Wie man keinen Abänderungsantrag stellt, das kann man heute bei Sandro Groganz‘ „Freifam“ nachlesen. Ich bin sehr dankbar, dass er seinen Antrag anonymisiert online gestellt hat, weil er die typischen Fehler, die bei Abänderungsanträgen gemacht werden, in einer denkwürdigen Art und Weise alle verarbeitet. Jeder von Euch, der sich selber vertritt, kann damit eine ganze Menge lernen: Wie es nicht geht. Ich erkläre, warum.
Abänderungsantrag: Wesentliche Veränderungen ausführen
In einem Abänderungsantrag reicht es nicht aus, eine andere Rechtsauffassung zu haben. Gem. §238 FamFG müssen „Tatsachen“ vorgetragen werden, die eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bedingt. Dabei reicht es eben niemals aus, es besser zu wissen und allen anderen Beteiligten Kompetenzen abzusprechen und diese außerhalb des Rechtsstaates verordnet anzusehen.
Wenn man dann noch in einem eA Verfahren vorgehen möchte (einstweiliger Rechtsschutz), muss man diese neuen Tatsachen glaubhaft machen, also präsente Beweismittel anbieten. Die „Kenntnis“ irgendeines Dokumentes reicht eben nicht aus, weder beim Vater noch beim Richter.
Hinzu kommt, dass die dem Gericht vorliegenden Befunde des Dr. med. xxx eindeutig belegen, dass aus fachlicher Sicht eine Gefährdung der Kinder durch den Antragsteller auszuschließen ist.
Sandro Groganz auf Freifam
Das ist keine Glaubhaftmachung. Und damit liegt kein Sachvortrag mit Belegen vor.
Was die Kinder wollen? Fehlanzeige. Dazu kommen keine Aussagen. Wie es den Kindern geht und wie es ihnen nach einer Änderung gehen würde: Keine Aussagen. Verwundert es dann, wenn man denkt, dass dieser Vater das Wohl der Kinder nicht im Blick hat, insbesondere wenn er sich als Opfer zelebriert?
Wäre es ein anwaltlicher Schriftsatz, wäre so ein Schriftsatz nicht nur ein Haftungsfall, der Schadensersatzpflicht auslöst. Es wäre vorallem ein juristischer Offenbarungseid. So bleibt es schlicht ein schlechter Versuch, seiner politischen Stimme Gewicht zu geben.
Kindeswohl im Mittelpunkt auch der Abänderung
Das Kindeswohl muss bei jedem Kindschaftsverfahren im Mittelpunkt stehen, nicht nur rechtlich, sondern auch in der Schwerpunktsetzung der Argumente. Wie immer beim Vorgehen von Sandro Groganz steht aber gerade nicht das Wohl der Kinder im Mittelpunkt, sondern seine politische Meinung und die seiner Meinung nach bestehende Diskriminierung von ihm als Vater, der das Wechselmodell präferiert.
Die hiermit abzuändernden Beschlüsse des Amtsgericht Ulm – Familiengericht – erfolgten unter Missachtung eines am Wertesystem des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) orientierten Kindeswohls und Demokratieverständnisses.
Sandro Groganz auf Freifam
Das mag ja Sandros Meinung sein, eine Aussage über das was die Kinder benötigen steckt hierin jedenfalls nicht einmal ansatzweise.
