Manipulation und induzierter Wille eines Kindes (also von einem anderen in das Kind gelegte Wille) sind Aspekte, mit denen die Gerichte und Juristen so ihre liebe Not haben. Ähnlich wie bei familienpsychologischen Fragen wird dann lieber alles in die Hände eines Fachpsychologen für Rechtspsychologie gelegt. Das ist im Ergebnis zwar richtig, verkennt aber, dass die Grundlagen der psychologischen Ergebnisse belegbare Fakten sein müssen, die zu beschaffen gerichtliche Aufgabe ist. Dazu gehört aber auch, dass man ein wenig Theorie dahinter kennt. Diese möchte ich Euch hier vorstellen. Doch Achtun: Damit ist keine fachpsychologische Bewertung verbunden, ich bin nur Jurist. Im konkreten Fall mag es also Sinn machen, einen Psychologen hinzuzuziehen.
Wann spricht man von einem manipulierten Willen?
Ein manipulierter Wille (induzierter Wille) liegt dann vor, wenn das Kind eine Meinung äußert, welche einer der Konfliktpartei nicht genehm ist (vgl. insoweit Dettenborn, Kindeswohl und Kindeswille, 6. Auflage 2021, Kapitel 4.5).
Danach soll der durch Beeinflussung entstandene Kindeswille eine Induktion fremden Willens sein und damit nicht zu berücksichtigen. Insoweit ist die Bezugsperson mit mehr Kontakt und Macht im Vorteil, da diese auch mehr manipulieren könne (also die sogenannte umgangsgewährende Person.
Das ist zum Beispiel so eine Tatsache, die man vortragen oder ermitteln kann und muss.
Was alles ist beeinflusster Wille?
Die gegenseitige Auffassung spricht davon, dass jeder menschliche Wille beeinflussbar ist, auch der Wille Erwachsener (Lempp 1983).
Erziehung insbesondere ist Beeinflussung, sodass Kinder einen Anspruch auf Beeinflussung und Erziehung haben (Lempp 1983).
Jede liebevolle Zuwendung ist Beeinflussung (Köster 1997), so dass sich die Frage stelle, dass bei Beeinflussungen mehrerer Personen sich das Kind für und gegen eine andere Beeinflussung entscheidet und diese Grundlagen zu klären sind und insbesondere jede Art von Beeinflussung seiner psychischen Prägung führt (alles zitiert nach Dettenborn).
Natürlich machen sich daher alle Eltern der Beeinflussung durch Erziehung des Kindes und Zuwendung von Liebe und Aufmerksamkeit „schuldig“. Das kann man auch vortragen und unter Beweis stellen.
Das heißt also, dass man hierzu sehr viel vor Einholung eines Gutachtens vortragen sollte – und danach auch das Gutachten auf Vollständigkeit prüft.
Verschiedene Arten der Induzierung
Komplizierter wird die Situation weiterhin, als das verschiedene Arten der Indizierung unterschieden werden müssen (vgl. Dettenborn aaO S. 94).
Wenn in einem Verfahren also von einen Manipulation gesprochen wird, dann muss zuerst mitgeteilt werden, ob und gegebenenfalls welche Form von Manipulation vorliegt. Hieran scheitern Gerichte, Anwälte, Jugendamt und Psychologen oft.
Manipulation bedeutet, dass tatsächliche Bindungen sich im Verhalten nicht widerspiegeln
Salzgeber weist in Familienpsychologische Gutachten, 7. Auflage 2020, Rn. 1104, zurecht darauf hin, dass ein manipulierter Kindeswille dann vorliegt, wenn dieser die tatsächlichen Bindungsverhältnisse nicht widerspiegelt. Auch hierzu kann und muss man vortragen, wenn man dies behauptet.
Dies gilt umso mehr, als dass es eben kein Kriterium gibt, anhand dem man zwischen echten Äußerungen und vereinnahmten unterscheiden könnte (vgl. Kindler in Eltern-Kind Bindungen und geäußerter Kindeswille in hochstrittigen Trennungsfamilien).
Insbesondere unterscheiden Kinder nicht zwischen eigenen Aussagen und Induzierten, weshalb auch die Glaubwürdigkeitsanalyse diesbezüglich nicht hilft (Salzgeber aaO).
Indirekte Induzierung
Die Wissenschaften unterscheiden weiter zwischen indirekter Induzierung, wie das Gewähren oder Versprechen von Vorteilen, Geschenken, Zuwendungen, Freizügigkeit.
