Ich gebe zu, meine Überschrift ist ein wenig provokant formuliert, aber sie ist eben auch angelehnt an die Headline des „Volksverpetzers“, der einen Artikel im Stern mit der Überschrift „WIE „STERN“ AUF VÄTERRECHTLER-PROPAGANDA HEREINFIEL“ kommentiert und dabei ausreichend Faktenfehler ausführt, so dass das klassische Bild „wer mit einem Finger auf andere (Stefan Rücker) zeigt, der zeigt mit 4 Fingern auf sich selbst“ hervorragend erfüllt ist.
- Unbequeme Wahrheiten des Dr. Stefan Rücker als Problem?
- Faktenfehler des Volksverpetzers
- Einseitige Argumentation des BVerfG mit erheblichen Mängeln
- EGMR Rechtsprechung scheint dem Volksverpetzer bei seiner Recherche unbekannt geblieben
- Eltern-Kind-Entfremdung und Bindungsintoleranz
- Keine Gleichsetzung Eltern-Kind-Entfremdung und Parental Alienation
- Der Volksverpetzer recherchiert schlechter als der Stern
- Sturm im Wasserglas gegen den Versuch, einseitige Presseöffentlichkeit zu schaffen
- Die Dynamiken im Hintergrund treten in Vergessenheit
- Die Sicht der Kinder aus der Sicht der Arbeit von Stefan Rücker
- Update zum 05.06.2024: Report Mainz
- Kampagnenjournalismus?
- Auch Frauen sind von Kontaktproblemen betroffen
- Update 08.06.2024: Auch Tagesspiegel und Salgo reihen sich in die Kampagne ein
- Streit über Begriffe statt über die Frage, was Kinder brauchen?
- Wechselmodell verhindern über Kritik an der Entfremdung
- Quellen
- Mehr Infos zu Manipulation aufdecken:
Vorneweg: Es gibt keine Väter- oder Mütterrechtler oder -rechte, sondern allenfalls Familien- oder Kinderrechte/-rechtler. Wer die Rechte eines Elternteils über den anderen stellt, verweigert sich dem deutschen rechtlichen Prinzip des Kindeswohls, das über allem thront. Ob dabei ein Artikel im Stern dieselben Standards wie ein Aufsatz in der ZKJ erfüllen muss, bleibt durchaus kontrovers zu diskutieren…
Unbequeme Wahrheiten des Dr. Stefan Rücker als Problem?
Für mich ist die Quintessenz des Artikels des Volksverpetzers, dass man offenbar mit den Ansichten von Dr. Stefan Rücker (und anderen!) nicht d’accord geht. Der Volksverpetzer meint, er habe die folgende Mission:
„Uns ärgern Hass, Hetze, Fake News und Verschwörungsmythen in Social Media genau wie alle anderen. Auch als einfache Engagierte wollen wir dagegen etwas tun. Als Anti-Fake-News-Blog versuchen wir, die tolle Arbeit anderer Faktencheck-Projekte mit kreativen Aktionen, Witz, Satire und ebenso ausführlichen Recherchen zu ergänzen.“
Volksverpetzer, Wir über uns
Wie man Hass mit Hass bekämpft, das sollen die „Verpetzer“ für sich selbst eruieren. Wie man aber in einem Faktencheck so deutlich machen kann, dass man keine Fakten checkt, weil man weder die Kompetenzen noch das wissenschaftliche Know how hat, das ist schon erstaunlich. Offenbar geht es eben darum, dass man mit den Ergebnissen von Rücker nicht leben möchte. Und daher losballert, ohne vorab ausreichend neutral zu recherchieren. Deshalb erlaube ich mir auf einige offenkundige Fehler hinzuweisen, die die Geisteshaltung dieses Artikels des Volksverpetzers belegen.
Faktenfehler des Volksverpetzers
Von einer schlechten Recherche zu sprechen, wäre dabei recht beleidigend jedem gegenüber, der sich mit Recherchen auseinandersetzt.
Konkret geht es um die folgende Aussage:
In einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2023 (1 BvR 1076/23) wird das Konzept der sogenannten Eltern-Kind-Entfremdung als „überkommen“ bezeichnet, es gelte „fachwissenschaftlich als widerlegt“. In dem Beschluss hieß es, das angeführte Konzept „genügt als hinreichend tragfähige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung nicht“.In einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2023 (1 BvR 1076/23) wird das Konzept der sogenannten Eltern-Kind-Entfremdung als „überkommen“ bezeichnet, es gelte „fachwissenschaftlich als widerlegt“. In dem Beschluss hieß es, das angeführte Konzept „genügt als hinreichend tragfähige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung nicht“.