Eilinteresse oder Anordnungsgrund fehlen
Ein weiterer grober Fehler ist wie in vielen Schriftsätzen von Laien, das schlicht vergessen wird, das Eilinteresse darzulegen. Gerade bei einer §1671 BGB Entscheidung, also über den Aufenthalt bei einem oder beiden Elternteilen (anders als bei §1666 BGB und Inobhutnahmen) muss man sich mit den Auswirkungen einer eA Entscheidung auseinandersetzen, was es bei den Kindern anrichtet, jetzt ggf. eine falsche Entscheidung zu treffen und diese wieder abzuändern. Juristisch wird das formuliert wie folgt:
„Daneben bedarf es eines dringenden Regelungsbedürfnisses (Anordnungsgrund) für ein sofortiges gerichtliches Tätigwerden, das ein Zuwarten bis zu einer wirksamen und damit vollzieh- bzw. vollstreckbaren (§§ 40, 116 III, 120 II 1) Entscheidung in der Hauptsache nicht erlaubt, weil diese zur Wahrung der schützenswerten Interessen zu spät käme (Nürnbg FamRZ 14, 52; Jena FamRZ 10, 1830; Stuttg FamRZ 10, 1678), und die Folgenabwägung muss ergeben, dass die Nachteile, die für die Rechte und Interessen der Beteiligten entstehen, wenn die EA unterbleibt, die Hauptsache aber iSd jeweiligen Beteiligten entschieden würde, schwerer wiegen als die Nachteile, die durch vorläufige Maßnahmen eintreten können, die aber aufzuheben und rückabzuwickeln sind, wenn sich die Hauptsache als erfolglos erweisen sollte (Brandbg FamRZ 19, 906).“
Prütting/Gehrlein, ZPO Kommentar, FamFG §49 FamFG,
Aussagen hierzu gibt es im Antrag keine. Anders formuliert: Selbst wenn Sandro Recht hätte und sein Begehr richtig wäre, kann hier eine Entscheidung sofort so nicht erfolgen. Auf die Frage, wer woran politisch Schuld ist, kommt es hingegen nicht an. Wir erinnern uns: Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt.
Taktik: Lösungen offenlassen, nicht alle angreifen
Taktisch unklug ist es, immer nur auf alle zu schimpfen. Ich empfehle jedem, in einem gerichtlichen Verfahren, zumindest eine Tür für eine Lösung offenzuhalten. Man könnte die Ausführungen, dass man mit der Mutter kooperiere, so interpretieren. Aber mit reiner Rechthaberei hat noch keiner gewonnen, zumal wenn solch gravierende Fehler im Antrag stehen. Manchmal haben Anwälte eben schon ihren Wert.
Gesetze lesen bildet
Wirklich unvertretbar wird es dann, wenn man zur Unionsrechtsprechung kommt. Zum einen gibt es bereits kein „Unions-Familienrecht“. Die Kommission schreibt hierzu:
Diese Rechtsnormen sind von Staat zu Staat unterschiedlich, da sie eng mit der Geschichte, der Kultur und der gesellschaftlichen Entwicklung des jeweiligen Landes verknüpft sind.
Europäisches Justizportal
Ein Binationaler Bezug ist nicht ersichtlich. Wenn man meint, über die europäischen Grundrechtecharta argumentieren zu können, z.B. Art. 24, dann muss man hierzu argumentieren. Und selbst das stellt nicht zwingend die Zuständigkeit des EuGH sicher. Auf die stellt man ab, freilich ohne das Gesetz zu lesen:
Sollte das Gericht dieser BGH-Rechtsprechung folgen, so ist die Anrufung des Gerichtshof verpflichtend. Es handelt sich dabei um eine Verletzung von Unionsrecht und muss als Frage an den EuGH gemäß Art. 19 Abs. 3 EUV i.V.m. Art. 267 AEUV durch das Gericht erfolgen.
Sandro Groganz auf Freifam
Das Problem ist nur, den Art. 267 AEUV hat Sandro wohl nicht gelesen. Dieser lautet:
„Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet.“
Art. 267 AEUV
Zwar kann man via §57 FamFG argumentieren, dass ja eigentlich eine Umgangsregelung im Vordergrund steht, die wiederum nicht anfechtbar wäre und damit die Voraussetzungen der AEUV gegeben wären. Gleichzeitig stellt sein Antrag aber auf die sorgerechtliche Komponente ab (ABR alleine auf ihn). Damit verbaut er sich den Weg zu Art. 267 AEUV, weil diesbezüglich ja eine Beschwerde möglich wäre und damit Art. 267 AEUV keine Anwendung findet. Das Problem muss man sehen, wenn man ernst genommen werden möchte.
