Gestern also gab es auf meinem YouTube Kanal den Livestream „Väter gegen Mütter“, der K(r)ampf, der nur dem Jugendamt hilft. An dieser Stelle bedanke ich mich bei allen, die anwesend waren. Es wie zu erwarten eine teils hitzige, aber vorallem auch eine interessante Diskussion. Den Livestream könnt Ihr hier noch einmal nachschauen:
Keine institutionelle Benachteiligung von Vätern oder Müttern
Wir haben versucht, uns der Ursache dieses Konfliktes anzunähern. Einerseits habe ich darauf hingewiesen, dass es meiner Meinung nach keine institutionelle Benachteiligung des einen oder des anderen Geschlechtes durch Gerichte gibt. Die aufgeworfene Behauptung, die Politik wolle, dass Väter benachteiligt würden und nur zahlen sollen, halte ich für weder belegbar noch inhaltlich nachvollziehbar. Mir selbst ist kein einziger Fall einer politischen Einmischung bekannt.
Was deutlich wurde: Es besteht gar kein Interesse an einem argumentativen Austausch. Jeder Vertritt bis zum Ende „seine“ Meinung, ohne in der Lage zu sein die andere Seite und deren Sichtweise wahrzunehmen.
Behauptungen ins Blaue hinein, dass Gerichte „Rechtsbeugung“ begehen, um Väter oder Mütter zu belasten, sind hahnebüchen. Ja, ich weiss: Es gibt da draussen verdammt viele schlechte Entscheidungen von Amtsgerichten und Oberlandesgerichten. Aber das ist eben nicht alles gleich Rechtsbeugung. Und es hat nichts mit der Benachteiligung einer Geschlechtergruppe zu tun. Ursachen sind hierbei oft absolut unterschiedlich.
Die politische Spalterei, so waren wir uns im Stream eigentlich einig, die hier von Lobbyverbänden auf beiden Seiten hervorgerufen wird, löst keine Probleme, sie vergrößert sie.
Elternstreit als Problemkern
Doch was ist der Kern dieser ganzen Problematik? Im Einzelfall sind es die Streitigkeiten zwischen den Eltern. Viele Betroffene können aus der Paarebene nicht in die Elternebene wechseln. Die Ursache vieler Streitigkeiten sind halt auch die schlechten oder suboptimalen Partnerwahlen, die man nicht mehr rückgängig machen kann. Die daraus resultierende Kommunikationsunfähig oder -schwierigkeit zu bekämpfen ist ein Problem, das es zu beheben gilt. Doch, so das Credo auch im Chat, man kann nur sich selbst ändern, nicht den anderen. Das wiederum führt dazu, dass man eben nur versuchen kann, Lösungen anzubieten und damit darzutun, dass die Gegenseite nicht kommunikationswillig ist (und damit dem Kind schadet).
Mediation als Ansatz?
Mediation kann ein Ansatz sein. Doch basiert dieser auf Freiwilligkeit. Mediation fordert eigene Vorschläge, Gerichte können hier Auflagen setzen. Dann wird deutlich, wer gar keinen Konsens sucht.
Lebensmodell von Vätern und Müttern vor Trennung
Die „Benachteiligung“ eines Geschlechtes ist oft „hausgemacht“. Vater oder Mutter einigen sich auf ein Betreuungsmodell. Nach der Trennung wird alles, woran sich das Kind gewöhnt hat, in Frage gestellt. Man kann nachher kaum behaupten, dass die vorherige Betreuung schlecht war. Dass gegebenenfalls hier Väter die abendliche gemeinsame Zeit vor dem Zubettgehen nicht kompensiert bekommen, liegt in der Natur der Sache begründet: Der Trennung. Aber es ist eben das vorherige Lebensmodell „einer arbeitet, einer erzieht“, das sich auch in Entscheidungen wiederspiegelt.
Damit ist der Konflikt Väter gegen Mütter vorprogrammiert. Aber er liegt eben in Eurer Entscheidung, nicht am Recht oder Gericht.
Muss das Gesetz reformiert werden?
Mein Freund Olivier Karrer meinte, das Gesetz muss umfassend reformiert werden. Ich bin eher für ein Anpassen von Nuancen, weil ich die Grundkonzeption unserer gesetzlichen Regelungen im Kindschaftsrecht gut finde.
