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Vollmacht über Angelegenheiten der elterlichen Sorge

Über eine Sorgerechtsverfügung hatte ich bereits berichtet. Ein anderes wichtiges Instrument ist dabei die „normale“ Vollmacht über Angelegenheiten der elterlichen Sorge. Mit dieser kann ein Elternteil Probleme in der Kommunikation umgehen und insbesondere Sorgerechtsübertragungen auf den anderen Elternteil verhindern. Denn eine Vollmacht über Angelegenheiten der elterlichen Sorge führt zur Unzulässigkeit einer Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil.

Was ist eine Vollmacht über Angelegenheiten der elterlichen Sorge

Sie ist eine normale Vollmacht, in der eine Person (Vollmachtgeber) eine andere (den Vollmachtnehmer) bevollmächtigt, etwas zu tun. Wir kennen das, wenn wir Pakete abholen wollen oder einen Auftrag bei einer Behörde für jemanden durchführen. Das besondere an der Vollmacht im Sorgerecht ist dabei nur der Umfang einer solchen Vollmacht: Diese bezieht sich ausschließlich auf sorgerechtliche Angelegenheiten.

Welche Vorteile hat eine solche Vollmacht im Sorgerecht?

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Übertragung des alleinigen Sorgerechts gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB entbehrlich, wenn sie dem bevollmächtigten Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur alleinigen Wahrnehmung der Kindesbelange gibt. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, demzufolge der Eingriff in die elterliche Sorge eines Elternteils nicht erforderlich ist, wenn die Handlungsbefugnisse des anderen Elternteils bereits durch die Vollmacht erweitert sind und dieser dadurch in die Lage versetzt wird, in den maßgeblichen Kindesbelangen allein tätig zu werden. Infolge der ihm erteilten Vollmacht ist der andere Elternteil dann auch ohne Abstimmung mit dem vollmachtsgebenden Elternteil ausreichend handlungsfähig. Die Vollmacht ermöglicht, dass Konflikte in der Kommunikation und Kooperation mit dem anderen Elternteil weitgehend vermieden werden können (BGH, Beschl. v. 29.04.2020, XI 1112/19).
Dies gilt selbst wenn der Kindeswille dem entgegenstehen würde (OLG München, 26 UF 529/23 e, wenn eine alleinige Handlungsbefugnis ausreichen würde.

Der Vorteil ist also schlicht, dass man es verhindert, dass einem Sorgerechtsanteile „entzogen“ werden (rechtlich betrachtet sieht man hierin keine Entziehung, wenn gem. §1671 BGB die Rechte auf den anderen Elternteil übertragen werden. Emotional und inhaltlich ist es aber eine Entziehung). Man kann damit also zum Arzt, in die Schule, zum Jugendamt gehen und sich informieren – was eine wesentliche Grundlage für künftige Maßnahmen ist. Wer keine Infos bekommt, bekommt auch selten ein Kind (zurück).

Welche Formvorschriften gibt es für eine solche Vollmacht

Grundsätzlich sind solche Vollmachten formfrei, aber zum Nachweis, insbesondere damit ein Sorgerechtsentzug verhindert wird, empfiehlt sich die Schriftform. Die Vollmacht kann also auch im Termin zu Protokoll des Gerichts erklärt werden.

Wann ist eine Vollmacht sinnvoll

Eine Vollmacht ist immer sinnvoll, wenn man weite Distanzen hat zwischen dem Elternteil, der die Vollmacht erteilen soll, und dem Kind. Damit werden Diskussionen, was Alltagssorge ist und was nicht, vermieden. Weniger Streit führt aber zu besserem Co-Parenting.

Formular

Ein entsprechendes Formular über eine Vollmacht über Angelegenheiten der elterlichen Sorge stellt der Verein Erzengel für Euch kostenfrei zur Verfügung.

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Gutachten

Befangenheit Sachverständiger auch vor Gutachtenfertigstellung

Das OLG Nürnberg hat im Beschluss 7 WF 622/23 festgehalten, dass ein Sachverständiger auch vor Gutachtensfertigstellung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann. Voraussetzung hierzu ist ein zumindest grob fahrlässiges falsches Verhalten. Im entschiedenen Fall hatte der/die Sachverständige in einem anderen Verfahren mündlich Testergebnisse falsch dargestellt zum Nachteil einer Partei. Daher war die Besorgnis der Befangenheit berechtigt und der Gutachter abzulehnen.