Quelle Volksverpetzer
Gelesen oder verstanden scheint man aber das zitierte BVerfG nicht. Denn dort wird gerade nicht Eltern-Kind-Entfremdung als überkommen bezeichnet, dafür aber das PAS Syndrom
Die Entscheidung stellt sich derzeit auch nicht aus anderen Gründen einfachrechtlich als zutreffend dar. Mit der vom Oberlandesgericht herangezogenen Eltern-Kind-Entfremdung wird auf das überkommene und fachwissenschaftlich als widerlegt geltende Konzept des sogenannten Parental Alienation Syndrom (kurz PAS) zurückgegriffen. Das genügt als hinreichend tragfähige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung nicht. Soweit ersichtlich besteht nach derzeitigem Stand der Fachwissenschaft kein empirischer Beleg für eine elterliche Manipulation bei kindlicher Ablehnung des anderen Elternteils oder für die Wirksamkeit einer Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt des angeblich manipulierenden Elternteils (vgl. umfassend Zimmermann/Fichtner/Walper/Lux/Kindler, in: ZKJ 2023, S. 43 ff., und dies. in: ZKJ 2023, S. 83 ff.)
BVerfG
Einseitige Argumentation des BVerfG mit erheblichen Mängeln
Das BVerfG setzt sich dabei nur mit dem Aufsatz „Verdorbener Wein in neuen Schläuchen“ auseinander, nicht aber mit dem Aufsatz, der diesem Aufsatz zugrunde liegt (Baumann, Michel-Biegel, Rücker und Serafin, Zur Notwendigkeit professioneller Intervention bei Eltern-Kind-Entfremdung in ZKJ), was bereits wenig ausgewogen ist. Aber darauf kommt es vorliegend nicht an, weil der Begriff des PAS als überkommen, nicht aber das Konzept der Eltern-Kind-Entfremdung kritisiert wird – ein feiner, wenn auch folgenschwerer Unterschied für jemand, der sich als Faktenchecker bezeichnet. Dass man freilich den Artikel von Zimmermann et all nicht gelesen hat, der zumindest auch Kruk und Adamsons&Johnson zu Entfremdungsfolgen zitiert und zumindest schwache statistische Nachweise anerkennt und darüber hinaus 2 der drei wichtigsten Ursachen für Entfremdungen auf weiblicher Seite verortet („Die drei wichtigsten Einflussfaktoren auf eine Ablehnung des Vaters waren (in der Reihenfolge der Stärke der Einflusse) fehlende Wärme in der Beziehung des Kindes zum Vater, Trennungsängste der Mutter und ein mütterliches Untergraben der Beziehung zum Vater.“, Zimmermann et al aaO) wird dabei ebensowenig erkannt wie die Tatsache, dass die Autoren aus dem Süden den Begriff der Eltern-Kind-Entfremdung durch den Begriff der „Kontaktprobleme“ ersetzen und damit aus Raider einfach Twix wird (Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix, https://www.youtube.com/watch?v=DzlsLrSOuB0)
Dass man sich dann weder mit den Co-Autoren Rückers auseinandersetzt (deren Reputation denen der Südautoren in nichts nachsteht), verdeutlicht, dass man den vermeindlich erkannten Hass von Väterrechtlern mit Hasspropaganda der Gegenseite bekämpft – ein Kunststück, das wirklich erwähnenswert ist.
EGMR Rechtsprechung scheint dem Volksverpetzer bei seiner Recherche unbekannt geblieben
Weiter wird natürlich, aber auch das dürfte an mangelnder Kenntnis der (Rechts-)Materie liegen, verkannt, dass das Bundesverfassungsgericht einen weiteren folgenschweren Fehler in seiner Entscheidung gemacht hat, weil es sich mit der abweichenden Rechtsauffassung des EGMR nicht auseinandersetzt. Denn in Pisica vs. Moldawien Application Nummer 23641/17 wird Schadenskompensation bei mangelnder Zusammenführung durch den Staat bei Parental Alienation (aaO Rn. 34, 41) ausgesprochen und von weiten Teilen der Literatur damit eine Anerkennung des PAS durch den EGMR gesehen, weil dieser von einem „alienated child“ spricht (Sünderhauf und Widrig).