Fazit:
Wichtig ist, dass wir miteinander reden. Dass wir lernen, andere Aspekte und Blickwinkel anzunehmen. Und dass wir auf Argumente anderer eingehen. Nur mit Rechthaben oder sich als Opfer inszenieren kommt man zu keinem Ergebnis, das irgendeinem Kind oder irgendeinem Elternteil hilft.
Letztlich hilft dieser K(r)ampf nur dem Jugendamt, das leichter auf Kinder zugreifen kann, die in hochstrittigen Konflikten leben.
Über Fehler in Gutachten, insbesondere familienpsychologischen Gutachten, haben wir uns schon oft unterhalten. Oft geht es dabei auch um die Frage, ob ein Sachverständiger oder eine Sachverständige die notwendigen Qualifikationen hat, um als solcher im Kindschaftsrecht tätig zu sein. Wie ich herausfinden kann, ob ein Sachverständiger die notwendige Expertise hat, das erkläre ich Euch in diesem Beitrag. Qualifikation Sachverständige zu prüfen ist dabei gar nicht so schwer. Und wenn ihr es selber nicht herausfinden könnt, dann benötigt ihr vielleicht eine kritische Gutachtensrezension von mir, die diesen und viele andere Aspekte prüft.
Die gesetzliche Grundlage für Sachverständigengutachten und die Qualifikation derselben in Kindschaftssachen findet sich im FamFG in §163:
(1) In Verfahren nach § 151 Nummer 1 bis 3 ist das Gutachten durch einen geeigneten Sachverständigen zu erstatten, der mindestens über eine psychologische, psychotherapeutische, kinder- und jugendpsychiatrische, psychiatrische, ärztliche, pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation verfügen soll. Verfügt der Sachverständige über eine pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation, ist der Erwerb ausreichender diagnostischer und analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte Zusatzqualifikation nachzuweisen.
Welche Mindestqualifikation muss ein Sachverständiger in Kindschaftssachen haben?
Gutachter nach dem Gesetz kann daher jemand sein, der mindestens eine
psychologische
psychotherapeutische
kinder- und jugendpsychiatrische
psychiatrische
ärztliche
pädagogische oder
sozialpädagogische
Berufsqualifikation hat. Man muss also, folgt man dem Gesetz, nur eines dieser Fächer studiert haben, wobei Pädagogen und Sozialpädagogen noch belegen müssen dass sie analytisch-diagnostische Kenntnisse haben.
Das Problem liegt also im Bereich des Wortes „mindestens“. Diese eröffnen also durchaus die Erkenntnis, dass es nicht ausreicht, mal eben so „Psychologe“ zu sein, dass man vertieftes Wissen haben muss.
Qualifikation des Sachverständigen gem. der Mindestanforderungen
Weil also bereits der Gesetzgeber sagt, dass man wohl mehr sein muss als ein Psychologe, führen die Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht (2. Auflage) aus:
Aufgrund der Vielfältigkeit und Anforderungen, nicht zuletzt auch aufgrund der möglichen weitreichenden Bedeutung der Empfehlungen der Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren, ist eine besondere Sachkunde notwendig, die weit über übliche Studieninhalte der Psychologie und Medizin hinausreicht. Deshalb sind zusätzliche, nachgewiesene, forensische Kenntnisse und Erfahrungen der Sachverständigen notwendig.
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Kinderpsychiater müssen die folgende Qualifikation haben:
Zertifikat für kinder- und jugendpsychiatrische Begutachtung (BAG KJPP; BKJPP; DGKJP)
Für mich ist zudem problematisch, wenn ein Spezialist für Kinder auch Erwachsene begutachtet. Es gibt durchaus renommierte Kinderpsychiater, die solche Begutachtungen von Erwachsenen deswegen ablehnen.
Qualifikationen von Psychologen als Sachverständige in Kindschaftssachen
Psychologen hingegen müssen folgende Aspekte im Gutachten belegen können, ggf. auf Eure Nachfrage hin:
Psychologen (Diplom/Master):
Fachpsychologe für Rechtspsychologie BDP/DGPs
postgradualer oder Weiterbildungsstudiengang (Master of Science Rechtspsychologie)
Wenn diese Kenntnisse nicht nachgewiesen sind, dürfte ein normales Studium nur in Ausnahmefällen ausreichen. Ggf. muss der Sachverständige dann seine Studienmodule offenlegen.
