aaO

Grundsätzlich hat der Anwalt Anwesenheitsrecht!

Denn eine fachkundige dritte Person oder der eigene Anwalt hat grundsätzlich ein Anwesenheitsrecht. Sich hier hinter Persönlichkeitsrechten zu verstecken ist bedenklich und meiner Meinung nach nicht geeignet, um Vertrauen in Gutachten zu erwecken. Zudem sollte im Gutachten doch sowieso alles stehen, was gesagt wird. Also erfahren das die Beteiligten auch. Wenn überhaupt könnte man das alles ja technisch regeln (Nebenraum mit Videoübertragung, Durchsichtiger Spiegel).

Die Anwesenheit von sachkundigen Dritten oder des Prozessbevollmächtigten zu verbieten ist bedenklich und dürfte Art. 6 EMRK verletzten

Michael Langhans, Volljurist

Es fällt auf, dass man hier alles versucht, um eine Prüffähigkeit des Gutachtens durch externe Dritte zu verhindern. Das dürfte meiner Meinung nach die Besorgnis der Befangenheit begründen. In keinem anderen Rechtsbereich ist eine sachkundige dritte Person ausgeschlossen, nur in familienrechtlichen Sachen?

Keine Einsicht in Videoaufnahmen der Exploration

Und dann wird es skuril: Selbst wenn eine Videoaufnahme angefertigt wurde, sollen die Beteiligten darauf nicht zugreifen können:

Die Herstellung einer Ton- oder Videoaufzeichnung seitens des Sachverständigen kann von den Eltern nicht beansprucht werden (vgl. auch KG, Beschluss vom 28. April 2015 – 16 UF 244/14 -, BeckRS 2015, 18471 Rn. 29, beck-online). Soweit der Sachverständige jedoch die Anfertigung von Videoaufnahmen als vertrauensbildende Maßnahme anbietet und durch die Aufzeichnung keine, durch Beobachtungseffekte verzerrte Datenerhebung befürchtet, die den Erkenntniswert des Gutachtens beeinträchtigen könnte, steht dem nichts entgegen.
Es ist aber bereits jetzt darauf hinzuweisen, dass diese Dokumentation nur dem Senat überlassen und im Rahmen einer Beweiserhebung im Beisein der Verfahrensbeteiligten verwertet werden darf.

Kammergericht aaO

Diese Auffassung halte ich für nicht vertretbar. Denn damit wird die Prüfbarkeit des Gutachtens vereitelt. Denn ob sich jemand vom Kammergericht die Mühe macht, das alles abzuklären, bleibt unklar. Meine Erfahrung mit Gutachten ist, dass wenn man selber Widersprüche nicht aufzeigt es dann keiner macht. Mein Vertrauen in das Kammergericht fehlt damit. Mir selber gegenüber wurden auch schon kammergerichtliche Zusagen gemacht, etwas zu prüfen, was man dann nie mehr gehört hat ob es erfolgt ist. Aussitzen, nennt man das.
Zudem verkennt das Gericht einen wesentlichen Teil: Wenn man von Anfang an an einem Gutachten teilnimmt, stimmt man einer Verwertung der Informationen auch im Hinblick auf die Prüfbarkeit des Gutachtens zu. Das gilt also auch für Gutachtensteile, die nicht nur auf dem Papier wiedergegeben wurden. Wieso sollte ein Video auch anders behandelt werden als eine Tonbandaufnahme oder ein Transkript?

Wer der Begutachtung zustimmt, stimmt auch der Verwertung aller Erkenntnisse zu. Das Kammergericht vergisst das leider.

Michael Langhans

Ich bin hier auch nicht der Meinung, dass der andere Elternteil verhindern kann dass seine Tonbänder/Videos weitergegeben werden. Denn er hat freiwillig der Exploration und der Aufzeichnung zugestimmt. Dann muss das auch anders herum zulässig sein, diese im Rahmen der Prüfbarkeit zu hinterfragen.

Fazit

Die Entscheidung des Kammergerichts mag ausführlich sein, sie ist aber falsch. Es wird wesentliches verkannt und letztlich nur die Prüffähigkeit eines Gutachtens negiert. Meiner Auffassung nach hätte man das Gericht hier wegen der Besorgnis der Befangenheit und wegen Verstößen gegen fundamentale Rechte ablehnen müssen.

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Gutachten: Keine Erstellung durch Hilfskraft

Es kommt immer mal wieder vor: Ein (familienpsychologisches) Gutachten wird nicht nur vom Gutachter, sondern von einem Co-Autoren mit erstellt. Das ist unzulässig: Keine Erstellung durch Hilfskraft, jeder Gutachter muss im Beweisbeschluss namentlich benannt sein. Detlef Burhoff berichtet insoweit in seinem Block über die Konsequenzen: Dem dortigen (strafrechltichen) Gutachter wurde der Gutachtensauftrag entzogen. Das Gutachten ist wegen Verstoß gegen das Verbot der Delegation der Exploration unverwertbar. Solch ein Vorgehen ist absolut unsachgemäß, wie Salzgeber in seiner Besprechung zu OLG Schleswig in NZFam 2020, 719 schreibt:

Im Beschluss wird eine Reihe von Hinweisen auf völlig unsachgemäßes Vorgehen der Sachverständigen gegeben, sei es bei der Exploration, die nicht nur durch die beauftragte Sachverständige sondern von einer beigezogenen Psychiaterin ohne ergänzenden Beschluss (…) durchgeführt worden ist

Josef Salzgeber, Kommentar zu Anforderungen an den Beweisbeschluss und an die Qualifikation des für ein
familienpsychologisches Gutachten hinzuzuziehenden Sachverständigen


Schlüsse auf eine delegierte Exploration kann man nicht stützen.

Keine Erstellung durch Hilfskraft

Nicht umfasst von diesem Verbot sind kleinere Handlungen wie Empfang, eine Urinprobe ins Labor geben usw.
Doch alles was unmittelbar einfliesst in das Ergebnis des Gutachtens muss der Gutachter selber explorieren. Er kann sich nicht auf – im übrigen ggf. auch nicht richtige – Aussagen oder Protokolle verlassen.

Rückerstattung der Gutachtenkosten

Solcherlei erlangte Gutachterkosten sind ausnahmslos zurückzuerstatten.

Den Artikel von Detlef Burhoff lest Ihr hier:

https://blog.burhoff.de/2022/06/68539/?fbclid=IwAR0-pYX_qInaVWfW13rqeHxoHQc2_gYIszaWU33pk5X9CvPsIcVhljluR6o
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Gutachten

5 Gründe für die Mindestanforderungen

Eine Frage, die ich mir immer wieder stelle, ist die: Sind die Mindestanforderungen gut und richtig? Verbessern diese die Qualität in familienpsychologischen Gutachten oder ist es nur Augenwischerei? Ich nenne Euch in diesem Artikel 5 Gründe für die Mindestanforderungen, und zwar aus rechtlicher Sicht.

