Ich hatte ja bereits hier über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Zuständigkeit der Familiengerichte nach §1666 IV BGB geschrieben. Meine Videos zum Thema findet Ihr hier und hier. Nun habe ich einen Beitrag auf LTO.de zu Rechtsbeugung des Weimarer Familienrichters gelesen und möchte das so nicht stehen lassen. Weil die eigentlichen Probleme hier wieder nicht zureichend besprochen sind. Im Ergebnis kommt der Doktorand zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung über die Zuständigkeit der Familiengerichte, die Ausdehnung auf alle Schüler und die Anwendung von §1666 BGB auf Behördenmitarbeiter unvertretbar sein sollen. Diese Interpretation wird in weiten Teilen dem Familienrecht nicht gerecht.
Rechtsbeugung, weil Grundrechtsschutz auch über den Verwaltungsrechtsweg?
Der Rezendent meint, dass die Verwaltungsgerichte auch den Grundrechtsschutz sicherstellen würden:
Familiengerichte sind nicht einmal befugt, das Jugendamt zu einer bestimmten Leistung zu verpflichten, obwohl dieses sogar zwingend an Verfahren nach § 1666 BGB zu beteiligen ist (§ 162 II FamFG). Wenn nicht einmal das Jugendamt bei Kindeswohlsachen verpflichtet werden kann, was in der Sache durchaus naheliegen würde, gilt dies erst recht für Maßnahmen gegenüber Schulen.
Schließlich wird dem Kindeswohl auch auf dem Verwaltungsrechtsweg genügend Rechnung getragen. Denn auch Schulen sind über die Grundrechte verpflichtet, das Kindeswohl zu schützen. Das Thüringer OLG hob mit eben dieser Begründung die Entscheidung des AG auf
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Dabei verkennt der Rezendent aber, dass Kindeswohlverfahren nach §1666 BGB mit dem Antrag an das Familiengericht gem. §8a Abs. 2 SGB VIII an diese verwiesen ist. Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte endet damit. Der Gesetzgeber selbst hat also bei einer Gefahr die Zuständigkeit der Familiengerichte bejaht, auch und gerade wenn vorher eine andere Zuständigkeit bestanden haben sollte.
Stellen die Verwaltungsgerichte immer in KWG Verfahren den Grundrechtsschutz sicher? Ich habe es zu oft erlebt, dass Entscheidungen nach §80 V VwGO gegen Inobhutnahmen nicht bearbeitet werden, bis das Familiengericht tätig wird. Das mag der Überlastung der Justiz geschuldet sein oder der Tatsache, dass es keinen Sinn macht 2x in einer Sache entscheiden zu lassen. Ein Nachgeschmack bleibt trotzdem.
Rechtsbeugung kann man daher meiner Meinung nach auf diesen Fakt nicht stützen.
Rechtsbeugung, weil eine Behörde mit §1666 IV BGB getroffen wurde?
Auch hier führt Özcan aus:
§ 1666 IV BGB meint eigentlich, dass Anordnungen gegenüber Privaten, beispielsweise dem Lebenspartner der Kindesmutter, getroffen werden können. Dass Träger hoheitlicher Gewalt, wie z.B. die Schulleitung, davon nicht erfasst sind, findet im Schrifttum nicht einmal Erwähnung. Hintergrund ist, dass es zum juristischen Einmaleins gehört, dass Maßnahmen gegenüber Behörden grundsätzlich – bis auf wenige ausdrückliche Ausnahmen – von den Verwaltungsgerichten erlassen werden.