Psychologische Psychotherapeuten/Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
• Eintragung in Sachverständigenlisten von Psychotherapeutenkammern
Psychologische Psychotherapeuten, also Psychologen mit einer Approbation, müssen in die Sachverständigenliste ihrer Kammer (=Bundesland des Wohnortes) eingetragen sein.
Für Niedersachen geht man dazu auf die Webseite der Psychotherapeutenkammer Niedersachen (via Google oder direkt https://www.pknds.de/)
Nur diese 5 Psychologen sind in Niedersachen als Sachverständige in Kindschaftssachen geeignet i.S. §163 I FamFG.
Fazit
Anders als es die Gerichte oft vorgeben, ist eben nicht jeder geeigneter Sachverständiger i.S. des Gesetzes. Qualifikation Sachverständige wird aber zu selten hinterfragt und geprüft. Auch wenn die Mindestanforderungen oder vergleichbare Standards kein Gesetzesrecht sind, geben sie doch wieder was wissenschaftlich und damit der Prüffähigkeit dienend gefordert wird, um ein Gutachten zu erstellen. Die Justiz hingegen und die Anwälte der Beteiligten sollten hier mehr Augenmaß walten lassen. Gutachten, die den Mindeststandards entsprechen, vereinfachen am Ende die Diskussion über das Ergebnis. Wer es sich einfach macht und sagt „Gutachter ist, wer zum Gutachter bestellt wurde“, der hat kein Interesse an einer Qualität im Familienrecht. Und das ist abzulehnen.
Fragen und Antworten zur Qualifikation der Sachverständigen
Reicht es aus, wenn der Gutachter seine Qualifikation auf seiner Homepage angiebt
Gem. der Mindeststandards sind diese Qualifikationen im Gutachten zu benennen. Ich selber lese und suche aber immer nach den Gutachtern und nutze alle Quellen, auch Webseiten.
Muss der Gutachter einen Beleg für seine Qualifikation vorlegen?
In der Regel nicht. Dies fordern die Mindestanforderungen auch nicht. Wenn aber Recherchen Ungereimtheiten ergeben oder Fragen aufwerfen, dann kann hier im Einzelfall sicher ein Nachweis gefordert werden. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass gegebene Angaben richtig sind. Wer tiefer gehen will, kann über die Universität und die damals gültige Prüfungsordnung auch belegen, ob Angaben zu den relevanten Lehrinhalten richtig sind oder nicht.
Muss ein Richter die Mindestanforderungen beachten?
Grundsätzlich ist der Richter nur dem Gesetz verpflichtet. Die Mindestanforderungen sind leider kein Gesetz. Er kann also auch eigene Sachverständige benennen. Dann würde ich aber vertiefende Nachfragen stellen, weshalb das Gericht von einer Qualifikation ausgeht. „Gerichtsbekannt“ ist kein Argument.
Macht sich ein Sachverständiger haftbar, wenn er nicht die notwendige Qualifikation hat?
Meiner Meinung nach ja, weil er dies vor Gutachtensauftragsannahme zu prüfen hat. Dann sind Ansprüche nach §839a BGB denkbar. Da die Standards aber nicht verbindlich sind, empfiehlt es sich mindestens einen weiteren Fehler aufzudecken.
Ich habe ja schon oft hier geschrieben, wie ihr ein falsches Gutachten erkennt. Doch nun gibt es auch ein Muster Schadensersatz Gutachten Schreiben an den gerichtlichen Sachverständigen. Weil: ich biete ja Hilfe bei denjenigen an, die ein Gutachten nicht selber anfechten können:
Was also, wenn ich die Fehlerhaftigkeit eines Gutachtens belegt ist, gern unter Verwendung von methodenkritischen Stellungnahmen oder Obergutachten oder meiner kritischen Gutachtensrezension? Dann muss man sich an den Gutachter wenden und dort Schadensersatz einfordern (mehr zu den Anspruchsvoraussetzungen nach §839a BGB findet ihr hier).
Muster Schadensersatz Gutachten
Wie ein solches Musterschreiben aussehen kann, das könnt Ihr hier lesen. Wichtig: Solche Musterschreiben decken immer bestimmte Fälle ab. Meines zum Beispiel basiert auf einer kritischen Gutachtensrezension von mir. Die dortigen Sachverständigen haben zu Zweit auf dem Briefkopf einer Firma gearbeitet. Das kann je nach Fall anders sein.