Ich persönlich bin der Meinung, dass die Mindestanforderungen gut und richtig sind. Zwar wird dadurch nicht zwingend ein gutes familienpsychologisches Gutachten raus kommen. Jedoch wird es rechtlich einfacher, die Verwertbarkeit und die Prüffähigkeit zu belegen. Psychologische Fragen und Methoden können Juristen selten hinterfragen. Daher hier meine fünf Top Gründe, warum die Mindestanforderungen gut und wichtig sind.

1. Qualifikation von Sachverständigen wird endlich definiert.

Die Qualifikation von Sachverständigen für familienpsychologische Gutachten ist gesetzlich nicht definiert. Richter können also Psychologen quasi frei Schnautze bestellen, was selten gut ausgeht. Ein familienpsychologischer Sachverständiger muss neben spezifischen Kenntnissen im Familienrecht auch spezielle psychologische Kenntnisse rund um Kinder und Familie haben. Daher fordern die Mindestanforderungen eben dass nur Rechtspsychologen / Fachpsychologen Rechtspsychologie (BDP) entsprechend qualifiziert sind oder eingetragene Sachverständige der Psychotherapeutenkammern (lese mehr hier). Es wäre daher wünschenswert, wenn zumindest diese Spezialqualifikationen auch in §163 FamFG aufgenommen würden.

2. Qualifikation muss sich aus dem Gutachten ergeben

Ein weiterer guter Grund ist es, dass sich Qualifikationen endlich aus dem Gutachten ergeben müssen. Aussagen wie „dem Gericht bekannt aus vielen Verfahren“ reichen hierzu nicht (mehr) aus. Zudem: Warum sollte jemand seine Qualifikation verschweigen? Gutachten werden dadurch leichter prüfbar.

3. Wissenschaftliches Arbeiten wird endlich eingefordert

Die Mindestanforderungen fordern endlich, dass familienpsychologische Gutachten auch wissenschaftlich anhand aktueller Literatur begründet sind (siehe Seite 6 Mindestanforderungen). Das heißt, Richter werden mehr in die Verantwortung genommen. Dadurch wird die Prüffähigkeit gestärkt, aber auch Anwälte stärker gefordert, nicht nur das Ergebnis wahrzunehmen.

4. Psychologische Fragestellung muss erarbeitet werden

Die psychologische Fragestellung muss aus dem Beweisbeschluss erarbeitet werden. Es reicht nicht aus, einfach irgend etwas zu begutachten. Dabei muss diese psychologische Fragestellung aus dem Beweisbeschluss erarbeitet werden und nicht unabhängig von diesem.

Ihr glaubt gar nicht, wie oft „Sachverständige“ einfach nur aufgrund des Beweisbeschlusses loslegen. Dieser ist aber eine nur rechtliche Fragestellung und kann daher vom Psychologen nicht einfach ausgewertet werden.

5. Das Aussehen eines Gutachtens und der Inhalt sind nunmehr grob vorgegeben

Früher war es nun einmal so, dass Gutachten alles war, was ein Gutachter geschrieben hat. Heute wissen wir dank der Mindestanforderungen, dass ein Gutachten Seitenzahlen hat, unterschrieben wird, Quellen benennt und ein Literaturverzeichnis und welche möglichen Tests und Vorgehensweisen es gibt. Dadurch wird die Entscheidungsfreiheit des Gutachters nicht übermäßig eingeschränkt, stattdessen wird „nur“ ein Rahmen vorgegeben.

Fazit

Was haltet ihr von meinen 5 Gründe für die Mindestanforderungen? Durch die Mindestanforderungen ist zumindest ein erster Schritt zu mehr Qualität in familienpsychologischen Gutachten gemacht. Es wäre wünschenswert, dieses Mindestmaß direkt in §163 FamFG aufzunehmen, um diese für das Gericht und die Gutachter verbindlich sein zu lassen, auch für Amtshaftungsansprüche nach §839 BGB oder §839a BGB. Welche Gründe würdet ihr präferieren? Diskutiert es mit mir hier.

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Du benötigst Hilfe beim Gutachten anfechten?

Du oder Dein Anwalt, Ihr wisst beide nicht wie Ihr mit dem Gutachten umgeht? Wie man sowas anfechten kann? Da habe ich die Lösung für Euch: Meine Gutachtensrezension, eine rechtlich-sachliche Analyse als Rechtsgutachten -> Hilfe beim Gutachten anfechten

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Gutachten

Gutachtensrezension gegen methodenkritische Stellungnahme

Was ist der Vorteil einer Gutachtensrezension, die ich unter https://www.gutachten-anfechten.de anbiete? Und welche Nachteile hat die Gutachtensrezension gegenüber einer methodenkritischen Stellungnahme?

Gutachtenskritik

Prof. Dr. Werner Leitner hat mit seinen Studien belegt, dass bis zu 75% aller Gutachten aus methodisch-fachlicher Sicht mangelhaft sind. Die Verhaltensbeobachtung erfolgt unsystematisch, Gesprächsführung ist unwissenschaftlich, oft ist kein Literaturverzeichnis vorhanden und wissenschaftlich aktuelle Erkenntnisse fehlen. Diese Studien haben die Kritik an familienpsychologischen Gutachten aufleben lassen und den „Geschäftszweig“ der methodenkritischen Stellungnahme erst geschaffen. Für meist vierstellige Beträge werden Gerichtsgutachten zerlegt und deren fachliche Fehler aufgezeigt.

Methodenkritische Stellungnahme

Dreh- und Angelpunkt der methodenkritischen Stellungnahme ist die Auseinandersetzung mit dem gerichtlichen, familienpsychologischen Gutachten. Dieses familienpsychologische Gutachten wird anhand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse geprüft und hinterfragt. Unter anderem prüfen diese Experten

  • die Gesprächsführung, ob diese wissenschaftlich ist
  • die Verhaltensbeobachtung, ob diese systematisch ist
  • ob die angewandten Methoden (Tests) valide und reliabel sind
  • ob das Literaturverzeichnis von einer Nutzung anerkannter aktueller Erkenntnisse zeugt

Das Ergebnis einer solche methodenkritischen Stellungnahme ist, dass aus psychologisch-fachlicher Sicht ein familienpsychologisches Gutachten unverwertbar ist. Dann, so die Idee dahinter, bleibt die Beweisfrage unbeantwortet und das Gericht muss aus anderen Quellen die Entscheidung finden.

Dabei ist klar: Die Beweisfrage wird hierdurch also nicht beantwortet.