Sind jetzt die EGMR Richter allesamt „Väterrechtler“, insbesondere weil dort der Schadensersatz an die Mutter ging? Wer hat jetzt mehr Recht, die Richter Robert Spano, Marko Bošnjak, Julia Laffranque, Valeriu Griţco, Ivana Jelić, Arnfinn Bårdsen und Saadet Yüksel oder die Richter Ott, Radtke und Wolff?
Keine Seite, würde ich anmerken. Denn m.E. wurde in Deutschland einfach übersehen, die Unterschiede „PAS“ (das zu Recht abgelehnt wird) und „Entfremdung“ herauszuarbeiten, die die vom BVerfG zitierten Autoren ja immerhin unter dem Begriff „Kontaktprobleme“ anerkennen. Damit liegt bereits kein Widerspruch vor, wenn doch wird das Verhältnis der Menschenrechte zu Grundrechten neu zu definieren sein, wobei das BVerfG die Verbindlichkeit von Rechtsprechung des EGMR ja eigentlich anerkennt. Denn die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Urteil und den Vorgaben, die sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben, bleibt jedoch hinter den (deutschen, Anm. von mir) verfassungsrechtlichen Anforderungen zurück (so das BVerfG in 2 BvR 78/22, Rn. 31).
Eltern-Kind-Entfremdung und Bindungsintoleranz
Ein weiteres Beispiel für mangelnde Recherche ist der folgende Satz, den der Volksverpetzer (ohne Quelle 😉 ) zitiert:
Ein Schlüsselbegriff in deren Argumentation ist die „Eltern-Kind-Entfremdung“, zuweilen auch „Bindungsintoleranz“ genannt.
Volksverpetzer
Bindungsintoleranz ist dabei eben etwas anderes und auch ausreichend wissenschaftlich definiert:
„Der Begriff Bindungstoleranz, besser Beziehungstoleranz, umfasst die Frage, ob die Eltern die Einsicht besitzen, dass die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil von emotionaler Bedeutung für das Kind ist und dass es daher für das Kindeswohl wesentlich ist, dem Kind und den Eltern die Zeit zuzugestehen, die benötigt wird, ihren Beziehung entwickeln zu können. Sie betrifft auch die Wertschätzung der Erziehungsleistung des anderen Elternteils.“ (Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 7. Auflage 2020, Rn. 1188, 1189).
Er kann ein Indiz für fehlende Erziehungseignung sein.
Parental Alienation Syndrom nach Gardener ist definiert wie folgt:
„a disturbance in which children are obsessed with deprecation and criticism of a parent — denigration that is unjustified and/or exaggerated” because of one parent’s conscious, subconscious, or unconscious behaviors that affect the child’s perception.“ (Quelle)
Eltern-Kind-Entfremdung wird hingegen definiert wie folgt:
„Kontaktverlust und die emotionale Entfremdung von Kindern und Jugendlichen gegenüber einem ihrer beiden Eltern im Kontext elterlicher Trennungen“ (zitiert nach Rücker et al, ZKJ, aber auch so zitiert in Zimmermann et al)
„Der Begriff Eltern-Kind-Entfremdung (engl. Parental Alienation) beschreibt ein Phänomen, bei dem ein Kind – meistens eines, dessen Eltern sich in einem konfliktbeladenen Trennungs- oder Scheidungsprozess befinden – sich stark mit einem Elternteil verbündet und eine Beziehung zum anderen Elternteil ohne legitime Begründung ablehnt.“ (Lorandos, Bernet und Sauber: Parental Alienation: The Handbook for Mental Health and Legal Professionals, 2013)
Keine Gleichsetzung Eltern-Kind-Entfremdung und Parental Alienation
Dabei stört mich grundsätzlich bereits das gleichsetzen der Begriffe PAS und Eltern-Kind-Entfremdung, weil PAS als psychiatrische Diagnose („Syndrom“) konzipiert war und auch hieran gescheitert ist, vor allem aber auch weil dieser Begriff bewusste oder unbewusste Verhaltensweisen von Elternteilen mit umfasst. Davon ist in den Definitionen von Rücker aber nicht die Rede: Hier geht es um die Entfremdung als Faktum, den fehlenden Kontakt und die körperlich-psychische Auswirkungen auf das Kind. Rücker et al sind in ihrem Aufsatz insoweit nicht konsequent, der Begriff Entfremdung und Eltern-Kind-Entfremdung wird vergleichbar, wenn nicht gar synonym genutzt, was ich anders handhabe, um mich mehr von der Übersetzung des Begriffes „PAS“ zu distanzieren. Und: wie oben dargestellt wird auch von Zimmermann et al das Problem anerkannt, wenn auch anders benannt. Dass dieser Artikel von Zimmermann et al zudem darauf hinweist, dass Rücker et al explicit Gründe für Kontaktabbruch bei Gewalt nicht in Frage stellen, was die Süd-Autoren erneut harsch kritisieren, führt eigentlich die ganze Diskussion ad absurdum.
