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Recht allgemein

Anhörungsrüge in Familiensachen

Die Anhörungsrüge in Familiensachen ist ein wichtiges Instrument. Sie ist in §44 FamFG geregelt. Die Anhörungsrüge ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Wir erklären alles wesentliche.

Voraussetzungen Anhörungsrüge

Die Voraussetzungen für eine Anhörungsrüge ist

  • es darf kein Rechtsmittel mehr zulässig sein (Verfassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel!)
  • es muss eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör i.S. Art. 103 GG vorliegen
  • darauf muss die Entscheidung basieren („entscheidungserheblich“)

Diskutiert wird ob normale Rechtsfehler auch mit der Anhörungsrüge angegriffen werden dürfen. Die Rechtsprechung möchte die Anhörungsrüge nur auf Gehörsverletzungen beschränken, ich denke aber dass aus verfassungsrechtlicher Sicht jeder grobe Fehler auch mitgerügt werden kann.

Kein zulässiges Rechtsmittel

Solange ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Anhörung möglich ist, eine Beschwerde oder eine zugelassene Rechtsbeschwerde, solange ist die Anhörungsrüge unzulässig. Normale Rechtsbehelfe gehen der Anhörungsrüge vor, der Rechtsweg muss quasi ausgeschöpft sein.

Verletzung Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. Art. 103 GG verletzt

Zudem muss der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sein. Art. 103 GG lautet:

„Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.“

Rechtliches Gehör meint insoweit nicht nur, dass man die Möglichkeit hat, zu sprechen. Es meint auch, dass grundsätzlich Ausführungen der Parteien zur Kenntnis genommen werden. Allerdings schränkt das die Rechtsprechung wieder ein, weil grundsätzlich davon auszugehen sein soll, dass sich Gerichte immer mit allem auseinandersetzen, selbst wenn es nicht ausdrücklich im Beschluss/Urteil stehen soll. Denn eine solche Pflicht, meint das BVerfG, ergebe sich nicht aus Art. 103 GG, vgl. BVerfG 1 BvR 117/16, BVerfGE 86, 133, BVerfGE 65, 293, BVerfGE 50, 32 und weitere:

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren die Gelegenheit, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfGE 1, 418 <429>; 84, 188 <190>; stRspr) und schützt, dass die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden (vgl. exemplarisch BVerfGE 86, 133 <145>). Art. 103 Abs. 1 GG schützt allerdings nicht vor falschen Entscheidungen (vgl. BVerfGE 22, 267 <273>) und legt den Gerichten nicht die Pflicht auf, sich mit jedem Vorbringen in der Entscheidungsbegründung ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfGE 86, 133 <146>). Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Lediglich wenn im Einzelfall aus besonderen Umständen heraus das Gegenteil deutlich wird, kann eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör festgestellt werden (vgl. BVerfGE 65, 293 <295 f.>; 70, 288 <293>; 86, 133 <146>). Es ist ebenso wenig Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, Entscheidungen der Gerichte in jeder Hinsicht auf die Richtigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu kontrollieren (vgl. BVerfGE 11, 343 <349>). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist ebenso nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist (vgl. BVerfGE 22, 267 <273 f.>), einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen (vgl. BVerfGE 28, 378 <384>) oder nicht Beweis erhoben hat (vgl. BVerfGE 27, 248 <251>). Das Übergehen eines erheblichen Beweisangebots oder Beweisantrags verletzt Art. 103 Abs. 1 GG, wenn dies aus Gründen erfolgt, die im einschlägigen Verfahrensrecht keine Stütze finden (vgl. BVerfGE 50, 32 <35 f.>; 69, 141 <143 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Dezember 2018 -1 BvR 1155/18 -, Rn. 11). Auch müssen die wesentlichen der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. BVerfGE 47, 182 <189>).13b) Im Hinblick auf die Rüge der Verletzung des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG ist zu beachten, dass ein verfassungsgerichtliches Eingreifen nicht schon bei jeder fehlerhaften Anwendung des einfachen Rechts, sondern nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Gesetzesanwendung begründet noch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Für die Annahme eines Verstoßes gegen das Willkürverbot ist vielmehr erforderlich, dass die Rechtsanwendung krass fehlerhaft und unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 4, 1 <7>; 62, 189 <192>; 67, 90 <94>; 74, 102<127>; stRspr).”“Entgegen der üblichen Vermutung, dass derartiges Vorbringen in der Regel vom Gericht zur Kenntnis genommen und erwogen wird, treten hier jedoch besondere Anhaltspunkte für das Gegenteil zutage: Das klageabweisende Endurteil ist bis auf wenige Abweichungen größtenteils formaler Natur wortlautidentisch mit dem zuvor von einem anderen Richter abgefassten und später vom Oberlandesgericht mit ausführlicher Begründung aufgehobenen Beschluss im Prozesskostenhilfeverfahren. Damit wird aus der Entscheidung selbst und ihren Begleitumständen nicht deutlich, ob sich der im Hauptsacheverfahren entscheidende Richter selbst mit dem Vorbringen und den aufgeworfenen Rechtsfragen, die sich auch im Beschluss des Oberlandesgerichts finden, befasst hat.”“