Methodenkritische Stellungnahme gegen familienpsychologisches Gutachten

Bei der Abwägung methodenkritische Stellungnahme gegen das familienpsychologische Gutachten hat das Gericht allerdings ein Problem: Wenn das Gericht ein familienpsychologisches Gutachten bereits eingeholt hat, hat es damit auch zum Ausdruck gebracht, dass es keine fachlichen Kenntnisse hat, um eine eigene Entscheidung diesbezüglich zu treffen. Woher soll das Gericht nunmehr also die fachlichen Kenntnisse haben, um dem methodenkritischen Gutachter zu folgen und den eigenen Gutachter zu entlassen? Genau deshalb kommt das selten vor. Richter sind eben auch nur Juristen. Wenn nicht die methodenkritische Stellungnahme, oft auch Gegengutachten genannt, so eindeutig und einfach verständlich ist, dass sich selbst dem psychologischen Laien Fehler offenbaren, wird das Gericht also sagen müssen ich folge meinem eigenen Gerichtsgutachten. Bei zwei Gutachten wird man eher dem eigenen Zuneigen, zumal nur dieses die Beweisfrage beendet und damit auch das Verfahren vorantreibt.

Aus denselben Gründen wir das Gericht auch kein Obergutachten anweisen.

Kritische Gutachtensrezension gegen familienpsychologisches Gutachten

Die kritische Gutachtensrezension setzt genau dort an: Es werden rechtliche Aspekte in den Vordergrund gestellt, die das Gericht aus eigener Sachkunde kennen muss. Daher ist ein wesentlicher Teil meiner Arbeit die Abhandlung der Mindestanforderungen. Deren Einhaltung muss das Gericht prüfen. Und deren Einhaltung kann das Gericht eben auch prüfen. Ein wesentliches Stichwort ist hier die Prüffähigkeit von Gutachten, die so geschrieben sein müssen, dass das Gericht stichprobenartig die Richtigkeit testen kann.

Da dies aber in der Regel nicht der Fall ist, muss man Gutachten über einfach verständliche Aspekte angreifen: Die Qualifikation des Gutachters, Aktualität der verwendeten Literatur, konkrete Zitate zur Begründung von Schlüssen, die Einhaltung der Mindestanforderungen und eben auch die Verwendung falscher Anknüpfungstatsachen.

Kritische Gutachtensrezension gegen methodenkritische Stellungnahme

An dieser Stelle ist meine kritische Gutachtensrezension der methodenkritischen Stellungnahme überlegen. Denn das Gericht kann sich nicht (mehr) hinter mangelhafter Fachkenntnis verstecken, es muss selbst proaktiv Stellung nahmen zu diesen Fehlern in Gutachten.

Kritische Gutachtensrezension als Beschwerdebegründung

Darüber hinaus sind weite Teile der Gutachtensrezension auch als Beschwerdebegründung nutzbar und erleichtern damit die Argumentation ungemein.

Methodenkritische Stellungnahmen und kritische Gutachtensrezensionen haben beide ihren Platz im Familienrecht. Beide versuchen, die Qualität familienpsychologischer Gutachten zu verbessern und Richter auf typische Fehler in Gutachten hinzuweisen.

Meine Arbeit animiert den Richter zur eigenen Tätigkeit, eigener Prüfung und eigenem Nachdenken. Im Idealfall erreicht man damit das Eingeständnis von Fehlern bei der eigenen Fallbearbeitung und beim Gutachten.

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Gutachten

Glaubwürdigkeitsbeurteilung ohne gerichtlichen Auftrag

Ein Problem, das ich in vielen Gutachten erlebe ist, dass der Sachverständige eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung ohne gerichtlichen Auftrag vornimmt. Folgenden Satz möchte ich an dieser Stelle beispielsweise für viele Gutachten zitieren:

Die Mutter hat in der Vergangenheit viel Alkohol konsumiert (glaubhafte Aussage des Vaters, Aussage der Tante)

zitiert nach einem Umgangsgutachten aus 2019, anonym

Diese Aussage begegnet vielen Bedenken, die so himmelschreiend sind, dass ich fast gar nicht weiß wo ich anfangen soll.

Glaubwürdigkeitsbeurteilung als ureigene gerichtliche Aufgabe

Die Würdigung von Beweisen ist ureigenste Aufgabe des Tatrichters (zitiert nach Jahn, Grundlagen der Beweiswürdigung und Glaubhaftigkeitsbeurteilung im Strafverfahren, m.w. Nachweisen hier). Er ist hierfür berufen, auch wenn er keine entsprechende psychologische Ausbildung hat oder haben muss. Diese Grundsätze sind ohne Probleme auf alle anderen Richter zu übertragen.

Konkret formuliert der BGH:

Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatgerichts. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass Berufsrichter über diejenige Sachkunde bei der Anwendung aussagepsychologischer Glaubwürdigkeitskriterien verfügen, die für die Beurteilung von Aussagen auch bei schwieriger Beweislage erforderlich ist, und dass sie diese Sachkunde den beteiligten Laienrichtern vermitteln können. Dies gilt bei jugendlichen Zeugen erst recht, wenn die Berufsrichter – wie auch hier – zugleich Mitglieder der Jugendschutzkammer sind und über spezielle Sachkunde in der Bewertung der Glaubwürdigkeit von jugendlichen Zeugen verfügen (BGH, Urteil vom 18. August 2009 – 1 StR 155/09, NStZ 2010, 51, 52).

zitiert nach 1 StR 602/12

Glaubwürdigkeitsbeurteilung nur bei Besonderheiten durch Fachleute

Nur wenn der Fall Besonderheiten aufweist, darf das Gericht ein Gutachten zur Glaubwürdigkeit einholen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Hinzuziehung eines psychologischen Sachverständigen lediglich dann geboten, wenn der Sachverhalt Besonderheiten aufweist, die Zweifel daran aufkommen lassen, ob die eigene Sachkunde des Tatgerichts zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den konkret gegebenen Umständen ausreicht (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 12. November 1993 – 2 StR 594/93, StV 1994, 173; BGH, Beschluss vom 25. April 2006 – 1 StR 579/05,NStZ-RR 2006, 242, 243). Solche Umstände können gegeben sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erinnerungsfähigkeit einer Beweisperson aus besonderen, psychodiagnostisch erfassbaren Gründen eingeschränkt ist oder dass besondere psychische Dispositionen oder Belastungen – die auch im verfahrensgegenständlichen Geschehen selbst ihre Ursache haben können – die Zuverlässigkeit der Aussage in Frage stellen könnten, und dass für die Feststellung solcher Faktoren und ihrer möglichen Einflüsse auf den Aussageinhalt eine besondere, wissenschaftlich fundierte Sachkunde erforderlich ist, über welche der Tatrichter im konkreten Fall nicht verfügt (BGH, Urteil vom 26. April 2006 – 2 StR 445/05, NStZ-RR 2006, 241 mwN).

zitiert nach 1 StR 602/12

Zusammenfassend kann das (nicht abschließend) in folgenden Konstellationen der Fall sein:

  • Tat liegt sehr lange zurück: Bei Taten, die längere Zeit zurückliegen,  sollte die Erinnerungsfähigkeit eines Zeugen genauer geprüft werden;
  • Psychische Krankheit des Zeugen: Die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens ist bei Vorhandensein einer psychischen Erkrankung (Depressionen etc.) eines Zeugen anzunehmen, so auch der Bundesgerichtshof;
  • Junge Zeugen: Das junge Alter eines Zeugen ist ein Umstand, der die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens notwendig macht. Dies geschieht vor allem bei Sexualdelikten an Kindern oder Jugendlichen;
  • Zeugen, die bei ihrer Aussage unter Alkohol oder Drogen standen;
  • Zeugen, die widersprüchliche Aussagen gemacht haben.