Wichtig ist:
Die Fristsetzung
Die Schweigepflichtsentbindung gegenüber der Berufshaftpflichtversicherung
Anforderung der Versicherungsdaten
Benennung der Fehler
Ich selber lege hier nie alle Karten auf den Tisch. Man muss ja im gerichtlichen Verfahren noch Asse im Hintergrund haben. Aber das ist Geschmackssache. Ich benenne die Fehler, nicht aber konkret.
Das also ist mein Musterschreiben nach §839a BGB bei einem familienpsychologischen Gutachten:
Ich schreibe ja immer wieder, dass der Beweisbeschluss sehr wichtig ist. Und ich schreibe auch, dass Ihr eine Gegenvorstellung machen sollt, wenn dieser falsch ist. Aber was ich bisher nicht so deutlich geschrieben habe ist, wie man einen Beweisbeschluss nach FamFG für ein familienpsychologisches Gutachten anfechten kann. Also klare Beispiele oder ein Muster.
Und weil ich Euch gerne helfe und das ja der Sinn und Zweck dieser Webseite ist, dass ich Euch helfe, hier also nochmal das wesentliche zusammengefasst und Musterformulierungen für eine Gegenvorstellung, um Beweisbeschlüsse anzufechten:
Beispiel 1: Den faulen Beweisbeschluss nach §1671 BGB anfechten
Den faulen Beweisbeschluss hatte ich Euch schonmal vorgestellt. Den nenne ich so, weil er nur das Gesetz und damit die vom Richter zu beantwortende Rechtsfrage wiedergibt.
Der Beweisbeschluss lautet beispielsweise:
Es soll zur Frage, welche Sorgerechtsreglung und Aufenthaltsregelung dem Kindeswohl am besten entspricht, ein familienpsychologisches Fachgutachten eingeholt werden.
Beweisbeschluss eines Familiengerichts zu einer Frage nach §1671 BGB
Ihr erkennt also schon, dass es hier um die Frage geht, bei welchem Elternteil das Kind besser aufgehoben ist. Es geht also um einen Vater-Mutter-Streit um das Sorgerecht oder ABR, nicht um eine Frage der Kindeswohlgefährdung. Das ist bereits dann erstaunlich, wenn wie vorliegend das Gericht vorher noch eine KWG erörtert hatte. Denn nach dieser Beweisfrage soll das keine Rolle mehr spielen.
Aber darum soll es nicht gehen.
Wie reagiert man auf so einen Beweisbeschluss? Beispielsweise so:
„Ich gebe betreffend des Beweisbeschlusses die folgende
GEGENVORSTELLUNG
ab mit dem Antrag, den Beweisbeschluss abzuändern in eine Formulierung wie folgt:
Welche Belastungen und welche Vorteile sind für das psychische, physische oder seelische Wohl des Kindes/der Kinder xxx zu erwarten, wenn der Aufenthalt dauerhaft zur/zum Vater/Mutter wechselt oder bei der Mutter / dem Vater verbleibt?
Welche Faktoren werden voraussichtlich in welcher Intensität bei Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil jeweils vorteilhaft oder belastend auf die gesunde sowie psychisch und emotionale Entwicklung des Kindes/der Kinder wirken?
Gibt es oder gab es Kommunikationsstörungen zwischen den Eltern? Wenn ja, wie wirken sich diese auf das Kind/die Kinder aus?
Welche Faktoren werden voraussichtlich in welcher Intensität bei Übertragung des Sorgerechtes auf einen Elternteil jeweils a) vorteilhaft oder belastend auf die gesunde sowie psychisch und emotionale Entwicklung des Kindes/der Kinder wirken b) vorteilhaft oder belastend auf die schulische Ausbildung des Kindes/der Kinder wirken c) vorteilhaft oder belastend auf die Beziehung des Kindes/der Kinder zu dem jeweilig anderen Elternteil und der Schwester wirken? Lässt sich dabei feststellen, dass die Beziehung zu bestimmten Personen für die Entwicklung und Gesundheit des Kindes/der Kinder in positiver oder negativer Art von besonderer Bedeutung ist?