Der Volksverpetzer recherchiert schlechter als der Stern
Ich bin mir sicher, hätte man den Aufsatz von Rücker und anderen gelesen, der zum Verständnis des „dagegen“ Artikels von Zimmermann et al notwendig ist, hätte man zumindest anders argumentiert. Dass der Volksverpetzer dann letztlich falsch abschreibt und unrichtig zitiert, ist für Faktenchecker dann doch ein eher großes Problem. Sie machen nämlich genau das, was sie dem Stern vorhalten: Nur einseitig Belege gegen Dr. Stefan Rücker zu sammeln, nicht aber Argumente für dessen Thesen, die sich aus dem wissenschaftlichen Diskus von Kindler et al aber ergeben.
In Anlehnung an das AG Schwäbisch-Hall sollte man daher Meinungen von Rücker et al und Zimmermann et al immer unter dem Deckmantel des §26 FamFG lesen: „Dabei verpflichtet der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG die Familiengerichte in Kindschaftsverfahren im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens alle zur Aufklärung des Sachverhalts dienlichen Ermittlungen anzustellen“ (Beschluss vom 25.10.2021 – 2 F 150/20).
Hätten das die Volksverpetzer befolgt, wären ihren freilich die Argumente bzw. Fakten ausgegangen…
Sturm im Wasserglas gegen den Versuch, einseitige Presseöffentlichkeit zu schaffen
Die Kritik des Volksverpetzers ist daher ein Sturm im Wasserglas. Ich halte grundsätzlich nichts von Meinungen, die Kriterien an andere nicht für sich selbst einhalten. Wer Qualität und Fakten fordert, muss liefern. Wenn er vom Thema nichts versteht, muss er die Finger davon lassen.
Man kann den Aufsatz von Rücker und anderen kritisieren. Man kann auch die Medienpräsenz von Rücker kritisieren.
Aber dann muss man das neutral und ausgewogen tun. Kommt Kritik an der Medienpräsenz von Mundlos, deren Selbstbezeichnung als Feministin den Faktencheck nicht überlebt hat, auf? Nein.
Setzt man sich mit Zimmermann, Fichtner, Kindler, Walper, Lux persönlich auseinander? Nein.
Wird Kritik an Mütterrechtlern geäußert? Nein.
Offenbar trifft also Stefan Rücker einen Nerv. Und das ist gut so, wie jede Diskussion gut ist.
Wird vom Volksverpetzer darauf hingewiesen, dass der medial ausgetragene Streit Väterrechtler gegen Mütterrechtler den Kinder schadet? Nein.