Sachverhaltsermittlung ist richterliche Aufgabe

In den allermeisten (auch familienrechtlichen) Verfahren liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Die richterliche Entscheidungsfindung, deren ureigenste Aufgabe auch die Glaubwürdigkeitsbeurteilung ist, kann aber niemals (als Ausfluss der Amtsermittlungspflicht) auf den Sachverständigen übertragen werden (vgl. OLG München Familiensenate Augsburg, 30 UF 232/15):

Zugleich und parallel hierzu wird das Amtsgericht unverzüglich u.a. die weiteren nach § 26 FamFG von Amts wegen erforderlichen umfangreichen Ermittlungen – insbesondere die Anhörung der Zeugen für den vorliegenden Einzelfall – durchzuführen haben. Insbesondere auch die Anlage von Zweitakten bzw. Drittakten dürfte zwingend geboten sein, um alle möglichen und notwendigen Maßnahmen durch Durchsetzung des Beschleunigungsgebotes effektiv zu ergreifen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die nach § 26 FamFG dem Gericht obliegende Verpflichtung nicht allein auf den Sachverständigen delegiert werden kann.

OLG München Familiensenate Augsburg, 30 UF 232/15

Das ist nicht nur für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung relevant, sondern insbesondere weil das OLG zurecht darauf hinweist, dass die Grundlagen dieser Beurteilung (Zeugenaussagen) durch das Gericht und nicht durch den Sachverständigen einzuholen sind.

Unverwertbares Gutachten bei falschen Anknüpfungstatsachen

Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seiner, von mir bis zum Exzess, zitierten Rechtsprechung BGH XII ZB 68/09 Rn. 42 festgestellt:

Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Beschwerdegericht allerdings die seitens des Amtsgerichts veranlasste Stellungnahme des psychologischen
Sachverständigen, wonach das Kind aus psychologischer Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zur Mutter zurückgeführt werden sollte, unberücksichtigt gelassen. Die Ergebnisse der Begutachtung konnten schon deshalb nicht ohne weiteres in die Würdigung einbezogen werden, weil der Sachverständige teilweise unzutreffende bzw. ungeklärte Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hatte.

BGH XII ZB 68/09 Rn. 42

Es ist Aufgabe des Gerichtes, die Tatsachen zu klären, nicht des Sachverständigen. Das ist Fundament unseres Rechtsstaates. Ausnahmen gibt es hierzu nicht. Wenn es darauf ankommen würde, kann der Sachverständige alternativ entscheiden (wenn das Gericht die Glaubwürdigkeit des Vaters annimmt, dann …, wenn es die Unglaubwürdigkeit des Vaters annimmt, dann …) oder eine Erweiterung des Beweisauftrages anregen. Er kann diesen Auftrag aber nicht selber erweitern.

Wenn der Gutachter über den Beweisbeschluss hinausgeht

Eine eigenständige Überschreitung des Beweisbeschlusses kann dazu führen, dass ein Sachverständiger befangen ist. Hierzu führt das OLG Naumburg aus:

Das Verhalten eines Sachverständigen kann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn er über das Beweisthema und den Gutachtenauftrag hinausgeht, ohne zuvor gegenüber dem Gericht eine Ergänzung des Beweisbeschlusses angeregt zu haben. In diesem Zusammenhang gilt: Mehrere Gründe, die für sich betrachtet (noch) nicht ausreichen, können in ihrer Gesamtschau der ablehnenden Partei berechtigterweise Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu zweifeln.

zitiert nach OLG Naumburg, 10 W 69/11

Hieraus sieht man eindeutig, dass vorab ein Antrag auf Ergänzung des Beweisbeschlusses zu beantragen ist. Zudem verstößt dieses Vorgehen am Richter und der Partei vorbei gegen Beweisunmittelbarkeit und Parteiöffentlichkeit (deren Anwendbarkeit im FamFG Verfahren aber umstritten sind).

Ein solcher Gutachter sollte daher dann abgelehnt werden, wenn dieses Vorgehen negative Schlüsse auf die betroffene Person zieht.

Fazit: Keine Glaubwürdigkeitsbegutachtung ohne entsprechenden Beweisbeschluss

Es darf daher keine Glaubwürdigkeitsbeurteilung ohne gerichtlichen Auftrag (Ergänzung des Beweisbeschlusses) geben. Hierdurch wird die richterliche Entscheidungsfindung auf den Sachverständigen übertragen, was unzulässig ist. Ein solcher Sachverständiger macht sich damit unglaubwürdig, er ist nicht mehr neutral und befangen. Er macht sich zudem schadensersatzpflichtig nach §839a BGB.

Richter sollte man immer auf ihre Aufgaben hinweisen.

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Du benötigst Hilfe beim Gutachten anfechten?

Du oder Dein Anwalt, Ihr wisst beide nicht wie Ihr mit dem Gutachten umgeht? Wie man sowas anfechten kann? Da habe ich die Lösung für Euch: Meine Gutachtensrezension, eine rechtlich-sachliche Analyse als Rechtsgutachten -> Hilfe beim Gutachten anfechten

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Die Persönlichkeitsakzentuierung im Sorgerecht anfechten

Persönlichkeitsstörungen im Sorgerechtsbereich wie Borderline oder Narzissmus wird oftmals schnell „diagnostiziert“. Wenn sich diese Laienaussage von nichtapprobierten Psychologen oder gar von Psychiatern als falsch herauskristallisiert, dann gibt man trotzdem nicht auf. Man macht aus der Persönlichkeitsstörung im Sorgerecht eine Persönlichkeitsakzentuierung. Doch was ist eine Akzentuierung eigentlich? Und hat diese einen Krankheitswert? Wir klären auf.

Persönlichkeitsakzentuierung: Was ist das?

Eine Persönlichkeitsakzentuierung ist eine Neigung in eine bestimmte Richtung hin zu einer Persönlichkeitsstörung, ohne dass eine solche Störung vorliegt.