Gibt es Hinweise auf Manipulationen von Personen auf das Kind/die Kinder, und wenn ja, wie sind diese gutachterlich zu bewerten?
Die Formulierung ist in Anlehnung an Bergmann in FamRB 9/2016, S. 364ff. gewählt. Nur dieser Beweisantrag bestimmt zureichend genau den Tätigkeitsbereich des Sachverständigen, ohne diesem die richterliche Entscheidungsfindung per se zu übertragen. Die vom Gericht gewählte Beweisfrage stellt ausschließlich auf die Rechtsfragen ab und ist daher unzulässig. Rechtsfragen muss das Gericht selbst beantworten, insbesondere welche Regelung dem Kindeswohl am besten entspricht. Ein solches Gutachten, das hierauf basiert, wäre per se unverwertbar (Bergmann aaO). Daran ändert auch nichts die notwendige Umsetzung der Rechtlichen in die psychologische Fragestellung gem. der Qualitätsstandards für familienpsychologische Gutachten.“
Beispiel 2: Der einseitige Beweisbeschluss in Sachen Carola Koch
Das Oberlandesgericht in Bremen hatte hierzu folgenden Beweisbeschluss erlassen:
„Es soll ein familienpsychologisches Saohverständigengutachten eingeholt werden über folgende Fragen:
Besteht die Bereitschaft und die Fähigkeit der Kindesmutter, die Versorgung und Erziehung des Kindes xxx unter Berücksichtigung etwaiger besonderer Anforderungen des Kindes zu gewährleisten und ggf. eigene Belange zurückzustellen?
Ist bereits eine Schädigung des Kindes eingetreten oder besteht gegenwärtig schon eine Gefahr in einem solchen Maß, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt?
Von welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit sind die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes?
Gibt es andere Hilfs- und Unterstützungsangebote, die geeignet sind, die Gefährdungen abzuwenden, ggf. welche?
Ist die Kindesmutter bereit und in der Lage, diese anzunehmen und umzusetzen, sodass eine Gefährdung nicht mehr besteht?
Welche Vorstellungen hat das Kind von dem Verhältnis zu seiner Mutter und wie sind diese unter dem Aspekt der Zielorientierung, Intensität. Stabilität und Autonomie zu bewerten?
In welchem Umfang und in welcher Form können bzw. sollten Umgangskontakte zwischen dem Kind xxx und seiner Mutter stattfinden?
Besteht durch die Durchführung von Umgangskontakten eine Gefahr von körperlichen und seelischen Schäden für das Kind?
Kann diese Gefahr durch einen begleiteten Umgang oder durch andere Maßnahmen abgewendet werden, ggf. durch welche?
Ist ein Umgangsausschluss erforderlich? Wenn ja, für welchen Zeitraum?“
Hierzu hatten wir die folgende Gegenvorstellung abgegeben:
„Ich gebe die nachstehende Gegenvorstellung ab mit der Ankündigung, im Nichtabhilfefall unaufschiebbare Anträge in Erwägung zu ziehen.
Begründung:
Der Beweisbeschluss ist fachlich fehlerhaft und vorurteilsbehaftet. Er verfehlt die Zielwirkung des §1666 BGB und ist daher nicht geeignet.
Das Wohl des Kindes ist in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei ist eine Vorverurteilung zu vermeiden.
Ich rege daher, für den Fall dass überhaupt ein Gutachten benötigt wird (dazu später mehr) die folgende Fragestellung an:
1.
Welche Belastungen und welche Vorteile sind für das psychische, physische oder seelische Wohl des Kindes xxx zu erwarten, wenn es einerseits bei der Mutter lebt und andererseits sich in staatlicher Obhut befindet.
Lässt sich aus fachlicher Sicht begründen, dass einzelne dieser Faktoren für das psychische, physische oder seelische Wohl des Kindes jeweils schwerwiegende Bedeutung haben?
Welche Auswirkungen auf das Wohl des Kindes haben die Pläne gern. des Antrags der Mutter auf Rehabilitation und Unterstützung und welche Änderungen sind auf den Ist-Zustand bei konsequenter Umsetzung zu erwarten?
2.
Welche Faktoren werden voraussichtlich in welcher Intensität bei Entziehung des Sorgerechtes vorteilhaft oder belastend auf die gesunde sowie psychisch und emotionale Entwicklung des Kindes wirken? Wie verhält es sich bei einer Rückübertragung?