Direkte Induzierung
Die direkte Induzierung hingegen betrifft konkret das Verändern von Einstellung und Willensinhalt von Kindern in Bezug auf bestimmte Personen und in Bezug auf die Zukunft.
Inhalte der Induzierung
Induzierte Inhalte sind vorwiegend Furcht, Ablehnung und Feindseligkeit.
Die Behauptung, wenn das Kind dieses oder jenes wolle, dies sei manipulierter Wille, könnte zwar Ablehnung darstellen. Dazu muss man aber vortragen und sich damit auseinandersetzen.
Zu berücksichtigen ist allerdings auch die Frage, wie das Kind trotz oder gerade wegen seines Alters diese Ablehnung begründet.
Balloff in Kinder vor dem Familiengericht, 4. Auflage 2022, S. 253 ff., führt zu Recht aus, dass die Wirkfaktoren einer Manipulation darstellbar sind, sowohl auf Eltern als auch Kinderebene. Dies ist eine klare Handlungsanweisung an die Juristen, wird aber oft verkannt.
Unterbleibt dies, dann kann eben auch keine Manipulation behauptet sein.
Offene Induzierung
Offene Indizierung ist, wenn man den Gegner schlecht redet, das, was auch als bindungsintolerant auftritt. Damit wäre aber per se jedes Verfahren Manipulation, insbesondere jedes, das die Voraussetzungen des §1671 BGB bedingt, oder wenn im begleiteten Umgang bestimmte Themen nicht angesprochen werden dürfen oder der Wunsch des Kindes ignoriert werden muss).
Verdeckte Induzierung
Verdecktes Vorgehen ist die nonverbale Kommunikation, vor allem Mimik und Gestik Liebesentzug und Ähnliches. Auch hier muss es Sachvortrag geben.
Abgrenzung zur Normalität
Zu Recht weist Dettenborn (aaO S. 95) auch darauf hin, dass abgegrenzt werden muss zur normalen Erziehung, die die Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes fördert einerseits gegen die Beeinflussung, bei der Ziele eines Erwachsenen im Konflikt durchgesetzt werden sollen. Äußere Anpassung und Verinnerlichung müssen vorliegen, um Induzierung anzunehmen (Dettenborn und Walter, Familienrechtspsychologie, 4. Auflage 2022, S. 100).
Die Identität wird von solchen Induzierungen insoweit gestaltet, als dass diese bei Durchsetzung das Selbstvertrauen stärken, das Negieren dann aber das Gegenteil erreichen würde (vgl. hierzu auch OLG Frankfurtt 1 UF 94/93).
Das OLG Hamm hat in 11 UF 12/98 darauf hingewiesen, dass als eine Voraussetzung genannte Ablehnung von Kontakt … auf einer inneren Ablehnung beruhen muss, der tatsächliche oder auch eingebildete, nicht sachgerecht verarbeitete Ereignisse zugrunde liegen.
Auch hier muss also vorgetragen werden, welche Ereignisse es gibt, muss es Beweisaufnahmen geben usw.
Wann eine Manipulation nicht klappt
Einflüsse gegen vorhandene Einstellungen und Absichten eines Kindes sind in der Regel wenig wahrscheinlich (Dettenborn aaO S. 96).
Bedenklich, so Salzgeber, ist es insoweit, wenn man den Willen eines Kindes als nicht rational sieht und manipuliert, gleichzeitig aber dann den Willen nicht bei der gerichtlichen Regelung berücksichtigt, wie vorliegend (Salzgeber aaO).
Der Wille des Kindes sollte, so Balloff aaO S. 251, nicht einem rechtlich wünschenswerten Ziel geopfert werden. Denn dadurch würde dieser Wille an Bedeutung verlieren.
Solch ein Wille ist, da Kinder Subjekte sind, zu berücksichtigen, weil Kinder fähig sind, sich Handlungsräume und Freiheitsgrade anzueignen.
Fazit
Hier kann und muss der Jurist die Argumente und Aspekte, wie oben oberflächlich dargestellt, bedienen, Beweise anbieten und strukturiert Belege vorlegen. Das erhöht die Chancen auf ein Gutachten oder eine Entscheidung in eurem Sinne.
Literaturempfehlungen:
Dettenborn, Kindeswohl und Kindeswille, 6. Auflage 2021
Dettenborn und Walter, Familienrechtspsychologie, 4. Auflage 2022
Balloff in Kinder vor dem Familiengericht, 4. Auflage 2022
Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 7. Auflage 2020