Persönlichkeitsstörungen können als extreme Ausprägung eines Persönlichkeitsstils mit unflexiblen, starren und unzweckmäßigen Persönlichkeitszügen betrachtet werden, die dabei die Lebensqualität des Betroffenen beeinträchtigen, zu (subjektivem) Leid oder zu häufigen Konflikten mit seiner Umwelt  führen. Abweichende, unangepasste Erlebensweisen, Erfahrungs- und Verhaltensmuster schränken dabei den Betroffenen in seiner Zufriedenheit und im Erreichen seiner persönlichen Ziele ein oder führen zu häufigen Problemen mit anderen Menschen oder der Gesellschaft.

zitiert nach Neurologen und Psychiater im Netz

Definition von Persönlichkeitsstörung nach ICD und DSM

Nach ICD10 und DSMV ist eine Persönlichkeitsstörung folgendes:

Unter Persönlichkeitsstörungen werden im ICD-10 schwere Störungen der Persönlichkeit sowie des Verhaltens einer Person verstanden, die nicht direkt durch eine andere psychische Erkrankung oder eine Hirnschädigung zustande kommen. Sie betreffen dabei verschiedene Bereiche des Lebens und verursachen großes persönliches Leiden sowie soziale Beeinträchtigungen. Die Betroffenen zeigen dauerhafte und für sie charakteristische Verhaltensmuster und Erfahrungsmuster, die sich im Großen und Ganzen von kulturell erwarteten und akzeptierten Normen unterscheiden. Diese Abweichungen sind hierbei in ihren Kognitionen, ihrer Affektivität, ihrer Impulskontrolle und in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen zu finden und führen zu einem Verhalten, was unangepasst, unflexibel oder aber auch unzweckmäßig in den vorliegenden Situationen ist. Ein weiterer wichtiger Punkt für die Diagnosestellung ist außerdem, dass diese Abweichungen lang andauernd sind und bereits in der späten Kindheit bzw. in der Adoleszenz begonnen haben

nach Psychowissen

Das entscheidende Kriterium für eine Persönlichkeitsstörung ist, dass jemand unter seinen Persönlichkeitsmerkmalen leidet und durch sie in seiner persönlichen, sozialen oder beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Außerdem ist eine Störung der Persönlichkeit oft auch für die Mitmenschen belastend – was auch für den Betroffenen selbst zu typischen zwischenmenschlichen Problemen führt.

zitiert nach Theraphie.de

Beeinträchtigung des Lebens bei Persönlichkeitsstörung

Im Vordergrund steht also bereits die Beeinträchtigung der Lebensqualität und subjektives Leid sowie Konflikte mit der Umwelt. Eine Persönlichkeitsstörung wirkt sich also auf das eigene Leben aus. Sie beeinträchtigt aber auch das miteinander. Leidet man selbst nicht und leiden andere hierunter nicht, liegt keine Störung und damit kein Krankheitswert vor.

Eine Persönlichkeitsakzentuierung meint hingegen, dass man nur eine Betonung bestimmter Merkmale hat, dass man sich in Richtung einer Persönlichkeitsstörung hin neigt, nicht aber dass ein das Leben in rechtlicher wie tatsächlicher Sicht beeinträchtigender Aspekt vorliegt:

Man kann dann von einer Persönlichkeitsakzentuierung sprechen, d.h. eine Neigung in eine bestimmte Richtung. 

Limes Schlosskliniken

Kein Leid bei Persönlichkeitsakzentuierung

Eine Persönlichkeitsakzentuierung heißt also, dass keine Persönlichkeitsstörung vorliegt und damit nicht (alle) Merkmale für eine Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vorliegen. Damit hat eine Persönlichkeitsakzentuierung auch keinen krankheitswert.

Persönlichkeitsakzentuierungen beeinträchtigen das tatsächliche und das rechtliche Leben nicht

Michael Langhans

Von Störung oder Akzentuierung zu unterscheiden ist weiterhin der Persönlichkeitsstil, also wie sich eine Persönlichkeit entwickelt und darstellt – denn jeder Mensch ist individuell. Folglich fordern auch Fachleute, nicht mehr von Persönlichkeitsstörung sondern von einer Störung des Denkens zu sprechen. Denn die Person als solche sollte nicht als gestört betrachtet werden.

Die Persönlichkeitsakzentuierung in familienpsychologischen Gutachten

Folgerichtig hat meines Erachtens eine Persönlichkeitsakzentuierung im psychiatrischen oder familienpsychologischen Gutachten nicht aufzutauchen. Denn wenn es das Leben nicht beeinträchtigt, kann es auch nicht in die rechtlichen Fragestellungen des Gerichtes Einklang finden. Trotzdem erlebe ich immer wieder, dass man mit Persönlichkeitsakzentuierungen versucht, Eltern als erziehungsunfähig oder eingeschränkt darzustellen, weil man eine mögliche künftige Negativentwicklung vorherzusagen glaubt. Dies ist aus rechtlicher und aus fachlicher Sicht abzulehnen.

Denn reine Zukunftsprognosen reichen ja nicht aus, um die Erziehungsfähigkeit einzuschränken (siehe mein Buch „Wichtige Entscheidungen im Sorgerecht„). Wenn etwas keinen Krankheitswert hat, dann hat es auch keine rechtlichen Auswirkungen. Und damit kann man auch nicht etwas anderes behaupten.

Dr. Rober Mestel fasst die wissenschaftlichen Erkenntnis von Tyrer und anderen im folgenden Schaubild zusammen:

Schaubild zur Verteilung von Störungen, Stil und Akzentuierung

Wissenschaftlich fundiert ist daher, dass

  • 45% aller Menschen einen unauffälligen Persönlichkeitsstil haben
  • 48% aller Menschen unproblematische Persönlichkeitsneigungen oder -akzentuierungen („Difficulties“) haben
  • nur 7% aller Menschen eine Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert

Diese Zahlen sind wichtig: Denn damit ist nicht nur belegt, dass von 6 Leuten im Gerichtssaal mindestens 3 solche „Difficulties“ oder „Persönlichkeitsmerkmale“ haben und damit die überwiegende Mehrheit. Wer würde damit sagen, dass jeder zweite quasi erziehungsungeeignet ist?

Diese Zahlen zeigen aber auch, was in Gutachten oft falsch läuft und daher auch einfach anzufechten ist.

Eine Persönlichkeitsakzentuierung hat in einem Gutachten nichts verloren! Sie hat keinen Krankheitswert

Michael Langhans

Wie gehe ich vor, wenn im Gutachten eine Persönlichkeitsakzentuierung behauptet wird?

Das Vorgehen entspricht dem üblichen bei Falschgutachten: Sachverhalt angreifen, Gutachterkompetenz angreifen, Gericht angreifen. Vorallem aber dringt darauf, dass die Begrifflichkeiten klar definiert sind – mit Quellen – und dass abgegrenzt wird zwischen Persönlichkeitsstil, -abgrenzung und -störung. Dazu gehört auch, die Häufigkeiten zu benennen und mitzuteilen, dass eben keine Einschränkungen vorliegen. Damit sind alle negativen Schlüsse aus einer Akzentuierung, und sei es nur dass der Anschein erweckt wird dass es negative Schlüsse gäbe, unzulässig, spekulativ und unwissenschaftlich.

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Mindestanforderungen in Beweisbeschluss aufnehmen!