Seitenweise Ausführungen, dass alle Entscheidungen falsch waren
Was bleibt? Seitenweise Ausführungen, dass alle bisherigen Entscheidungen falsch sind. Darauf kommt es aber bei Abänderungsanträgen nicht an.
Ich vertrete zwar auch die Auffassung, dass man inzident die Richtigkeit falscher Entscheidungen mitbesprechen kann. Aber nur dann, wenn eben aktuell wesentliche Tatsachenänderungen vorliegen. Bitte macht diesen Fehler nicht. Das kostet Euch nur Zeit und Geld, und emotional sterben danach wieder ein paar Hoffnungen. Das haben weder Eure Kinder noch Ihr verdient.
Muss dieses Sandro-Bashing sein?
Nein, und ja. Nein, weil es nicht gegen Sandro per se geht. Ja, weil wir aufhören müssen, uns selber in die Tasche zu lügen wie gut wir sind und wie Recht wir haben. Ich kann aus dem Beschluss heraus nicht lesen, warum es den Kindern heute schlecht und morgen besser geht. Ihr etwa?
Ich möchte nicht, dass Ihr Euch Eure wenigen Chancen dadurch verbaut, dass ihr solchen Luftschlössern folgt. Wenn man keine Ahnung hat, wie man einen Abänderungsantrag stellt, sollte man sich nicht als Vorbild für alle anderen gerieren. Dieser Antrag ist keine Hilfe, für niemanden. Er führt nur dazu, dass man berechtigte Anliegen nicht mehr ernst nimmt. Sandros berechtigtes Anliegen, Väter mehr gleichzuberechtigen, wenn sie dies wollen und können, gerät hier buchstäblich unter die Räder. Und genau deshalb ändert sich so wenig.
Dazulernen heißt Siegen lernen
Wer dazulernt, der weiss wie er in Zukunft gewinnen kann. Wer nach Jahren immer noch nur auf seiner Meinung beharrt und Argumente aus 2017 wiederholt, der nimmt einen Verlust wissentlich in Kauf. Offenbar geht es nicht mehr um die Kinder, sondern sich als Märtyerer zu zelebrieren. Dass man dazu alle Chancen, mehr Kontakt mit seinen Kindern zu haben, verspielt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Aber jeder kann seinen Weg gehen. Ich halte diesen Weg für schlicht falsch. Es machts dem Gericht viel zu einfach. So schreibt man keinen Abänderungsantrag. Und so wird ein Abänderungsantrag auch nicht ernst genommen, weder politisch noch rechtlich.
Quelle:
Update:
Weil ein Kommentar sagte ich solle sagen wies richtig geht: Hab ich 2019 schon, werd‘ aber sicher noch einen neuen Artikel zum Thema schreiben.
2 Antworten auf „Wie man keinen Abänderungsantrag stellt“
Mir fehlt, lieber Michael, für jeden Netz-User nachvollziehbar, einfach ein „WIE es besser geht!“ Hands-On… statt nur Häme und Kritik! Wenn Du Dir schon die Arbeit machst, Falsche Dinge zu zitieren und zu besprechen, dann schlage doch bessere Lösungen vor! Wo bleibt denn Dein Konstruktives, statt den scheinbar schon Verzweifelten noch mehr Schuld und Last anzuhängen.
Steht doch drinnen wie es geht. Musst Du nur lesen:
a) Änderung tatsächlich belegen
b) DANN inzident die Prüfung der Fehler der Vergangenheit
c) Orientierung daran was konkret den Kindern besser dient
Ansonsten verweise ich auf dieses 2 Jahre alte Video
https://www.youtube.com/watch?v=Xgzf6ySOiZ4
Dass ich nicht jedermanns Antrag schreiben kann ist klar. Zumal wenn ich nicht vorher gefragt werden 😀
Gruss, Danke jedenfalls für Deine Kritik