Die Dynamiken im Hintergrund treten in Vergessenheit
Das ist Schade. Denn die Dynamiken hinter den Problemen geraten dadurch in den Hintergrund. Gerade das BVerfG versäumt hier die Auseinandersetzung mit Entfremdung unabhängig von PAS, vor allem aber die Auseinandersetzung damit, dass selbst Zimmermann, Fichtner, Kindler, Walper und Lux einen „Literaturstand“ und einen „Diskussionsstand“ zum Thema erwähnen – und damit eben die wissenschaftliche Evidenz der Problematik anerkennen. Zusammengefasst wird dies mit der Kritik von Zimmermann et al wie folgt:
„Der Artikel verlangt aus unserer Sicht Ergänzungen und Korrekturen, um Verkürzungen und Verzerrungen in den Fachdiskursen entgegenzuwirken. Schwierige Phänomene, bei denen die Familiengerichtsbarkeit um bestmögliche Entscheidungen ringt, die wissenschaftliche Bearbeitung aber nur allmählich vorankommt, verführen leicht zu unangemessen vereinfachenden Verständnissen und vorschnellen Handlungsansätzen.“
Genau deshalb wird von den Autoren auch die Diskussion hin zu Begrifflichkeiten wie „Kontaktverweigerung, Kontaktprobleme, Eltern-Kind-Kontaktprobleme, Eltern-Kind-Kontaktabbruch“ geführt, was im wissenschaftlichen Diskus ja Sinn machen mag, die rechtlichen Probleme aber ebensowenig angeht wie weitere Differenzierungen nach Gatekeeping und Gateopening, die bei elterlichen Verhaltensweisen im Vordergrund stehen oder eben wahrgenommene Koalitionsdruck, wenn Kinder das tun, was sie denken dass die Eltern von Ihnen erwarten. All diese Diskussion löst aber – anders als der Ansatz von Rücker – keine Probleme. Damit setzen sich aber weder der Artikel des Volksverpetzers noch das BVerfG auseinander. Letzterem kann man zugute halten, dass dieses den Fall an das OLG zurückgab und damit die streitentscheidenden Fragen also ungeklärt in rechtlicher Hinsicht sind.
Die Sicht der Kinder aus der Sicht der Arbeit von Stefan Rücker
Mein Problem sind die doch sehr deutlich eigentlich immer einseitigen Presseberichte, die eben immer nur eine Seite oder das Schwarz-Weiß betrachten, oftmals eben aus Sicht eines Elternteils, nie aber die Grauzonen und vor allem niemals aus Kindersicht.
Und genau dort, aus Sicht der Wehrlosen, liefert Dr. Stefan Rücker meiner Meinung nach mehr Erkenntnisse für den rechtlichen Alltag als ein Heinz Kindler im Gros seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen.
Die Sicht der Kinder wird nämlich oftmals nicht nur durch Verfahrensbeistände nicht ausreichend berücksichtigt, sondern eben auch nicht immer durch Gutachter.
Hier brauchen wir engagierte Stimmen, die dann sicher mit der Kritik derjenigen, die den Fokus nur auf ihre eigenen Interess:Innen legen, umgehen können. Stefan Rücker liefert hier einen wichtigen Beitrag, was die Kritik der weiblichen Seiten nur bestätigt. Überhaupt klingt die ganze Kritik nach „getroffene Hunde bellen“; denn die Arbeit von Rücker et al beschäftigt sich ja weniger mit der Motivlage hinter einer Entfremdung sondern mit der Lösung letzterer.
Im rechtlichen Endergebnis, und das können viele Väter und Mütter leidvoll bestätigen, leiden alle Parteien unter der unklaren Faktenlage bei gleichem Faktum, dass es Entfremdungen/Kontaktprobleme gibt. Nur: Darüber will keiner schreiben.
Update zum 05.06.2024: Report Mainz
Auch Report Mainz scheint jetzt auf den Entfremdungs-Propaganda-Zug aufgesprungen zu sein und macht die selben begrifflichen Ungenauigkeiten zum Gegenstand gebührenfinanzierter (Nicht)Recherche.
Bereits der Anfang offenbart einen erstaunlichen Gleichklang zum Artikel des Volksverpetzers: „Was ist mit Bindungsintoleranz oder mit Entfremdung gemeint? Das Konzept hat er geprägt: Der US Psychiater Richard A. Gardener.“ (Minute 1:50 f.)
Wie bereits oben dargelegt sind die Begrifflichkeiten zu Unrecht ident gesetzt. Bindungsintoleranz hat mit PAS genauso wenig zu tun wie PAS mit Entfremdung zwingend ident ist. Die Ausführungen von Dr. Rücker im Videobeitrag unterstütze ich hier, wobei ich wenig davon halte nachzugeben und neue Begriffe zu prägen. Dazu hatte ich oben ja schon Stellung genommen, und genau hier macht der Fernsehbeitrag den größten Fehler: Man fragt Frau Walper gar nicht zu den Begriffsunterschieden bzw. warum sie trotzdem einen (oder im Aufsatz viele) ähnliche, gleiche, andere Begriffe verwendet.