Ein wichtiger Hinweis, den ich dank einer Anregung von Außen gern an Euch weitergebe: ihr sollt die Mindestanforderungen in Beweisbeschluss aufnehmen lassen. Warum? Obwohl es nur eine selbstverständliche Klarstellung ist, wird dadurch der Sachverständige unter Druck gesetzt, sich auch an diese zu halten.

Wie Mindestanforderungen in Beweisbeschluss aufnehmen?

Ich empfehle einfach, einen weiteren Punkt in den Beweisbeschluss aufzunehmen, ggf. über eine Gegenvorstellung. Das kann ungefähr so lauten:

„Das Gutachten hat unter Berücksichtigung der Fachstandards Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht erstellt zu werden.“

Michael Langhans, Aktivist

Ich finde das eine so gute Idee, dass ich meinen Artikel zum richtigen Beweisbeschluss schon entsprechend ergänzt habe. Niemand kann etwas dagegen sagen, diesen kleinen, unscheinbaren Satz aufzunehmen in den Beweisbeschluss. Und wenn es Probleme damit gibt, dann wisst ihr schon, worauf Ihr Euch einstellen müsst: Ein Gutachten, das eben keinen wissenschaftlichen Standards entspricht. Dann muss man überlegen, ob man weitere Schritte einleitet.

Müssen die Mindestanforderungen nicht sowieso beachtet werden?

Noch sind die Mindestanforderungen kein Gesetz, so dass sie „nur“ wissenschaftliche und fachliche Standards wiedergeben. Daher kann es nicht schaden, dies als „Selbstverpflichtung“ wiederzugeben.

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Qualifikation Sachverständige im Familienrecht

Über Fehler in Gutachten, insbesondere familienpsychologischen Gutachten, haben wir uns schon oft unterhalten. Oft geht es dabei auch um die Frage, ob ein Sachverständiger oder eine Sachverständige die notwendigen Qualifikationen hat, um als solcher im Kindschaftsrecht tätig zu sein. Wie ich herausfinden kann, ob ein Sachverständiger die notwendige Expertise hat, das erkläre ich Euch in diesem Beitrag. Qualifikation Sachverständige zu prüfen ist dabei gar nicht so schwer. Und wenn ihr es selber nicht herausfinden könnt, dann benötigt ihr vielleicht eine kritische Gutachtensrezension von mir, die diesen und viele andere Aspekte prüft.

Qualifikation Sachverständige

Die gesetzliche Grundlage für Sachverständigengutachten und die Qualifikation derselben in Kindschaftssachen findet sich im FamFG in §163:

(1) In Verfahren nach § 151 Nummer 1 bis 3 ist das Gutachten durch einen geeigneten Sachverständigen zu erstatten, der mindestens über eine psychologische, psychotherapeutische, kinder- und jugendpsychiatrische, psychiatrische, ärztliche, pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation verfügen soll. Verfügt der Sachverständige über eine pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation, ist der Erwerb ausreichender diagnostischer und analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte Zusatzqualifikation nachzuweisen.

§163 Abs. 1 FamFG

Welche Mindestqualifikation muss ein Sachverständiger in Kindschaftssachen haben?

Gutachter nach dem Gesetz kann daher jemand sein, der mindestens eine

  • psychologische
  • psychotherapeutische
  • kinder- und jugendpsychiatrische
  • psychiatrische
  • ärztliche
  • pädagogische oder
  • sozialpädagogische

Berufsqualifikation hat. Man muss also, folgt man dem Gesetz, nur eines dieser Fächer studiert haben, wobei Pädagogen und Sozialpädagogen noch belegen müssen dass sie analytisch-diagnostische Kenntnisse haben.

Gutachter ist man nicht deshalb, weil man studiert hat. Da muss mehr sein an Erfahrung und Kenntnissen

Michael Langhans, Volljurist

Das Problem liegt also im Bereich des Wortes „mindestens“. Diese eröffnen also durchaus die Erkenntnis, dass es nicht ausreicht, mal eben so „Psychologe“ zu sein, dass man vertieftes Wissen haben muss.

Video zum Thema

Qualifikation des Sachverständigen gem. der Mindestanforderungen

Weil also bereits der Gesetzgeber sagt, dass man wohl mehr sein muss als ein Psychologe, führen die Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht (2. Auflage) aus:

Aufgrund der Vielfältigkeit und Anforderungen, nicht zuletzt auch aufgrund der möglichen weitreichenden Bedeutung der Empfehlungen
der Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren, ist eine besondere Sachkunde notwendig, die weit über übliche Studieninhalte der Psychologie und Medizin hinausreicht. Deshalb sind zusätzliche, nachgewiesene, forensische Kenntnisse und Erfahrungen der Sachverständigen notwendig.

Mindestanforderungen, S.9

Diese Kenntnisse und Erfahrungen müssen nachgewiesen (!) sein.

Folgerichtig fordern die Mindestanforderungen auf Seite 13 daher auch die Benennung derselben im Gutachten:

Nennung des Sachverständigen samt seiner wesentlichen relevanten beruflichen Abschlüsse und Zusatzqualifikationen

Mindestanforderungen, S.13

Doch das ist noch nicht alles. Wie so oft lohnt es sich, solche Dokumente bis zum Schluss zu lesen:

Folgende belegbaren Kenntnisse muss ein Gutachter haben:

  • Erwerb fundierter theoretischer, auch rechtlicher Kenntnisse
  • Fachlich begleitete Praxiserfahrung und supervidierte Fallarbeit
  • Abschlussprüfung mit Bestätigung
  • Kontrollierte Fortbildungsverpflichtung

(vgl. S. 19/20 der Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht)

Für die folgenden Berufsgruppen gibt es jeweils gesonderte Qualifikationsvoraussetzungen, um als Gutachter und Sachverständige tätig zu sein:

Qualifikationen von Ärzten als Sachverständige

Unterschieden wird erst einmal zwischen Ärzten (Psychiatern) und Kinderpsychiatern.

Für Ärzte (Abschluss Staatsexamen) gilt:

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Psychiater müssen folgende Schwerpunkte belegen können:

  • Schwerpunkt Forensische Psychiatrie
  • Zertifikat forensische Psychiatrie (DGPPN)

Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

Kinderpsychiater müssen die folgende Qualifikation haben:

  • Zertifikat für kinder- und jugendpsychiatrische Begutachtung (BAG KJPP; BKJPP; DGKJP)

Für mich ist zudem problematisch, wenn ein Spezialist für Kinder auch Erwachsene begutachtet. Es gibt durchaus renommierte Kinderpsychiater, die solche Begutachtungen von Erwachsenen deswegen ablehnen.

Qualifikationen von Psychologen als Sachverständige in Kindschaftssachen

Psychologen hingegen müssen folgende Aspekte im Gutachten belegen können, ggf. auf Eure Nachfrage hin:

Psychologen (Diplom/Master):

  • Fachpsychologe für Rechtspsychologie BDP/DGPs
  • postgradualer oder Weiterbildungsstudiengang (Master of Science Rechtspsychologie)

Wenn diese Kenntnisse nicht nachgewiesen sind, dürfte ein normales Studium nur in Ausnahmefällen ausreichen. Ggf. muss der Sachverständige dann seine Studienmodule offenlegen.

