Der Bundesgerichtshof hat heute nochmals die bereits bekannte Rechtsprechung bestätigt – die ich für falsch halte – dass keine Maßnahmen nach §1666 BGB gegen Behörden und Schulen getroffen werden können und damit, auch wegen des Gewaltenteilungsprinzips, eine Zuständigkeit der Familiengerichte gerade nicht begründet wird. Da aber wegen der Amtsermittlung eine Verweisung nicht in Betracht kommt, sind solche Anträge gegen Infektionsschutzmaßnahmen von vorneherein einzustellen. Insbesondere führt der Bundesgerichtshof aus:
Maßnahmen gegen Dritte sind keine Maßnahmen gegen Behörden oder Träger öffentlicher Gewalt
„Zwar kann in besonders gelagerten Fällen bei Angelegenheiten der Personensorge auch eine Maßnahme gegen einen Dritten erfolgen (§ 1666
Bundesgerichtshof XII ARZ 35/21
Abs. 4 BGB), wenn von dessen Verhalten eine Gefahr für das Kindeswohl ausgeht. Eine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden ist damit aber nicht verbunden. Denn Dritte im Sinne der Vorschrift sind nicht Behörden und sonstige Träger der öffentlichen Gewalt. Auf Grundlage des § 1666 BGB können die Familiengerichte auch die Jugendämter nicht zur Unterlassung von Maßnahmen der Jugendhilfe wie etwa einer Inobhutnahme verpflichten (Senatsbeschluss vom Mai 2021 – XII ZB 34/21 – FamRZ 2021, 1402 Rn. 13 mwN; vgl. auch BVerwG FamRZ 2002, 668 f.). Umso weniger sind sie befugt, andere staatliche Stellen in ihrem Tun oder Unterlassen anzuweisen. Dies würde nämlich einen Eingriff in das Gewaltenteilungsprinzip bedeuten (OLG Jena FamRZ 2021, 1043, 1048; MünchKommBGB/Lugani 8. Aufl. § 1666 Rn. 181; Johannsen/Henrich/Althammer/Jokisch Familienrecht 7. Aufl. § 1666 a BGB Rn. 17; Meysen FamRZ 2008,
562, 563), für den es an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehlt. Insbesondere legitimieren die §§ 1666, 1666 a BGB i.V.m. dem staatlichen Wächteramt einen solchen Eingriff nicht. Im Rahmen des schulischen Sonderrechtsverhältnisse sind die zuständigen Behörden ihrerseits an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns auch hinsichtlich Infektionsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen – obliegt hierbei allein den Verwaltungsgerichten; insoweit haben auch die §§ 23 b GVG, 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG nicht die Bedeutung einer abdrängenden Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO.“
Keine Verweisung an das Verwaltungsgericht
Daher kommt eine Verweisung nicht in Betracht:
„Die Vorschrift des § 17 a GVG ist jedoch einschränkend dahin auszulegen, dass eine Verweisung von Amts wegen betriebener Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit mangels „Beschreitung eines Rechtswegs“ durch einen Antragsteller oder Kläger nicht in Betracht kommt, sondern diese bei fehlender Zuständigkeit einzustellen sind (BVerwG NJW 2021, 2600 Rn. 11; OLG Karlsruhe NJW 2021, 2054; OLG Frankfurt FamRZ 2021, 1383, 1384; OLG Jena FamRZ 2021, 1043, 1048; OLG Brandenburg Beschluss vom 27. Juli 202113 UF 80/21 – juris Rn. 5, 10 f.; vgl. auch OLG Köln Beschluss vom 12. Juli 2021, 14 UF 90/21 – juris Rn. 10 f.).“
Bundesgerichtshof XII ARZ 35/21
Meine Meinung
Die Entscheidung ist gut und spitzfindig begründet. Wie so oft verkennt der BGH aber, wie sich diese Auslegung auf den Bürger auswirkt, der es nicht verstehen muss, dass dieselben Handlungen anders bewertet werden, wenn sie von einem Menschen oder einem Jugendamtsmitarbeiter/Schulleiter ausgeführt werden. Liest man genau, spricht der BGH auch nur von Behörde. Es bleibt damit die kleine Frage offen, ob man gegen den Lehrer vorgehen kann – was aber angesichts der zitierten anderen Rechtsprechung wenig erfolgsversprechend scheint.
Für mich ist die Auslegung „Dritter“ insoweit auch willkürlich, weil vom Wortlaut nicht umfasst. Zudem ist das Familiengericht aus letztlich zuständig zu klären, was Wohl eines Kindes ist und nicht ein Verwaltungsgericht, das nur die verwaltungsrechtlichen (vorläufigen!) Voraussetzungen der Inobhutnahme klärt.
Due Menschen da draussen müssen das nicht verstehen. Es wird daher neuer Unfriede und weitere Probleme geriert.
Trotzdem schafft diese BGH Rechtsprechung Klarheit, die nur das BVerfG noch beseitigen könnte. Keine Maßnahmen nach §1666 BGB gegen Behörden und Schulen, das ist heute der status quo.
Eine Antwort auf „Keine Maßnahmen nach §1666 BGB gegen Behörden und Schulen“
[…] hatte ja bereits hier über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Zuständigkeit der […]