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Sorgerecht

Wechselmodell auch bei Kommunikationsproblemen

Wechselmodell auch bei Kommunikationsproblemen oder erheblichen Störungen der Kommunikation kein Problem – zu dem Schluss kommt das OLG Dresden Beschluss vom 14.04.2022 – 21 UF 304/21 – freilich unter der Einschränkung, dass dieses Wechselmodell bereits gelebt sein muss. Trotzdem eine Entscheidung, die Hoffnung machen kann:

Leitsatz Wechselmodell auch bei Kommunikationsproblemen

Ein Wechselmodell kann gegen den Willen eines Elternteils auch bei einer erheblichen Störung der elterlichen Kommunikation gerichtlich angeordnet werden, wenn das Wechselmodell bereits seit geraumer Zeit tatsächlich gelebt wird, es dem beachtlichen Willen des Kindes entspricht und nachteilige Auswirkungen auf das Kind nicht feststellbar sind.

OLG Dresden

Die dortige Mutter war gegen die Anordnung des Wechselmodells gewesen. Begründet wurde die Beschwerde mit erheblichen Kommunikationsstörungen und der Manipulation des Kindeswillens. Dem hat das Oberlandesgericht nun eine Abfuhr erteilt.

Das Oberlandesgericht bekennt sich selbst in einem höchsten Konfliktfall zur BGH Rechtsprechung. Obwohl ein höchst komplexer Fall vorlag mit vielen Streiereien.

Selbst Eskalationsexzesse hindern Wechselmodell nicht

Auszugsweise führt der Beschluss aus:

Eine vernünftige, am Kindeswohl orientierte Kooperation und Kommunikation zwischen den Eltern ist auch derzeit kaum möglich. Es fehlt weiterhin an gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Eine von dem Antragsteller und der Antragsgegnerin im Senatstermin am 22.06.2021 vereinbarte außergerichtliche Mediation ist gescheitert. Die Antragsgegnerin hat hierzu erklärt, sie habe die Mediation beendet, weil der Antragsteller sie fortlaufend beleidigt und ihr ein kriminelles Verhalten unterstellt habe. An Absprachen, die während der Mediation getroffen worden seien, habe sich der Antragsteller im Nachhinein nicht gehalten. Der Antragsteller hat noch während des Laufs des Mediationsverfahrens im Januar 2022 Strafanzeige gegen die Antragsgegnerin mit der Begründung erstattet, diese habe ein Handy, das er L… zu Weihnachten 2020 geschenkt habe, an Dritte veräußert. Im Senatstermin am 17.03.2022 hat die Antragsgegnerin berichtet, dass es mit dem Antragsteller derzeit keine Kommunikation gebe. Der Antragsteller hat seinerseits geschildert, dass eine Kommunikation der Eltern gegenwärtig nur über L… oder über die Schule stattfinde. Ein Fahrradunfall des Kindes im April 2021 hat zu seinem nach wie vor noch anhängigen Sorgerechtsverfahren vor dem Familiengericht geführt, nachdem die Eltern kein Einvernehmen über die erforderliche ärztliche Behandlung erzielen konnten. Nach Einschätzung des Jugendamtes dauert der massive Elternkonflikt, dem L… schutzlos ausgesetzt ist, seit dem Jahre 2018 bis heute unverändert an.

OLG Dresden

Es wurde also alles mögliche an Stress produziert. Oft stellt man sich sowieso in der Beratungspraxis die Frage, ob Eltern nicht bewusst die Kommunikation hindern, um ein Wechselmodell zu verhindern.

Wechselmodell darf Kind nicht belasten

Darauf kommt es aber nicht an, solange das Wechselmodell das Kind nicht belastet:

Dabei ist die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern aber nur ein Abwägungsgesichtspunkt, der im Einzelfall zurücktreten kann. Auch bei hochkonfliktbehafteten Eltern kann das Wechselmodell dem Kindeswohl entsprechen, und zwar dann, wenn zu erwarten ist, dass das Wechselmodell die Belastung des Kindes durch den Elternkonflikt nicht verstärkt, darüber hinaus die Belastung sogar vermindert (vgl. Wache, Anm. zu OLG Bamberg, Beschluss vom 01.03.2019 – 7 UF 226/18 -, NZFam 2019, 574; Salzgeber, NZFam 2014, 921, 929). 

BGH, FamRZ 2020, 255, 257

Jede Betreuung an Vor- und Nachteilen messen, auch das Wechselmodell!

Wichtig dabei ist immer, dass bei jedem Betreuungsmodell alle Vor- und Nachteile aller Konstellationen abzuwägen sind:

Vor- und Nachteile für das betroffene Kind und seine Eltern wertend gegeneinander abzuwägen (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 2019, 979, 980 = NZFam 2019, 574; KG, FamRZ 2018, 1324, 1326; Hammer, FamRZ 2015, 1433, 1442).

OLG Bamberg FamRZ 2019, 979

Das Wechselmodell kann Schadensminimierung sein

Diese Aussage des OLG finde ich so unendlich wichtig. Und man muss sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Das Wechselmodell kann Schadensminimierung sein. Insbesondere wenn es seit einem Jahr keine Probleme beim Wechsel gab und die Schule das bestätigt, steht einem Wechselmodell nichts entgegen.

Die Entscheidung ist wichtig, weil der Focus auf das verlegt wird, was wirklich zählt: Dass es dem Kind gut geht. Echte oder vorgeschobene Probleme der Eltern sind zu vernachlässigen. Dem kann ich mich nur anschließen.

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