Gebt euch nicht mit einem „nur“ Psychologen zufrieden. Seid standhaft und fordert die Unterlagen der Qualifikation an.

Michael Langhans, Herausgeber

Psychologische Psychotherapeuten/Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten

• Eintragung in Sachverständigenlisten von Psychotherapeutenkammern

Psychologische Psychotherapeuten, also Psychologen mit einer Approbation, müssen in die Sachverständigenliste ihrer Kammer (=Bundesland des Wohnortes) eingetragen sein.

Nur eingetragene Psychotherapeuten können geeignete Sachverständige sein

Michael Langhans

Für Niedersachen geht man dazu auf die Webseite der Psychotherapeutenkammer Niedersachen (via Google oder direkt https://www.pknds.de/)

Nur diese 5 Psychologen sind in Niedersachen als Sachverständige in Kindschaftssachen geeignet i.S. §163 I FamFG.

Fazit

Anders als es die Gerichte oft vorgeben, ist eben nicht jeder geeigneter Sachverständiger i.S. des Gesetzes. Qualifikation Sachverständige wird aber zu selten hinterfragt und geprüft. Auch wenn die Mindestanforderungen oder vergleichbare Standards kein Gesetzesrecht sind, geben sie doch wieder was wissenschaftlich und damit der Prüffähigkeit dienend gefordert wird, um ein Gutachten zu erstellen. Die Justiz hingegen und die Anwälte der Beteiligten sollten hier mehr Augenmaß walten lassen. Gutachten, die den Mindeststandards entsprechen, vereinfachen am Ende die Diskussion über das Ergebnis. Wer es sich einfach macht und sagt „Gutachter ist, wer zum Gutachter bestellt wurde“, der hat kein Interesse an einer Qualität im Familienrecht. Und das ist abzulehnen.

Fragen und Antworten zur Qualifikation der Sachverständigen

Reicht es aus, wenn der Gutachter seine Qualifikation auf seiner Homepage angiebt

Gem. der Mindeststandards sind diese Qualifikationen im Gutachten zu benennen. Ich selber lese und suche aber immer nach den Gutachtern und nutze alle Quellen, auch Webseiten.

Muss der Gutachter einen Beleg für seine Qualifikation vorlegen?

In der Regel nicht. Dies fordern die Mindestanforderungen auch nicht. Wenn aber Recherchen Ungereimtheiten ergeben oder Fragen aufwerfen, dann kann hier im Einzelfall sicher ein Nachweis gefordert werden. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass gegebene Angaben richtig sind. Wer tiefer gehen will, kann über die Universität und die damals gültige Prüfungsordnung auch belegen, ob Angaben zu den relevanten Lehrinhalten richtig sind oder nicht.

Muss ein Richter die Mindestanforderungen beachten?

Grundsätzlich ist der Richter nur dem Gesetz verpflichtet. Die Mindestanforderungen sind leider kein Gesetz. Er kann also auch eigene Sachverständige benennen. Dann würde ich aber vertiefende Nachfragen stellen, weshalb das Gericht von einer Qualifikation ausgeht. „Gerichtsbekannt“ ist kein Argument.

Macht sich ein Sachverständiger haftbar, wenn er nicht die notwendige Qualifikation hat?

Meiner Meinung nach ja, weil er dies vor Gutachtensauftragsannahme zu prüfen hat. Dann sind Ansprüche nach §839a BGB denkbar. Da die Standards aber nicht verbindlich sind, empfiehlt es sich mindestens einen weiteren Fehler aufzudecken.

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Wie einen Beweisbeschluss nach FamFG anfechten?

Ich schreibe ja immer wieder, dass der Beweisbeschluss sehr wichtig ist. Und ich schreibe auch, dass Ihr eine Gegenvorstellung machen sollt, wenn dieser falsch ist. Aber was ich bisher nicht so deutlich geschrieben habe ist, wie man einen Beweisbeschluss nach FamFG für ein familienpsychologisches Gutachten anfechten kann. Also klare Beispiele oder ein Muster.

Und weil ich Euch gerne helfe und das ja der Sinn und Zweck dieser Webseite ist, dass ich Euch helfe, hier also nochmal das wesentliche zusammengefasst und Musterformulierungen für eine Gegenvorstellung, um Beweisbeschlüsse anzufechten:

Beispiel 1: Den faulen Beweisbeschluss nach §1671 BGB anfechten

Den faulen Beweisbeschluss hatte ich Euch schonmal vorgestellt. Den nenne ich so, weil er nur das Gesetz und damit die vom Richter zu beantwortende Rechtsfrage wiedergibt.

Der Beweisbeschluss lautet beispielsweise:

Es soll zur Frage, welche Sorgerechtsreglung und Aufenthaltsregelung dem Kindeswohl am besten entspricht, ein familienpsychologisches Fachgutachten eingeholt werden.

Beweisbeschluss eines Familiengerichts zu einer Frage nach §1671 BGB

Ihr erkennt also schon, dass es hier um die Frage geht, bei welchem Elternteil das Kind besser aufgehoben ist. Es geht also um einen Vater-Mutter-Streit um das Sorgerecht oder ABR, nicht um eine Frage der Kindeswohlgefährdung. Das ist bereits dann erstaunlich, wenn wie vorliegend das Gericht vorher noch eine KWG erörtert hatte. Denn nach dieser Beweisfrage soll das keine Rolle mehr spielen.

Aber darum soll es nicht gehen.

Wie reagiert man auf so einen Beweisbeschluss? Beispielsweise so:

„Ich gebe betreffend des Beweisbeschlusses die folgende

GEGENVORSTELLUNG

ab mit dem Antrag, den Beweisbeschluss abzuändern in eine Formulierung wie folgt:

  1. Welche Belastungen und welche Vorteile sind für das psychische, physische oder seelische Wohl des Kindes/der Kinder xxx zu erwarten, wenn der Aufenthalt dauerhaft zur/zum Vater/Mutter wechselt oder bei der Mutter / dem Vater verbleibt?
  2. Welche Faktoren werden voraussichtlich in welcher Intensität bei Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil jeweils vorteilhaft oder belastend auf die gesunde sowie psychisch und emotionale Entwicklung des Kindes/der Kinder wirken?
  3. Gibt es oder gab es Kommunikationsstörungen zwischen den Eltern? Wenn ja, wie wirken sich diese auf das Kind/die Kinder aus?
  4. Welche Faktoren werden voraussichtlich in welcher Intensität bei Übertragung des Sorgerechtes auf einen Elternteil jeweils
    a) vorteilhaft oder belastend auf die gesunde sowie psychisch und emotionale Entwicklung des Kindes/der Kinder wirken
    b) vorteilhaft oder belastend auf die schulische Ausbildung des Kindes/der Kinder wirken
    c) vorteilhaft oder belastend auf die Beziehung des Kindes/der Kinder zu dem jeweilig anderen Elternteil und der Schwester wirken? Lässt sich dabei feststellen, dass die Beziehung zu bestimmten Personen für die Entwicklung und Gesundheit des Kindes/der Kinder in positiver oder negativer Art von besonderer Bedeutung ist?
  5. Gibt es Hinweise auf Manipulationen von Personen auf das Kind/die Kinder, und wenn ja, wie sind diese gutachterlich zu bewerten?