Kampagnenjournalismus?
Für die beiden Artikel passt doch wunderbar ein Konzept: Kampagnenjournalismus (alleine der Begriff soll ja ein schlimmer Vorwurf sein, wie die Welt hier meint). Zu Recht weisen die Rechtsanwälte Geßner Legal darauf hin, dass solcher Kampagnenjournalismus Existenzen auslöschen kann – und ARD und Volksverpetzer zielen ja auch deutlich auf Dr. Rücker als Zielrichtung ihres Feldzuges ab. Warum eigentlich? Er schreibt und sagt nur, was viele andere sagen und schreiben, auch wenn er sicherlich medialer präsent ist als andere (und, wie der Fernsehbeitrag auch beweist, besser mit falscher Kritik umgehen kann als die ihn interviewende Journalistin, die ihren Fehler einfach abstreitet: Sie hat eben nach wissenschaftlichem Titel gefragt…, Minute 6:40).
Dabei habe ich eine Überraschung für all die Männer- und Frauenrechtler-Kreuzzügler da draussen: Entfremdung oder wie auch immer es heißen mag, wenn ein Kind plötzlich äußert, dass es keinen Kontakt zum Elternteil möchte, obwohl die tatsächlichen Begegnungen, Bindungen, gemeinsamen Momente beweisbar (!) das Gegenteil belegen, auch durch Fachleute beobachtet, dass sie Kontakt nur zu Bedingungen zulassen wollen, ohne dass es hierfür Erklärungen gibt, dass insbesondere Kinder in einem gewissen Alter nicht äußern wollen, warum sie keinen Kontakt mehr wollen, all das ist ein Phänomen, das Väter, Mütter, Großeltern und Geschwister betrifft, tagtäglich in Deutschland. Walper und andere haben dafür sogar die Hauptursachen benannt:
„Die drei wichtigsten Einflussfaktoren auf eine Ablehnung des Vaters waren (in der Reihenfolge der Stärke der Einflusse) fehlende Wärme in der Beziehung des Kindes zum Vater, Trennungsängste der Mutter und ein mütterliches Untergraben der Beziehung zum Vater.“
Johnston 2003 in Zimmermann, Fichtner, Walper, Lux und Kindler, Verdorbener Wein in neuen Schläuchen, ZKJ 2/2023
Warum wird das in den Kampagnenbeiträgen nicht benannt? Warum wird erneut nicht richtig zitiert? Fragen über Fragen.
Auch Frauen sind von Kontaktproblemen betroffen
Andrea und Deborah, zwei Freundinnen von mir, können am eigenen Leib, vor allem aber am Leib ihrer Kinder erzählen, dass Entfremdungen/ Kontaktprobleme/ Kontaktverlust und die emotionale Entfremdung von Kindern und Jugendlichen gegenüber einem ihrer beiden Eltern im Kontext elterlicher Trennungen/ Kontaktverweigerung/ Kontaktprobleme/ Eltern-Kind-Kontaktprobleme/ Eltern-Kind-Kontaktabbruch/ Gatekeeping usw. stattfinden, bis hin zur Umgangsverweigerung. Das zu hinterfragen wäre Aufgabe eines nicht kampagnenorientierten Journalismus, der sich nicht von vorausgewählten Informationen („gibt es noch mehr Mütter, denen Entfremdung und Bindungsintoleranz in Umgangsrechtsverfahren unterstellt wird“, Min. 3:08) leiten lässt, die bereits das statistische Dilemma in sich tragen. Erstens sind Aufenthaltsfragen Sorgerechtsfragen und könnten daher gar nicht zu einem „Sorgerechtsentzug“ (vgl. 1:32 Min) führen, zweitens kann man nicht einfach so 11% der Daten bzw. Verfahren ausklammern (89% der Trennungskinder leben bei der Mutter, sagt die Statistik). Ob man eine aussagekräftige Stichprobe an Verfahren hinterfragt hat, bleibt offen, halte ich aber für unwahrscheinlich, wenn man nur Mütter als Opfer insziniert. Dafür spricht auch, dass man wirklich genau hinlesen muss: „Das belegen Gerichtsunterlagen, die uns vorliegen“ ist eben nicht dasselbe wie „ich habe die gesamte Gerichtsakte geprüft“. Ich unterstelle mal eine „Vorauswahl“ der „relevanten“ Unterlagen durch die Betroffenen – was nicht gerade für eine Objektivität spricht.
