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Recht allgemein

Verzögerungsrüge richtig

Wie man eine Verzögerungsrüge richtig macht, erkläre ich in diesem Beitrag. Wichtig: In Kindschaftssachen gilt das Beschleunigungsgebot des §155 FamFG.

Vorrangs- und Beschleunigungsgebot in §155 FamFG

Dieser lautet in Absatz 1:

(1) Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen.

§155 FamFG

Das Gegenteil ist der Fall. Oft lassen sich die Gerichte viel Zeit. Notwendige Beweisaufnahmen werden nicht durchgeführt. Terminierungen erfolgen zu spät, obwohl das Gesetz hier klare Regeln kennt: 1 Monat nach Verfahrenseinleitung:

(2) Das Gericht erörtert in Verfahren nach Absatz 1 die Sache mit den Beteiligten in einem Termin. Der Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Das Gericht hört in diesem Termin das Jugendamt an. Eine Verlegung des Termins ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Der Verlegungsgrund ist mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen.

§155 Abs. 2 FamFG

Das richtige Mittel gegen solche den Familien schadenden Verzögerungen sind die Verzögerungsrüge und die Beschleunigungsrüge, die im GVG geregelt sind.

Was ist eine Verzögerungsrüge

Die Verzögerungsrüge ist die Rüge bei Gericht, dass man Angst hat dass das Verfahren nicht mit der notwendigen Sorgfalt betrieben wird. Geregelt ist sie in §198 GVG:

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist.

§198 GVG

Es geht also um Entschädigungen bei zu langen Verfahren.

Wie stelle ich die Verzögerungsrüge richtig?

Um die Verzögerungsrüge richtig zu stellen, muss man

  • beim Gericht der Sache (also dem Familiengericht mit dem Aktenzeichen des Verfahrens, das man rügt)
  • mitteilen
  • dass man die Sorge hat, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird

Weiter darf man nur

  • alle sechs Monate eine solche Rüge erheben oder
  • öfter, wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist.

Weil der Gesetzgeber aber erkannt hat, dass dieses Instrument in vielen Verfahren nicht richtig passt (die Verzögerungsrüge gilt in jedem gerichtlichen Verfahren!), hat er für Kindschaftssachen eine weitere Möglichkeit eingefügt: Die Beschleunigungsrüge

Was ist eine Beschleunigungsrüge

Die Beschleunigungsrüge ist in §155b FamFG geregelt und lautet:

(1) 1Ein Beteiligter in einer in § 155 Absatz 1 bestimmten Kindschaftssache kann geltend machen, dass die bisherige Verfahrensdauer nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot nach der genannten Vorschrift entspricht (Beschleunigungsrüge). 2Er hat dabei Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass das Verfahren nicht vorrangig und beschleunigt durchgeführt worden ist.

(2) 1Das Gericht entscheidet über die Beschleunigungsrüge spätestens innerhalb eines Monats nach deren Eingang durch Beschluss. 2Hält das Gericht die Beschleunigungsrüge für begründet, hat es unverzüglich geeignete Maßnahmen zur vorrangigen und beschleunigten Durchführung des Verfahrens zu ergreifen; insbesondere ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen.

(3) Die Beschleunigungsrüge gilt zugleich als Verzögerungsrüge im Sinne des § 198 Absatz 3 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes.

§155b FamFG

Man sieht bereits, dass hier anders als bei der Verzögerungsrüge nicht die Geldkompensation im Vordergrund steht, sondern die echte Beschleunigung. Deshalb muss man hier auch konkret vortragen, was getan werden muss.

Wie stelle ich die Beschleunigungsrüge richtig?

Die Voraussetzungen für eine Beschleunigungsrüge lauten:

  • man muss in einer Kindschaftssache Beteiligter sein
  • die bisherige Verfahrensdauer darf nicht dem Beschleunigungsgebot entsprechen
  • es müssen Verfahrenshandlungen unterlassen worden sein

Die Verfahrensdauer meint z.B. §155 FamFG mit der Monatsfrist für Anhörungen. Erfahrungsgemäß findet die erste Anhörung zwar rechtzeitig statt, danach passiert aber oft wenig. Deshalb muss man hier vortragen, was genau unterlassen wurde, z.B. dass es keinen Beweisbeschluss gibt, der Gutachter zu langsam arbeitet, beantragte Beweisaufnahmen nicht erfolgen, Akten nicht beigezogen sind usw.

Die Beschleunigungsrüge ist immer auch eine Verzögerungsrüge, sagt das Gesetz. Eine Rüge reicht also aus!

Michael Langhans, Volljurist

Je konkreter ihr hier werdet, desto besser. Denn das Gericht muss sich innerhalb von einem Monat hiermit auseinandersetzen. Aussitzen geht also nicht einfach. Und das beste: Die Beschleunigungsrüge ist gleichzeitig eine Verzögerungsrüge.

Wie sieht so eine Musterformulierung Beschleunigungsrüge aus?

Ich habe Euch ein Muster vorbereitet. Dieses müsst Ihr natürlich anpassen und nur konkret reinschreiben, was bei Euch falsch läuft. Gleichzeitig habe ich trotzdem viele Grundsatzprobleme reingenommen.

Schadensersatz nach Verzögerungsrüge

Der immaterielle Schaden wird vom Gesetz mit 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung bemessen:

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

§198 II GVG

Dabei wird nur die konkrete Verzögerung berücksichtigt, und auch erst ab der Verzögerungsrüge. Der Schadensersatz ist also oft eher ein Taschengeld.

Was tue ich, wenn Beschleunigungsrüge und Verzögerungsrüge nicht fruchten?

Dann kann man mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde arbeiten oder einem Befangenheitsgesuch. Eine außerordentliche Beschwerde wegen unzureichenden Beschwerderechts wird weitgehend abgelehnt durch die Einführung der Anhörungsrüge.

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