Die Formulierung ist in Anlehnung an Bergmann in FamRB 9/2016, S. 364ff. gewählt. Nur dieser Beweisantrag bestimmt zureichend genau den Tätigkeitsbereich des Sachverständigen, ohne diesem die richterliche Entscheidungsfindung per se zu übertragen. Die vom Gericht gewählte Beweisfrage stellt ausschließlich auf die Rechtsfragen ab und ist daher unzulässig. Rechtsfragen muss das Gericht selbst beantworten, insbesondere welche Regelung dem Kindeswohl am besten entspricht. Ein solches Gutachten, das hierauf basiert, wäre per se unverwertbar (Bergmann aaO). Daran ändert auch nichts die notwendige Umsetzung der Rechtlichen in die psychologische Fragestellung gem. der Qualitätsstandards für familienpsychologische Gutachten.“

Beispiel 2: Der einseitige Beweisbeschluss in Sachen Carola Koch

Das Oberlandesgericht in Bremen hatte hierzu folgenden Beweisbeschluss erlassen:

„Es soll ein familienpsychologisches Saohverständigengutachten eingeholt werden über folgende Fragen:

  1. Besteht die Bereitschaft und die Fähigkeit der Kindesmutter, die Versorgung und Erziehung des Kindes xxx unter Berücksichtigung etwaiger besonderer Anforderungen des Kindes zu gewährleisten und ggf. eigene Belange zurückzustellen?
  2. Ist bereits eine Schädigung des Kindes eingetreten oder besteht gegenwärtig schon eine Gefahr in einem solchen Maß, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt?
  3. Von welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit sind die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes?
  4. Gibt es andere Hilfs- und Unterstützungsangebote, die geeignet sind, die Gefährdungen abzuwenden, ggf. welche?
  5. Ist die Kindesmutter bereit und in der Lage, diese anzunehmen und umzusetzen, sodass eine Gefährdung nicht mehr besteht?
  6. Welche Vorstellungen hat das Kind von dem Verhältnis zu seiner Mutter und wie sind diese unter dem Aspekt der Zielorientierung, Intensität. Stabilität und Autonomie zu bewerten?
  7. In welchem Umfang und in welcher Form können bzw. sollten Umgangskontakte zwischen dem Kind xxx und seiner Mutter stattfinden?
  8. Besteht durch die Durchführung von Umgangskontakten eine Gefahr von körperlichen und seelischen Schäden für das Kind?
  9. Kann diese Gefahr durch einen begleiteten Umgang oder durch andere Maßnahmen abgewendet werden, ggf. durch welche?
  10. Ist ein Umgangsausschluss erforderlich? Wenn ja, für welchen Zeitraum?“

Mehr zum Fall von Carola Koch findet Ihr hier.

Hierzu hatten wir die folgende Gegenvorstellung abgegeben:

„Ich gebe die nachstehende Gegenvorstellung ab mit der Ankündigung, im Nichtabhilfefall unaufschiebbare Anträge in Erwägung zu ziehen.

Begründung:

Der Beweisbeschluss ist fachlich fehlerhaft und vorurteilsbehaftet. Er verfehlt die Zielwirkung des §1666 BGB und ist daher nicht geeignet.

Das Wohl des Kindes ist in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei ist eine Vorverurteilung zu vermeiden.

Ich rege daher, für den Fall dass überhaupt ein Gutachten benötigt wird (dazu später mehr) die folgende Fragestellung an:

1.

Welche Belastungen und welche Vorteile sind für das psychische, physische oder seelische Wohl des Kindes xxx zu erwarten, wenn es einerseits bei der Mutter lebt und andererseits sich in staatlicher Obhut befindet.

Lässt sich aus fachlicher Sicht begründen, dass einzelne dieser Faktoren für das psychische, physische oder seelische Wohl des Kindes jeweils schwerwiegende Bedeutung haben?

Welche Auswirkungen auf das Wohl des Kindes haben die Pläne gern. des Antrags der Mutter auf Rehabilitation und Unterstützung und welche Änderungen sind auf den Ist-Zustand bei konsequenter Umsetzung zu erwarten?

2.

Welche Faktoren werden voraussichtlich in welcher Intensität bei Entziehung des Sorgerechtes vorteilhaft oder belastend auf die gesunde sowie psychisch und emotionale Entwicklung des Kindes wirken? Wie verhält es sich bei einer Rückübertragung?

3.

Aus welchen Gründen besucht das Kind xxx nach wie vor keine Schule.

4.

Welche Auswirkungen auf das Wohl des Kindes hat der Konflikt zwischen Jugendamt und Mutter?

5.

Sind die von der Mutter geplanten und initiierten Mittel geeignet, das Wohl von xxx zu gewährleisten?

Sind die vom Jugendamt geplanten und initiierten Mittel geeignet, das Wohl von xxx  zu gewährleisten?

6.

Liegt bei xxx eine körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen vor, die ihn in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern? Wenn ja welche?

Wie sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, hätte das OLG keinen Beweisbeschluss erlassen dürfen, ohne den Ausgangsbeschluss aufzuheben. Denn wenn nunmehr eine Beweisfrage offen ist, was sie es bereits vor der Entscheidung des Amtsgerichtes. Zudem hat das Oberlandesgericht vergleichbare Beweisfragen zugusten der Mutter abgelehnt. Insoweit bestätigt der Beweisbeschluss das Vorliegen eines verfassungswidrigen Vorratsbeschlusses, auch wenn er ausschließlich die Mutter in den Mittelpunkt der Probleme stellt. Dabei muss aus einer neutralen Warte eben auch gefragt werden, ob bei den vorliegenden Gegebenheiten das Jugendamt eine Verbesserung für xxx herbeiführen kann oder will.

Weiter ist der Sachverhalt nicht ausermittelt. Auf BGH XII ZB 68/09 Rn. 42 wird hingewiesen.“

Weitere Musterformulierungen folgen gerne.

Bedenkt bitte, dass es immer eine Einzelfallfrage ist. Es gibt nicht den einen richtigen Gegenvorstellungsantrag, wie man einen Beweisbeschluss anfechten kann in FamFG Verfahren, z.B. auf ein familienpsychologisches Gutachten.

Ich hab im Moment nur keine geeigneten Beweisanträge zum Widerlegen. Ihr könnt mir gerne welche zukommen lassen, per Whatsapp/Messenger/Telegram (unten links) oder per weiteren Kontaktmöglichkeiten:

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