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Borderline und Sorgerecht

Heute wollen wir uns mit einem weiteren Modebegriff der Kindswohlgefährdung auseinandersetzen: Borderline. Borderline (oder auch die emotional instabile Persönlichkeitsstörung) wird oft verwandt, um gegen (vorallem Frauen sind zu 70% von dieser Störung betroffen) zu schießen. Salzgeber meint zum Beispiel, dass davon auszugehen sei, dass 3% aller Frauen die Kriterien dieser emotional instabilen Persönlichkeitsstörung erfüllen. Diese Persönlichkeitsstörung wird meiner Meinung nach oft als Argument dann verwendet, wenn man eigentlich nichts belegen kann. Dabei ist eines wissenschaftlich klar: Die Diagnose des Typus nach ICD F60.31 ist eine Unterform der Emotional instabile Persönlichkeitsstörung.

Verkannt wird, dass Borderline alleine gerade keinen Rückschluss auf eine Kindeswohlgefährdung oder eine Erziehungsunfähigkeit zulässt.

Trotzdem oder gerade deswegen werden Müttern mit dieser falschen Begründung Sorgerecht oder Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen. Ich versuche hier einige der gängigen Mythen aufzuräumen.

Fragen zu Borderline und Sorgerecht

Hier beantworte ich vorab wesentliche Fragen:

Was ist Borderline?

Borderline ist eine Unterform der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung.

Was kennzeichnet eine emotionale instabile Persönlichkeitsstörung?

Menschen mit dieser Störung lassen Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen zu und sind mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung, emotionalen Ausbrüchen und unkontrollierten Impulsen gesegnet sowie streitsüchtig.

Wie definiert sich Borderline?

Borderline ist im ICD10 geregelt als F60.31. Nach DSMIV müssen 5 von 9 Kriterien erfüllt sein: Bemühen, Alleinsein zu verhindern, ein Muster von instabilen zwischenmenschlichen Beziehungen, Identitätsstörungen, Impulsivität, wiederkehrende Suiziddrohungen, affektive Instabilität, chronisches Gefühl der Leere, unangemessen starke Wut und vorübergehende paranoide Vorstellungen

Ist ein Borderliner Erziehungsunfähig?

Nein, es gibt keine Studie, nach der ein Borderliner immer erziehungsunfähig wäre. Borderline ist ein komplexes Krankheitsbild, pauschale Aussagen kann man nicht tätigen

Kann ein Gutachter im familienpsychologischen Gutachten Borderline diagnostizieren?

Nur approbierte Psychiater oder psychologische Psychotherapeuten dürfen Borderline feststellen.

Kann man Borderline in einem Gutachten diagnostizieren?

Nur wenn das Alltagsverhalten mit beachtet wird. Grundsätzlich ist Borderline eine schwierige Diagnose, die nicht so eben in einem mehrstündigen Gutachten diagnostiziert werden kann, zumal Borderliner sehr manipulativ sein können. Es bedarf dann erfahrenen Borderline-Fachleuten.

Ist Borderline therapierbar?

Es gibt Therapiemöglichkeiten, oft wird eine Mischung aus medikamentöser Behandlung und Verhaltenstherapie gewählt.

Welche Auswirkungen der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung wirken sich auf Erziehungsfähigkeit aus?

Es ist vorallem die mangelnde Impulskontrolle, die affektive Instabilität und die Spaltung der Persönlichkeitszüge, welche sich auf die Kommunikation mit anderen Menschen auswirken (vgl. Salzgeber, Rn. 1054). Laut Salzgeber sollen Borderline Persönlichkeiten „im Kern bindungsunfähig“ sein. Das lehne ich ab. Richtigerweise sind die Bindungen da, werden dann aber miss- und fehlgebraucht. Da sich Kinder an den Eltern orientieren, kann dies freilich jederzeit zu einer Entwicklungsstörung führen. Aber da das Borderlinesyndrom weitschichtig ist, kann man es eben nicht so verallgemeinern.

Im Verfahren müssen hierzu daher auch konkrete Fakten vorliegen, nicht nur Behauptungen.

Oftmals geht eine Borderline-Persönlichkeitsstörung auch einher mit Substanzmittelmissbrauch (Alkohol und Drogen), posttraumatischem Belastungssyndrom und belastungsabhängigen paranoiden Symptomen einher (Salzgeber aaO). Gerade in der Abgrenzung kann es aber zu Fehlern und Missinterpretationen kommen

Warum ist Borderline im Familienrecht eine beliebte Diagnose?

Borderline wird trotzdem gern genommen als Argument gegen eine Erziehungsfähigkeit von einer Mutter. Pädagogen behaupten das einfach, und Gerichte folgen dem. Oft wird auch nur die Vermutung geäußert oder statt einer Diagnose die Persönlichkeitsakzentuierung genutzt, um Mütter zu diskreditieren.

Borderline klingt für den Laien immer sehr blutig: Ritzen, Schneiden, Verletzen, Suizid, da ist doch jedem die Kindswohlgefahr offenkundig.

Wie wehre ich mich bei der Borderline Behauptung?

Eigentlich wie immer: Erst einmal den Sachverhalt klären. Wenn nicht die 5 von 9 Merkmalen behauptet werden, liegt schon kein Grund für nähere Abklärung vor.

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5 von 9 Merkmalen müssen erfüllt sein!

Beispiele und die 9 Merkmale findet Ihr im unten Verlinkten Paper des ZI Mannheim.