Befangenheit des Sachverständigen vor Gutachtensfertigstellung

Die bisherige Rechtsprechung hatte weitgehend Gutachter nicht abgelehnt, solange kein Gutachten vorliegt. In der Tat bestehen viele Oberlandesgerichte sogar darauf, dass Fehler in der Begutachtung mit dem Rechtsmittel, also der Beschwerde, anzufechten seien und eine isolierte Anfechtbarkeit via Rüge der Befangenheit nicht möglich seien. Genau so hatte das Amtsgericht argumentiert:

„Das Amtsgericht wies den Antrag der Antragstellerin, den Sachverständigen Dr. S… wegen Befangenheit abzulehnen, mit Beschluss vom 07.07.2023 zurück. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung begründe der Vorwurf fehlerhafter Gutachtenerstellung infolge mangelnder Sorgfalt, unzureichender Sachkunde oder sonstiger Unzulänglichkeiten im Allgemeinen nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese Rüge lediglich die Qualität des Gutachtens und nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen betreffe. Eine vorsätzliche Täuschung des Gerichts durch den Sachverständigen zum Nachteil der Antragstellerin sei nicht ersichtlich.“

OLG Nürnberg 7 WF 622/23

Da hier aber nicht sauber gearbeitet wurde, ergibt sich hier fehlende Unvoreingenommenheit:

„Das Beschwerdegericht kann nachvollziehen, dass sich für die Antragstellerin der Schluss ergibt, dass ein Sachverständiger, der im Hinblick auf ihre Diagnose bereits in einem mündlichen Gutachten nachgewiesenermaßen zu ihrem Nachteil unsauber gearbeitet hat, ihr nicht mehr ergebnisoffen gegenübertritt. Dies gilt umso mehr, als der Sachverständige auch in seiner mündlichen Gutachtensergänzung vom 25.11.2022 deutlich gemacht hat, dass er an seiner Einschätzung der Antragstellerin nichts geändert hat. Das Verhalten des Sachverständigen im Parallelverfahren steht in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren, in dem das schriftliche Gutachten des Sachverständigen lange überfällig ist, und ist daher geeignet, das Misstrauen der Antragstellerin im hiesigen Verfahren zu begründen.“

OLG Nürnberg 7 WF 622/23

Insoweit ist diese neue Rechtsprechung ein Meilenstein, der allerdings auch dringend notwendig ist. Wie sich diese Sichtweise in Zukunft entwickeln wird, bleibt aber abzuwarten. Es wird dabei bleiben, dass man viele Argumente sammeln und die Auswirkungen auf die fehlende Ergebnisoffenheit relevant und im Mittelpunkt der Argumentation stehen muss.

Befangenheit des Sachverständigen und Fehler im Verfahren

Folgt man der Argumentation des OLG Nürnberg, dann werden viele Sachverständige auch dann abzulehnen sein, wenn sie im selben Verfahren Fehler machen. Die dargestellten Argumente des OLG sind nämlich falsches Vorgehen zum Nachteil einer Partei. In der Tat ist der zweite Aspekt der schwierige, denn vor Gutachtenserstellung wird man kaum „zum Nachteil einer Partei“ begründen können. Sieht man aber die Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht als Schutz der betroffenen Familien, dann wäre jedes Abweichen, z.B. auch die fehlende Benennung der eigenen Qualifikation, ein solcher Nachteil einer Partei.

Es bleibt also spannend, wie und ob sich die Rechtsprechung entwickeln wird. Befangenheit eines Sachverständigen wird also ein Thema bleiben, egal ob vor Gutachtenfertigstellung oder danach.

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Gutachten

BGH: Nichteinhalten von fachlichen Standards ist Fachfrage

In einer Schadenersatzklage hat sich der Bundesgerichtshof zu der Frage geäußert, ob die Fachfrage nach (Pflege)Standards in einem Beweisantrag übergangen werden kann oder nicht. Die Nichteinhaltung von fachlichen Standards ist Fachfrage, die im Ergebnis das Gericht nicht aus eigener Sachkunde prüfen kann. Daher entschied der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung VI ZR 244/21 dass eine Gehörsverletzung vorliegt. Diese Entscheidung wird auch für viele Fragen der Anfechtbarkeit von familienpsychologischen Gutachten Relevanz haben.

Im entschiedenen Fall war streitig, ob ein Beweisangebot auf Einholung eines Gutachtens notwendig war oder nicht. Zum rechtlichen Gehör führt der BGH aus:

Zum rechtlichen Gehör und der Pflicht, Vortrag wahrzunehmen sowie Nichteinhalten von fachlichen Standards als Fachfrage

„Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien
haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2021 – VI ZR 44/20, VersR 2022, 66 Rn. 11; vom 16. August 2022 – VI ZR 1151/20, VersR 2022, 1393 Rn. 11).“

BGH vom 14.11.2023 VI ZR 244/21

Dort hatten die Ausgangsgericht überspannte Anforderungen an den Sachvortrag gestellt, die im Ergebnis eine Weigerung, Parteivortrag anzuhören, darstellt:

Überspannte Anforderungen sind eine Weigerung, Parteivortrag anzuerkennen

Dies gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat. Eine solche nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Tatrichters dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur
Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2009 – II ZR 143/08, NJW 2009, 2598 Rn. 2; Beschlüsse vom Februar 2013 – I ZR 22/12, TranspR 2013, 430 Rn. 10; vom 16. April 2015 IX ZR 195/14, NJW-RR 2015, 829 Rn. 9; vom 21. Februar 2017 – VIII ZR 1/16, NJW 2017, 1877 Rn. 10; vom 12. Oktober 2021 – VIII ZR 91/20, NJW-RR 2022, 86 Rn. 17).

BGH vom 14.11.2023 VI ZR 244/21

Fehlende Sachkunde bei Gericht

Denn die Gerichte haben bei der Beantwortung der Frage, ob Fehler vorliegen, in der Regel nicht die notwendige Sachkunde

„Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an den Sachvortrag überspannt, sich über den Antrag der Kläger auf Einholung eines Sachverständigengutachtens hinweggesetzt und die Frage, ob der Beklagten ein Fehler bei der pflegerischen Betreuung der Patientin unterlaufen ist, verfahrensfehlerhaft ohne die erforderliche Hinzuziehung eines Sachverständigen aus eigener, nicht ausgewiesener Sachkunde beantwortet hat.“

BGH vom 14.11.2023 VI ZR 244/21

Bedeutung in Familiensachen

Welche Bedeutung hat nun diese Frage in Familiensachen? Viele werden sagen, dass dort ja kein Strengbeweis gilt sondern der Freibeweis und die Amtsermittlung. Gleichwohl, sobald ein Gutachten eingeholt wird, ist hierin ein Strengbeweis gegeben i.S. §30 FamFG. Doch ist die Frage, ob ein familienpsychologisches Gutachten an die Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten in Kindschaftssachen gebunden ist, Rechts- oder Fachfrage? Muss also hier ein Gutachten eingeholt werden?

Meiner Auffassung nach beides. Ich selbst habe ja schon vor Monaten kolportiert, dass die Einhaltung der Mindestanforderungen eine Rechtsfrage ist, die das Gericht von Amts wegen prüfen muss (oder man holt unsere Fachexpertise ein). Kommt aber das Gericht zum Ergebnis, diese wären eingehalten – trotz gegenläufigem Vortrag eurerseits) oder es lägen Fehler vor, die aber das Ergebnis nicht bedingen, liegt eine Fachfragestellung vor, die im Ergebnis nur ein Obergutachten bewerten kann.

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Gutachten

Angriff auf die Meinungsfreiheit? Günter-Themen-Anhänger verunstaltet

Ein Anhänger, der sich für mehr Qualität in familienpsychologischen Gutachten einsetzt und entsprechende Fragen nach Fehlern stellt (Aktion steht nicht im Zusammenhang mit mir oder meiner Webseite) wurde Gegenstand eines Angriff auf die Meinungsfreiheit: Ein Günter-Themen-Anhänger wurde verunstaltet, der/die Täter sind unbekannt.

Günter-Themen-Anhänger vor dem Angriff auf die Meinungsfreiheit

25.12.2023 abends

Bereits in der Vergangenheit soll, so die mir zugetragenen Informationen, eine Plane mit (derselben) Fragestellung ausgerechnet vor dem OLG Stuttgart von dem dort abgestellten Anhängers entwendet worden sein.

Nunmehr, also am 23.12.2023, wurde die Plane mit der Aufschrift „Sind Gutachten von Prof. Dr. Michael Günter fehlerhaft?“ mit Malerflies abgedeckt. Wer hat ein Interesse daran, einen harmlosen Anhänger so zu verunstalten? Wer hat ein Interesse daran, andere Meinungen nicht zuzulassen?

Günter-Themen-Anhänger nach dem Angriff auf die Meinungsfreiheit

26.12.2023 vormitttags

Fragen über Fragen. Hinweise, die zur Aufklärung beitragen können, bitte an mich. Ich leite diese gerne weiter. Ich möchte diesen Artikel, der sich um den Angriff auf die Meinungsfreiheit dreht, weil ein Günter-Themen-Anhänger verunstaltet wurde, mit dem folgenden Zitat beenden:

„Wer Angst um seine Autorität hat, der hat sie bereits verloren“

Reinhart Lempp

Unter diesem Motto stand eine „Hommage zum 100. Geburtstag von Reinhart Lempp“, bei dem Reinmar du Bois einen Vortrag hielt und Prof. Dr. Michael Günter die Moderation übernahm – zwei Experten auf Kinderpsychiatrischem Gebiet:

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