3.
Aus welchen Gründen besucht das Kind xxx nach wie vor keine Schule.
4.
Welche Auswirkungen auf das Wohl des Kindes hat der Konflikt zwischen Jugendamt und Mutter?
5.
Sind die von der Mutter geplanten und initiierten Mittel geeignet, das Wohl von xxx zu gewährleisten?
Sind die vom Jugendamt geplanten und initiierten Mittel geeignet, das Wohl von xxx zu gewährleisten?
6.
Liegt bei xxx eine körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen vor, die ihn in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern? Wenn ja welche?
Wie sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, hätte das OLG keinen Beweisbeschluss erlassen dürfen, ohne den Ausgangsbeschluss aufzuheben. Denn wenn nunmehr eine Beweisfrage offen ist, was sie es bereits vor der Entscheidung des Amtsgerichtes. Zudem hat das Oberlandesgericht vergleichbare Beweisfragen zugusten der Mutter abgelehnt. Insoweit bestätigt der Beweisbeschluss das Vorliegen eines verfassungswidrigen Vorratsbeschlusses, auch wenn er ausschließlich die Mutter in den Mittelpunkt der Probleme stellt. Dabei muss aus einer neutralen Warte eben auch gefragt werden, ob bei den vorliegenden Gegebenheiten das Jugendamt eine Verbesserung für xxx herbeiführen kann oder will.
Weiter ist der Sachverhalt nicht ausermittelt. Auf BGH XII ZB 68/09 Rn. 42 wird hingewiesen.“
Bedenkt bitte, dass es immer eine Einzelfallfrage ist. Es gibt nicht den einen richtigen Gegenvorstellungsantrag, wie man einen Beweisbeschluss anfechten kann in FamFG Verfahren, z.B. auf ein familienpsychologisches Gutachten.
Ich hab im Moment nur keine geeigneten Beweisanträge zum Widerlegen. Ihr könnt mir gerne welche zukommen lassen, per Whatsapp/Messenger/Telegram (unten links) oder per weiteren Kontaktmöglichkeiten:
Wie man keinen Abänderungsantrag stellt, das kann man heute bei Sandro Groganz‘ „Freifam“ nachlesen. Ich bin sehr dankbar, dass er seinen Antrag anonymisiert online gestellt hat, weil er die typischen Fehler, die bei Abänderungsanträgen gemacht werden, in einer denkwürdigen Art und Weise alle verarbeitet. Jeder von Euch, der sich selber vertritt, kann damit eine ganze Menge lernen: Wie es nicht geht. Ich erkläre, warum.
In einem Abänderungsantrag reicht es nicht aus, eine andere Rechtsauffassung zu haben. Gem. §238 FamFG müssen „Tatsachen“ vorgetragen werden, die eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bedingt. Dabei reicht es eben niemals aus, es besser zu wissen und allen anderen Beteiligten Kompetenzen abzusprechen und diese außerhalb des Rechtsstaates verordnet anzusehen. Wenn man dann noch in einem eA Verfahren vorgehen möchte (einstweiliger Rechtsschutz), muss man diese neuen Tatsachen glaubhaft machen, also präsente Beweismittel anbieten. Die „Kenntnis“ irgendeines Dokumentes reicht eben nicht aus, weder beim Vater noch beim Richter.
Hinzu kommt, dass die dem Gericht vorliegenden Befunde des Dr. med. xxx eindeutig belegen, dass aus fachlicher Sicht eine Gefährdung der Kinder durch den Antragsteller auszuschließen ist.
Das ist keine Glaubhaftmachung. Und damit liegt kein Sachvortrag mit Belegen vor.
Was die Kinder wollen? Fehlanzeige. Dazu kommen keine Aussagen. Wie es den Kindern geht und wie es ihnen nach einer Änderung gehen würde: Keine Aussagen. Verwundert es dann, wenn man denkt, dass dieser Vater das Wohl der Kinder nicht im Blick hat, insbesondere wenn er sich als Opfer zelebriert?
Wäre es ein anwaltlicher Schriftsatz, wäre so ein Schriftsatz nicht nur ein Haftungsfall, der Schadensersatzpflicht auslöst. Es wäre vorallem ein juristischer Offenbarungseid. So bleibt es schlicht ein schlechter Versuch, seiner politischen Stimme Gewicht zu geben.