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Die Einschränkung, dass §1666 IV BGB meint, Anordnungen würden nur gegenüber Privaten getroffen werden, widerspricht dem Wortlaut der Regelung und dem Sinn und Zweck derselben, eine Gefahr für ein Kind abzustellen. Welchen Unterschied macht es für ein Kind, ob es von einem Menschen in Uniform, einem Lehrer oder dem Nachbarn geschlagen wird? Was, wenn der Nachbar gleichzeitig noch Polizeibeamter wäre? Kommt es dann auf dessen Dienstzeiten an, wobei Beamte ja immer im Dienst sind? An dieser Stelle sieht man schon, wie absurd die Ausführungen sind. Art. 6 II GG gilt hier uneingeschränkt und gibt den Eltern die Möglichkeiten, tätig zu werden – auch gegen Dritte, auch vor dem Familiengericht. Nun kann man einwenden, dass der Bundesgerichtshof diese Auffassung widerlegt und anders bewertet. Anders als Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes sind Bundesgerichtshofs Entscheidungen nicht bindend, hiervon kann – mit guten Argumenten – abgewichen werden. Stimmen gibt es genug, die eine andere Auffassung zu §1666 IV BGB vertreten – mich eingeschlossen. Damit kann also Rechtsbeugung nicht begründet werden.
Rechtsbeugung nur weil es um die Maskenpflicht geht?
Man kann sich des Eindrucks also nicht erwehren, dass Rechtsbeugung nur wegen des kontroversen Themas Corona und Maskenpflicht getroffen werden soll. Deshalb habe ich oben das Beispiel Gewalt bewusst gewählt, um die Diskussion abstrakter zu gestalten. Wenn ein Lehrer als Lebensgefährte ein Kind schlägt, sind dann die Familiengerichte nicht mehr zuständig? Oder wenn der Vater Lehrer ist? An dieser Stelle wird es doch deutlich, wie willkürlich argumentiert wird.
Rechtsbeugung, weil Dritte beteiligt wurden?
Denn nach § 7 II Nr. 1 FamFG müssen diejenigen, die von dem Beschluss unmittelbar betroffen sind, am Verfahren beteiligt werden. Familiengerichtliche Entscheidungen wirken also auch nur zwischen den Beteiligten. Wie das Gericht auf die Idee kommt, den Beschluss auch auf unbeteiligte Kinder zu erstrecken, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Es stellt sich daher als vollständig willkürliche Erweiterung des Beschlusses dar.
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Dass Beschlüsse nur zwischen den Beteiligten wirken, das wird bereits durch den Wortlaut des §1666 IV BGB widerlegt. Maßnahmen können auch gegen Dritte getroffen werden, die nicht Beteiligte sind. Auch hier halte ich die Argumentation für nicht schlüssig.
Aber wie ich bereits im Video ausgeführt habe, ist das Problem doch dass die betroffenen Kinder keine Möglichkeit hatten, ihre Sicht im Verfahren darzulegen, womit Art. 1 I GG i.V.m. §§158, 7, 9 FamFG verletzt ist, weil die anderen Kinder Objekt des Verfahrens wurden. Ich finde es bemerkenswert, dass ein solcher Artikel die Würde eines Kindes nicht als betroffen sehen möchte, dafür aber andere formelle Aspekte. Kann man so begründen, ich halte es aber für Systemwidrig.
Rechtsbeugung? Rechtsbeugung!
Auch ich bleibe dabei, dass Rechtsbeugung vorliegt, weil dritte Kinder keine Stimme im Verfahren hatten und damit gegen Verfassungsprinzipien verstoßen wurde. Solche Richter gehören aus dem Dienst entfernt. Aber: So oft wie falsche Entscheidungen im Familiengericht auch durch falsche Aussagen von Gutachtern und Jugendamt getroffen werden, die nicht geprüft oder hinterfragt werden, ist es schon bemerkenswert dass man bei einer Entscheidung, die einen ausufernden Staat in die Schranken weist, Rechtsbeugung annimmt, während man dies nicht tut, wenn der Staat bewusst nicht in die Schranken verwiesen wird.
Für mich bleibt die Formel klar: Weniger Staat ist mehr. Rechtsbeugung ja, aber wenn dann nicht ergebnisorientiert bejahen.