In rechtlicher Hinsicht ist nicht ersichtlich, dass das Gericht das Vorbringen des Beschwerdeführers, sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und diverser Obergerichte (vgl. neben den bereits genannten nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. November 2012 -2 BvR 1567/11 -, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Oktober 1993 -2 BvR 1778/93 -, juris, Rn. 9; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 -1 BvR 409/09 -, Rn. 31; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. November 2011 -1 BvR 1403/09 -, Rn. 39; vgl. ferner [für eine Einzelunterbringung auf 4,5 m2 ] BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2016 -2 BvR 566/15 -, Rn. 28; weiterhin OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2008 -11 W 78/07 -, juris, Rn. 30; OLG Hamm, Urteil vom 18. März 2009 -11 U 88/08 -, juris, Rn. 48; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 -11 U 88/08 -, juris, Rn. 23) sei seine Haftunterbringung menschenunwürdig gewesen, in dem gebotenen Maße zur Kenntnis genommen und ernsthaft erwogen hat. Das Endurteil greift –wie der fast identische vorgelagerte Beschluss im Prozesskostenhilfeverfahren –diese Frage nicht auf. Zusätzlich hat das Gericht in der Hinweisverfügung zur Anhörungsrüge erkennen lassen, dass es sich nicht an die diesbezügliche Rechtsprechung anderer Gerichte gebunden sehe und die Haftunterbringung auch unter Zugrundelegung des Tatsachenvortrags des Beschwerdeführers nicht als menschenunwürdig ansehe. Dieser pauschale Hinweis auf eine fehlende formelle Präjudizienbindung ist nicht geeignet, zu erkennen zu geben, dass das Landgericht sich in der Sache mit den angeführten Entscheidungen befasst hat. Durch die lapidar gehaltene Zurückweisung der Anhörungsrüge, die keinerlei konkret auf die Sache bezogenen Begründungen enthält, wird dieser Eindruck verfestigt.

19bb) Durch diese Sachverhaltsbehandlung ist zugleich ein Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG gegeben. Es ist kein sachlicher Gesichtspunkt ersichtlich, warum sich das Landgericht selbst im Verfahren zur Anhörungsrüge der zahlreichen zu ähnlichen Haftbedingungen existierenden Rechtsprechung, die der Beschwerdeführer vorgetragen hatte, offenbar verschlossen hat. Ein solches Vorgehen ist unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und rechtfertigt den Schluss auf eine krass fehlerhafte Rechtsanwendung.“

Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes sind sehr sorgfältig, weshalb ich diese Worte so stehen lasse. Allerdings wird verkannt, dass man im Referendariat lernt, ein Urteil so zu begründen, dass der, der verliert, weiss warum er verloren hat und damit eigentlich lege artis eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen wesentlichen Aspekten gefordert wird.

Kern der Rechtsprechung des BVerfG ist es, und darauf müsst Ihr beharren, darzutun, warum in Eurem Fall das Gericht ersichtlich Aspekte nicht zur Kenntnis genommen hat, die aber relevant sind. Das ist dann der Fall, wenn Beweisangebote abgelehnt sind, was aber so verfahrensrechtlich nicht nachvollziehbar ist.

Entscheidungserheblich

Die Rechtsverletzung muss aber auch entscheidungserheblich sein. Ihr solltet also vortragen, wie sich der Fehler auf den Beschluss auswirkt.

Frist

Die Anhörungsrüge muss innerhalb von 2 Wochen erhoben werden nach Zustellung der Entscheidung.

Entscheidung durch dasselbe Gericht/Richter

Über die Anhörungsrüge entscheidet dasselbe Gericht wie im Beschluss/Urteil. Es findet also keine Prüfung durch neutrale andere Richter statt. Entsprechend gering sind die Chancen, weil ein Richter seinen eigenen Fehler einsehen muss und abstellen sollte.

Voraussetzung für Verfassungsbeschwerde

Die Einlegung einer Anhörungsrüge ist Voraussetzung für eine Verfassungsbeschwerde. Ohne eine Anhörungsrüge ist der Rechtsweg nicht ausgeschöpft und die Verfassungsbeschwerde daher unzulässig. Nur unzulässige Anhörungsrügen verlängern nicht die Monatsfrist. In der Regel läuft die Frist für eine Verfassungsbeschwerde erst, wenn über die Anhörungsrüge entschieden ist.

Formular

Ein Formular für eine Anhörungsrüge gibt es für Mitglieder des Vereins Erzengel.

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