Kindeswohl im Mittelpunkt auch der Abänderung
Das Kindeswohl muss bei jedem Kindschaftsverfahren im Mittelpunkt stehen, nicht nur rechtlich, sondern auch in der Schwerpunktsetzung der Argumente. Wie immer beim Vorgehen von Sandro Groganz steht aber gerade nicht das Wohl der Kinder im Mittelpunkt, sondern seine politische Meinung und die seiner Meinung nach bestehende Diskriminierung von ihm als Vater, der das Wechselmodell präferiert.
Die hiermit abzuändernden Beschlüsse des Amtsgericht Ulm – Familiengericht – erfolgten unter Missachtung eines am Wertesystem des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) orientierten Kindeswohls und Demokratieverständnisses.
Das mag ja Sandros Meinung sein, eine Aussage über das was die Kinder benötigen steckt hierin jedenfalls nicht einmal ansatzweise.
Eilinteresse oder Anordnungsgrund fehlen
Ein weiterer grober Fehler ist wie in vielen Schriftsätzen von Laien, das schlicht vergessen wird, das Eilinteresse darzulegen. Gerade bei einer §1671 BGB Entscheidung, also über den Aufenthalt bei einem oder beiden Elternteilen (anders als bei §1666 BGB und Inobhutnahmen) muss man sich mit den Auswirkungen einer eA Entscheidung auseinandersetzen, was es bei den Kindern anrichtet, jetzt ggf. eine falsche Entscheidung zu treffen und diese wieder abzuändern. Juristisch wird das formuliert wie folgt:
„Daneben bedarf es eines dringenden Regelungsbedürfnisses (Anordnungsgrund) für ein sofortiges gerichtliches Tätigwerden, das ein Zuwarten bis zu einer wirksamen und damit vollzieh- bzw. vollstreckbaren (§§ 40, 116 III, 120 II 1) Entscheidung in der Hauptsache nicht erlaubt, weil diese zur Wahrung der schützenswerten Interessen zu spät käme (Nürnbg FamRZ 14, 52; Jena FamRZ 10, 1830; Stuttg FamRZ 10, 1678), und die Folgenabwägung muss ergeben, dass die Nachteile, die für die Rechte und Interessen der Beteiligten entstehen, wenn die EA unterbleibt, die Hauptsache aber iSd jeweiligen Beteiligten entschieden würde, schwerer wiegen als die Nachteile, die durch vorläufige Maßnahmen eintreten können, die aber aufzuheben und rückabzuwickeln sind, wenn sich die Hauptsache als erfolglos erweisen sollte (Brandbg FamRZ 19, 906).“
Aussagen hierzu gibt es im Antrag keine. Anders formuliert: Selbst wenn Sandro Recht hätte und sein Begehr richtig wäre, kann hier eine Entscheidung sofort so nicht erfolgen. Auf die Frage, wer woran politisch Schuld ist, kommt es hingegen nicht an. Wir erinnern uns: Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt.
Taktik: Lösungen offenlassen, nicht alle angreifen
Taktisch unklug ist es, immer nur auf alle zu schimpfen. Ich empfehle jedem, in einem gerichtlichen Verfahren, zumindest eine Tür für eine Lösung offenzuhalten. Man könnte die Ausführungen, dass man mit der Mutter kooperiere, so interpretieren. Aber mit reiner Rechthaberei hat noch keiner gewonnen, zumal wenn solch gravierende Fehler im Antrag stehen. Manchmal haben Anwälte eben schon ihren Wert.
Gesetze lesen bildet
Wirklich unvertretbar wird es dann, wenn man zur Unionsrechtsprechung kommt. Zum einen gibt es bereits kein „Unions-Familienrecht“. Die Kommission schreibt hierzu:
Diese Rechtsnormen sind von Staat zu Staat unterschiedlich, da sie eng mit der Geschichte, der Kultur und der gesellschaftlichen Entwicklung des jeweiligen Landes verknüpft sind.