Alle „Mütterrechtler“ und „Väterrechtler“, die solchen Kampagnenjournalismus unterstützen, gleich zu welchem Thema, schaden damit nicht nur ihren (auch betroffenen) Geschlechtsgenossinnen, vorallem aber ihren Kindern. Und daher brauchen sie sich nicht wundern, wenn sie sorgerechtliche Einschränkungen auf sich nehmen müssen (selbst wenn diese ungerechtfertigt sein sollten).
Missstände im Sorge- und Kindschaftsrecht kann und muss man anprangern. Dies kann aber niemals mit illegitimen Mitteln wie Kampagnenjournalismus, Geschlechterdiskriminierung und statistisch unzureichenden Mitteln erfolgen.
Update 08.06.2024: Auch Tagesspiegel und Salgo reihen sich in die Kampagne ein
Jetzt hat es also auch den Tagesspiegel erwischt und Salgo, wenn auch „nur“ in Interviewform. Das hat den Vorteil, dass man sich mit lästigen anderen Ansichten gar nicht erst auseinandersetzen muss. Daher darf Salgo dann auch sagen, was er denkt. Und das ist recht aufschlussreich:
„Das Bundesverfassungsgericht hat aktuell beschlossen, dass „Eltern-Kind-Entfremdung“ und „PAS“ als Begründung nicht ausreichen, um ein Kind aus seinem gewohnten Umfeld herauszureißen. „
Tagesspiegel, Familiengerichte in der Krise
Die Aussage verkürzt fahrlässig falsch das Bundesverfassungsgericht, das zu Recht darauf hinwies, dass vorallem die Frage des Kindeswohles in der Entscheidung des OLG Köln nicht ausreichend geprüft und berücksichtigt worden war. Ausdrücklich weist aber das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass ein Fehlverhalten eines Elternteils zu berücksichtigen wäre (BVerfG 1 BvR 1076/23 Rn. 33).
Tatsächlich führt das BVerfG folgendes aus:
„Mit der vom Oberlandesgericht herangezogenen Eltern-Kind-Entfremdung wird auf das überkommene und fachwissenschaftlich als widerlegt geltende Konzept des sogenannten Parental Alienation Syndrom (kurz PAS) zurückgegriffen. Das genügt als hinreichend tragfähige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung nicht. Soweit ersichtlich besteht nach derzeitigem Stand der Fachwissenschaft kein empirischer Beleg für eine elterliche Manipulation bei kindlicher Ablehnung des anderen Elternteils oder für die Wirksamkeit einer Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt des angeblich manipulierenden Elternteils (vgl. umfassend Zimmermann/Fichtner/Walper/Lux/Kindler, in: ZKJ 2023, S. 43 ff., und dies. in: ZKJ 2023, S. 83 ff.).“
BVerfG 1 BvR 1076/23 Rn. 34
Es mag ein kleiner Unterschied sein, aber meines Erachtens ist vorallem der Rückgriff auf PAS (zu Recht) abschlägig beschieden, nicht aber zwingend jede Entfremdung – weshalb dann auch das Verfahren an das OLG zurückgegeben wurde. Wie bereits oben dargelegt hat sich dem Aufsatz von Rücker et al weder das BVerfG auseinandergesetzt noch nunmehr also Salgo, was für einen Diskurs eben nicht ausreicht.
Streit über Begriffe statt über die Frage, was Kinder brauchen?
Aber genau das ist Salgos Problem: Aussagen, Begriffe, nicht Probleme stehen im Focus seiner (politischen?) Agenda:
„Nochmals: Es muss hier im Interesse von Familien und Kindern vor Verwendung dieser Begriffe in der behördlichen wie in der familiengerichtlichen Praxis, vor deren Deutungs- und Handlungsempfehlungen deutlich gewarnt.“
Tagesspiegel, Familiengerichte in der Krise
Meiner Auffassung nach – und das ist eben auch die Aussage von Zimmermann et al aaO – muss eben geklärt werden, woher eine Kontaktverweigerung kommt, was die Ursachen sind, wie diese Aufzulösen sind. Nichts anderes sagen freilich auch Rücker et al aaO. Letztere präferieren nur eben einen Ansatz der Umgangsdurchsetzung vor einer ewigen Diskussion um wissenschaftliche Begriffe und präferieren damit das Wohl des Kindes über die Kritik an Worten. Ich kann Juristen nicht leiden, die nur Begrifflichkeiten nutzen, aber nicht in der Lage sind die dahinter liegenden Probleme zu erkennen oder zu bearbeiten. Freilich ist es leichter, in Phrasen als in Problemlösungen zu sprechen. Letztere wird eben unzureichend von Zimmermann et al angeboten und ist damit nicht wirklich hilfreich im Alltag. Denn: Wir brauchen nicht mehr Gutachten, wir brauchen Problemlösungen.
