Das OLG Schleswig hat sich mit seiner Entscheidung 13 UF 4/20 vom 07.05.2020 mit den Anforderungen an die Qualifikation von Sachverständigen bei familienpsychologischen Gutachten auseinandergesetzt.
OLG Schleswig zur Qualifikation von Sachverständigen
Auf Seite 727 der NZFam führt der Senat zu Anforderungen an den Beweisbeschluss und an die
Qualifikation des für ein familienpsychologisches Gutachten
hinzuzuziehenden Sachverständigen aus:
Die „Arbeitsgruppe Familienrechtliche Gutachten“ hat unter Beteiligung von Vertretern juristischer,
psychologischer und medizinischer Fachverbände, der Bundesrechtsanwalts- und der Bundespsychotherapeutenkammer, fachlich begleitet durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und unterstützt durch den XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes unter Einbindung und Mitwirkung der Landesjustizministerien die sog. „Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht“ als Empfehlungen erarbeitet.Diese sind im Jahre 2019 in 2. überarbeiteter Auflage erschienen. Unter anderem war auch das Institut für Soziale Arbeit (ISA) beteiligt.
Auch wenn diese Empfehlungen keine Kriterien im Sinne rechtlich verbindlicher Mindeststandards darstellen, so dienen sie doch der Konkretisierung der in § 163 I FamFG formulierten Anforderungen an die in Kindschaftssachen zu bestellenden Sachverständigen und die zu erstattenden Gutachten und sind nach Auffassung des Senates im Rahmen der Ausübung des
OLG Schleswig 13 UF 4/20 vom 7.5.2020
pflichtgemäßen Ermessens zu berücksichtigen, da sie eine Arbeitsgrundlage darstellen, die von den
beteiligten Experten unter Einbeziehung juristischer und psychologischer Aspekte in Kenntnis der
bestehenden Situation im Gutachterwesen erarbeitet wurden.
Mindestanforderungen definieren i.S. §163 FamFG die Frage der Qualifikation von Sachverständigen
Kurz und knapp: Die Mindestanforderungen definieren als Auslegung des §163 I FamFG, wann ein Gutachter kompetent ist und wann ein Gutachten hinreichend gut ist.
Für mir eine längst überfällige klare Aussage zur Qualifikation von Sachverständigen und zur Anwendbarkeit der Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht, insbesondere eben auch im Hinblick auf die Gutachten.
Der Senat setzt sich noch umfangreich mit der Qualifikation von Pädagogen, Ausnahmen und Regeln auseinander, weshalb diese Entscheidung für alle zu lesen empfehlenswert ist.
Josef Salzgeber kommentiert diese Entscheidung in der FamRZ 2020, 719 ff. und erkennt an, dass die dortigen Sachverständigen nicht qualifiziert für die Beweisfrage waren, gleichzeitig das OLG anders als andere Oberlandesgerichte eben nicht jede Fortbildung ausreichen lassen wollen. Insbesondere hat das Oberlandesgericht aber, so Salzgeber zustimmend, das Gutachten inhaltlich gewürdigt und konkrete Mängel aufgezeigt. Damit wird letztlich per se die von mir „kritische Gutachtensrezension“ getaufte Vorgehensweise geadelt.
Untersuchungsplan muss vorab den Beteiligten kundgetan sein
Weiter erwähnt das Oberlandesgericht, dass eine angemessene Erklärung des Sachverständigen gegenüber den Beteiligten über die Fragestellung und den Untersuchungsplan zu erfolgen hat.
Fehlerhaft ist es danach, dies nicht zu tun, was aus dem Gutachten ersichtlich sein muss:
Dem Gutachten ist nicht zu entnehmen, dass insbesondere mit den Kindeseltern die einzelnen Schritte der Begutachtung vorab besprochen und sie auf die Freiwilligkeit der Begutachtung hingewiesen wurden.
OLG Schleswig aaO
Anwälte und Richter müssen die Qualifikation von Sachverständigen aktiv hinterfragen
Die Entscheidung zeigt, dass es sich also lohnt, sowohl die Qualifikation von Sachverständigen zu hinterfragen als auch die Gutachten an den Mindestanforderungen zu messen. Auch wenn es viele Anwälte und Richter nur ungern hören wollen: Diese Mehrarbeit lässt sich nach dieser Entscheidung, die vollkommen meiner Auffassung entspricht, nicht mehr vermeiden. Wenn ein Anwalt das nicht kann, sollte man tunlichst einen Fachmann hinzuziehen oder mich beauftragen.
Die Entscheidung des OLG Schleswig ist ein Meilenstein für die Qualität von Sachverständigengutachten und gibt der von mir lange geäußerte Auffassung, dass diese Mindestanforderungen verbindlich sind, weil sie das wissenschaftlich geschuldete wiedergeben, rückhalt.
3 Antworten auf „Anforderungen an die Qualifikation von Sachverständigen“
[…] auch nicht zwingend in der Lage, psychologische Fragestellungen zu beantworten und erfüllt die verbindlichen Mindestanforderungen nicht […]
[…] Auffassung geben die Mindestanforderungen vor, wie ein Gutachten auszusehen hat. Ob man das nunmehr über §163 FamFG regelt, wie es das OLG Schleswig macht, oder indem man hierin dasjenige niedergelegt sieht, was als […]
[…] bekennt sich nach dem OLG Schleswig ein weiteres Oberlandesgericht deutlich zu den Mindestanforderungen. Die Entscheidung des […]