Ein Binationaler Bezug ist nicht ersichtlich. Wenn man meint, über die europäischen Grundrechtecharta argumentieren zu können, z.B. Art. 24, dann muss man hierzu argumentieren. Und selbst das stellt nicht zwingend die Zuständigkeit des EuGH sicher. Auf die stellt man ab, freilich ohne das Gesetz zu lesen:
Sollte das Gericht dieser BGH-Rechtsprechung folgen, so ist die Anrufung des Gerichtshof verpflichtend. Es handelt sich dabei um eine Verletzung von Unionsrecht und muss als Frage an den EuGH gemäß Art. 19 Abs. 3 EUV i.V.m. Art. 267 AEUV durch das Gericht erfolgen.
Das Problem ist nur, den Art. 267 AEUV hat Sandro wohl nicht gelesen. Dieser lautet:
„Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet.“
Zwar kann man via §57 FamFG argumentieren, dass ja eigentlich eine Umgangsregelung im Vordergrund steht, die wiederum nicht anfechtbar wäre und damit die Voraussetzungen der AEUV gegeben wären. Gleichzeitig stellt sein Antrag aber auf die sorgerechtliche Komponente ab (ABR alleine auf ihn). Damit verbaut er sich den Weg zu Art. 267 AEUV, weil diesbezüglich ja eine Beschwerde möglich wäre und damit Art. 267 AEUV keine Anwendung findet. Das Problem muss man sehen, wenn man ernst genommen werden möchte.
Seitenweise Ausführungen, dass alle Entscheidungen falsch waren
Was bleibt? Seitenweise Ausführungen, dass alle bisherigen Entscheidungen falsch sind. Darauf kommt es aber bei Abänderungsanträgen nicht an.
Ich vertrete zwar auch die Auffassung, dass man inzident die Richtigkeit falscher Entscheidungen mitbesprechen kann. Aber nur dann, wenn eben aktuell wesentliche Tatsachenänderungen vorliegen. Bitte macht diesen Fehler nicht. Das kostet Euch nur Zeit und Geld, und emotional sterben danach wieder ein paar Hoffnungen. Das haben weder Eure Kinder noch Ihr verdient.
Muss dieses Sandro-Bashing sein?
Nein, und ja. Nein, weil es nicht gegen Sandro per se geht. Ja, weil wir aufhören müssen, uns selber in die Tasche zu lügen wie gut wir sind und wie Recht wir haben. Ich kann aus dem Beschluss heraus nicht lesen, warum es den Kindern heute schlecht und morgen besser geht. Ihr etwa?
Ich möchte nicht, dass Ihr Euch Eure wenigen Chancen dadurch verbaut, dass ihr solchen Luftschlössern folgt. Wenn man keine Ahnung hat, wie man einen Abänderungsantrag stellt, sollte man sich nicht als Vorbild für alle anderen gerieren. Dieser Antrag ist keine Hilfe, für niemanden. Er führt nur dazu, dass man berechtigte Anliegen nicht mehr ernst nimmt. Sandros berechtigtes Anliegen, Väter mehr gleichzuberechtigen, wenn sie dies wollen und können, gerät hier buchstäblich unter die Räder. Und genau deshalb ändert sich so wenig.
Dazulernen heißt Siegen lernen
Wer dazulernt, der weiss wie er in Zukunft gewinnen kann. Wer nach Jahren immer noch nur auf seiner Meinung beharrt und Argumente aus 2017 wiederholt, der nimmt einen Verlust wissentlich in Kauf. Offenbar geht es nicht mehr um die Kinder, sondern sich als Märtyerer zu zelebrieren. Dass man dazu alle Chancen, mehr Kontakt mit seinen Kindern zu haben, verspielt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Aber jeder kann seinen Weg gehen. Ich halte diesen Weg für schlicht falsch. Es machts dem Gericht viel zu einfach. So schreibt man keinen Abänderungsantrag. Und so wird ein Abänderungsantrag auch nicht ernst genommen, weder politisch noch rechtlich.
Auf meinem Haupt-YouTube-Kanal sende ich heute mal wieder live – und zwar zum Thema Gutachten anfechten.
Es ist immer noch das Thema im FamFG Verfahren: Das familienpsychologische Gutachten. Mann so viele Fehler machen als Psychologe – und das Gericht prüft viele davon einfach nicht nach. Ich stelle Euch meine neue Prüfliste vor, die eine Ergänzung zur Kategorie Gutachten auf dieser Webseite ist und die häufigsten Fehlerpunkte ausführt. Schaut einfach mal rein, wie immer kann jeder sich im Chat beteiligen und Fragen stellen.