Dass es für ein Kind egal ist, was seine Selbstwirksamkeit angeht, was seine Entwicklung angeht, was seine Zugehörigkeit zu Familienstämmen angeht, ob es unter „Entfremdung“, „Kontaktproblemen“, „Kontaktverweigerung“ usw. leidet, sollte offenkundig sein. Wie oben dargelegt: Raider heißt jetzt Twix, auch im Tagesspiegel.
Wechselmodell verhindern über Kritik an der Entfremdung
Immerhin ist Salgo ehrlich, wenn er deutlich macht, dass es ihm eigentlich nicht um „Kontaktprobleme“ oder „Kindeswohl“ geht. Ihm geht es vorallem darum, ein Wechselmodell als Leitmodell zu verhindern:
„Der Minister hatte zunächst angekündigt, hier das Wechselmodell, also die hälftige Aufteilung der Kinder zwischen Eltern, als gesetzliches Leitbild einführen zu wollen. Das halte ich im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion für absolut abwegig. Das Wechselmodell kann kein Leitmodell im deutschen Kindschaftsrecht werden, das flächendeckend gegen den Willen von Betroffenen angeordnet wird.“
Tagesspiegel, Familiengerichte in der Krise
Die Meinung kann man vertreten; ich selbst bin politisch auch gegen ein Leitmodell, das nicht die beiden Eltern (!) bestimmt haben. Weniger Staat wäre immer besser. Aber dass das nichts mit dem Entfremdungsproblem zu tun hat, sollte offenkundig sein. Und damit schließt sich der Kreis um den Sturm im Wasserglas: Es geht nur um Politik, nicht um Kinder – also alles wie bisher.
Pressemitteilung des Vereins Erzengel
Die Pressemitteilung unseres Vereins Erzengel finden Sie hier.
8 Antworten auf „Wie der Volksverpetzer auf „Mütterrechtlerpropaganda“ hereinfiel (und seinen Status als Faktenchecker aufgab) und Report Mainz und Tagesspiegel Teil der Kampagne wurden“
To the point! Vielen Dank für Ihre Einordnung.
Das ist eben das, was passiert in diesem Land, wenn man sich für das Grundrecht jedes Kindes auf Kontakt zu seinen beiden Eltern einsetzt und sich so wie Dr. Stefan Rücker äußert. Absurd! Alle, die sich dieser Problematik beschäftigen kennen X Fälle, wo Mütter (ebenso wie Väter) ausgegrenzt werden und jahrelang keinen Kontakt zu ihren Kindern mehr haben. Es ist einfach ideologischer Blödsinn von Väterrechtlern zu sprechen.
Tatsächlich leiden die von Gewalt betroffenen Frauen (und Männer) ja auch darunter, das nicht richtig ermittelt wird bei Gericht und und irgendeinem ideologischen Schema gefolgt wird, genau wie Eltern, die vor Gericht keinen Kontakt zu ihren Kindern bekommen Beide „Lager“ sitzen tatsächlich in einem Boot und müssten zusammen arbeiten, statt einander zu bekämpfen. Denn beide „Lager“ leiden unter dem selben Problem: Dem nicht richtig hingucken, dem nicht ermitteln, dem schematischen Vorgehen, dem Kindeswohl missachten Vorgehen, der Missachtung von Grundrechten der Eltern und Kinder und diesem ganzen System aus vermeintlichen „Fachkräften“, die alles nur viel schlimmer machen. Tatsächlich sitzen alle in dem selben Boot.
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[…] Entfremdung oder „Kontaktprobleme“ ist Körperverletzung und betrifft beider maßen Väter und Mütter – egal, wer welche Kampagne gegen wen fährt (vgl. mein Artikel hier). […]