Zudem kann man natürlich ein psychiatrisches Attest von einem Vertrauensarzt vorlegen und Bestätigungen von Nahestehenden, wenn und ob Kriterien für diesen Typus Persönlichkeitsstörung vorliegen.

Was ist erweiterter Suizid?

Dabei wird von Seiten des Jugendamtes, weil man weiß dass die Krankheit nicht einfach zu diagnostizieren ist, einfach der erweiterte Suizid behauptet: Dass man neben sich selbst auch die Kinder ermorden möchte. Diese Behauptungen sind meiner Erfahrung nach meist absolut ohne eine Substanz und ohne Anknüpfungstatsachen geschildert. Man möchte damit Eindruck beim Richter schaffen. Vergessen wird, dass die Suiziddrohung alleine nur ein Hilfeschrei ist und selbst als Kriterium ohne die wiederholte Drohung nicht ausreicht.

Widersprechen und Gegenbeweis anbieten. Gern auch Strafanzeige wegen Beleidigung stellen.

Ist ein Borderliner immer erziehungsunfähig?

Nein. Borderline ist eine sehr komplexe Krankheit mit vielen Erscheinungsbildern. Nur die ausführliche Auseinandersetzung mit den Erscheinungsbildern kann hier eine Prognose auf die Erziehungsfähigkeit zulassen. Laut Prof. Dr. Martin Bohus vom ZI Mannheim, einem der führenden Experten zu diesem Thema, gibt es keine einzige Studie, die dies behauptet. Auch andere Experten wie Dr. Wolfgang Droll wissen, dass Borderliner nicht erziehungsunfähig sind. Jeder Psychiater muss das bestätigen können, dass eine Borderlinerin nicht per se erziehungsunfähig ist. Damit kann also auch niemand einfach so die Erziehungsfähigkeit in Abrede stellen. Noch kann damit ein Psychologe die Erziehungsfähigkeit hinterfragen, schon gar nicht mit den eingeschränkten Mitteln einer psychologischen Begutachtung.

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Borderline != Erziehungsunfähig

Borderline zu haben heißt nicht automatisch erziehungsunfähig zu sein. Psychologen können dies auch nicht differenzieren oder behaupten.

Wenn das Gericht hier ein Erziehungsfähigkeitsgutachten anwendet, solltet ihr eine Gegenvorstellung abgeben und auf ein Fachpsychiatrisches Gutachten bestehen und bei einem Psychologen nicht teilnehmen. Dieser ist ohne Appropation gehindert, Borderline und hierauf fussend eine Erziehungsunfähigkeit zu behaupten, §1 PsychThG.

Kann man mir wegen Borderline die Kinder wegnehmen?

Diese Frage ist schwerer zu beantworten. Denn grundsätzlich enthalten die Kriterien durchaus kindswohlgefährdende Aspekte. Gerade weil die Ursachen von Borderline oft in der Vergangenheit liegen und vererbbar sind (sexueller Missbrauch, Alkoholkonsum, genetische Komponente, siehe hier ab S. 17), liegen Auswirkungen auf der Hand: Das eigene Verhalten wird anerzogen. Kinder, die Selbstverletzung miterleben oder Alkohol- und Sexezesse sowie wechselnde Beziehungen sidn dem Risiko einer Beeinträchtigung ausgesetzt.

Wichtig: In einem Sorgerechtsbeschluss nach §1666 BGB muss sich das Gericht konkret mit den Fragen auseinandersetzen, wobei Vermutungen i.d.R. nicht ausreichen. Es müssen daher mindestens 5 der Merkmale genannt sein und die Auswirkungen auf das Kind. Denn: es ist eine konkrete Nennung der Kindswohlgefahr nötig.

Wenn die Kinder wegen Borderline weg sind: Was tun?

Was kann ich tun, wenn die Kinder wegen dieser Diagnose in Obhut genommen sind durch das Jugendamt oder das Familiengericht die elterliche Sorge entzogen hat?

  • Therapievereinbarung schließen und nachweislich einhalten. Wichtig: Lasst Euch dies regelmäßig bestätigen
  • Wenn Medikamentation notwendig ist: Regelmäßig einnehmen und dies belegen!
  • Umfeld mit einbeziehen
  • Notwendige (selbstdruck) Selbstverletzungen immer so durchführen, dass die Kinder nichts mitbekommen können UND sich danach dem Therapeuten offenbaren
  • Überhaupt Verschlechterungen selbst erkennen und mit dem Behandler oder Therapeuten ansprechen.
  • Ein Netzwerk aufbauen, das zur Stelle ist wenn Probleme überhand nehmen.

Natürlich sind das nur Beispiele, eine genaue Besprechung müsst ihr mit eurer Diagnose mit eurem Behandler und Arzt ansprechen und abstimmen. Wichtig dabei immer, dass alles auf Papier dokumentiert ist um es beim Gericht vorlegen zu können.

Ist Borderline heilbar?

50% erfüllen nach einer Behandlung nicht mehr die Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (hier, S.9).

Quellen

Umfangreiches Paper des ZI Mannheim

ICD 10 – Achtung, ab 2011 gilt der ICD-11

Die Merkmale der Persönlichkeitsstörung

beenhere

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Dieser Artikel ist ein rechtlicher, kein medizinischer. Hilfe findest Du bei spezialisierten Psychiatern oder im Internet in Selbsthilfeforen

z.B. Info Seite

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